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Der akustische Schatten des Baumes oder das Brausen des Lichts – „KULTUR INKLUSIV“ begleitet das Klangkunstprojekt „Sonic Projections“

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Als Dialog von weltweit gesammelten Klängen zwischen Kunsthaus und Schloßberg agiert das Projekt mit dem und im Stadtraum. Eine Gruppe von Menschen mit und ohne Hör- und Sehbeeinträchtigung nahmen Anfang des Jahres 2020 das Projekt zum Ausgangspunkt für ein Erforschen von Wahrnehmungen und Erfahrungen im Stadtraum. Die Gruppe sprach dabei über gute und weniger gute Plätze in der Stadt, über Sicherheit und mehrsprachige Kommunikation, die in einer inklusiven, digitalisierten Gesellschaft immer breitere Präsenz bekommen soll und kann. Gebärden-, Braille- und die verschiedenen Schriftsprachen aus Nachbarländern öffentlich zu machen, trägt einerseits einem Bedürfnis einer Gruppe von Mitbürger_innen Rechnung; andererseits erweitert eine solche Mehrsprachigkeit, im Sinne des Projekts, auch die Wahrnehmung in Bezug auf die heterogene Gesellschaft, die wir sind.

Foto: Kunsthaus Graz/M. Grabner

Beim Austausch über die Erfahrungen des Hinschauens und Hinhörens fanden wir außerdem wunderbare Gemeinsamkeiten wie etwa das Genießen des Luftrauschens an der Mur, der Weite des Himmels am Schloßberg, des akustischen und visuellen Schattens im Park und als Wesentlichstes den alle verbindenden Sinn – den Geruchssinn.

Aus diesem Umstand lud die Gruppe den Künstler Heribert Friedl (* 1969 Feldbach, lebt in Wien) ein, mit ihnen einen Spaziergang durch die Stadt zu machen: immer der Nase nach.

Friedl, der sich seit Jahren mit dem Geruch als skulpturalem Medium beschäftigt, hat aus der Erfahrung des Spaziergangs nun ein Hör- und Schriftstück gemacht, das in Form von fühlbaren Plakatwänden dem Sprechen über Geruch nachgeht. Dieses wird zum Abschluss des Projekts nun an den Fassaden der Uni Graz, an der Akademie Graz und im Kunsthaus zum Erfühlen und Betrachten für alle auftauchen – als ein Beispiel für den direkten Output aus dieser Zusammenarbeit, neben inklusiven Führungen im Stadtraum und vielem mehr.

Halten Sie inne, wenn sich das Ungewohnte in Ihre Wahrnehmung schiebt.

Heribert Friedl, Wenn alles beginnt sich aufzulösen, dann ist vielleicht der Geruch das große Verbindende (Plakatserie), 2020


Die erste Grabungswoche am Schöckl

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Seit 2015 forscht das Institut für Antike der Universität Graz (ehemals Institut für Archäologie) bei der römischen Fundstelle rund um den Ostgipfel am Schöckl. Die Grabungen der letzten Jahre enthüllten Ausschnitte eines ausgedehnten Höhenheiligtums rund um den Ostgipfel. Dabei wurden zahlreiche Münzen, Glasarmreifen, Glasperlen und einige weitere Metall- und Keramikfunde geborgen, die als Weihegabe an die Götter der Antike in den Boden gelangten. Zudem konnten auch Teile eines Sakralgebäudes am höchsten Punkt des Ostgipfels nachgewiesen werden. Von diesem waren nur mehr Teile der Grundmauern erhalten, der Grundriss konnte bis jetzt nicht ganz geklärt werden. Bemerkenswert waren aber die zahlreichen bemalten Wandverputzreste, die von Wandmalereien im Inneren des Gebäudes zeugen.

 

Erste Funde am Ostgipfel des Schöckls, Bergung von Wandmalereiresten, Foto: Levente Horvath

Zeitreise durch mehrere Schichten

Die diesjährige Grabungskampagne ist eine Kooperation zwischen dem Institut für Antike der Universität Graz und dem Universalmuseum Joanneum. Das Ziel ist, die bisher unerforschten Bereiche dieses Sakralbaus am Ostgipfel zu untersuchen. In der ersten Grabungswoche wurde zunächst der Humus abgetragen, danach kamen mehrere Schuttschichten zum Vorschein, die die Überreste des Sakralgebäudes überdecken. Bereits beim Abtragen dieser Schichten wurden mehrere römische Münzen gefunden, die wie auch die bisherigen Funde als Opfergabe in den Boden gelangten. Nachdem der grobe Schutt mit größeren Steinen in den meisten Bereichen abgetragen wurde, kamen feinere Schuttschichten mit Mörtelgrus und den schon bekannten Wandverputzfragmenten zum Vorschein. Dies ist eine übliche Situation bei verstürzten Gebäuden: Zuerst bröckelt der Putz von den Mauern herab, danach wird von Frost, Wind und Wetter der Mörtel zwischen den Mauerfugen herausgeschwemmt und schließlich stürzen die Mauern zusammen und kommen über dem Verputz und dem Mörtel zum Liegen.

Vorbereitung für die Grabung, Juni 2020, Foto: Levente Horvath

Rätselhaftes Mauerfragment

Inzwischen zeichnen sich in der diesjährigen Grabungsfläche bereits auch einige Mauerabschnitte ab. Ein Mauerstück, welches letztes Jahr in einem kleinen Schnitt schon angetroffen wurde und mehr Fragen als Antworten mit sich brachte, dürfte nach den Ergebnissen der heurigen Grabung ein Sockel im Inneren des Sakralgebäudes gewesen sein. Vielleicht stand hier früher eine Statue oder anderes Kultbild der verehrten Gottheit. Vielleicht stand der Sockel auch in Zusammenhang mit der Kultpraxis beim Höhenheiligtum. Im Moment gibt es noch keine klaren Antworten, hoffentlich finden sich noch weitere Indizien bei der Grabung und bei den anschließenden Recherchen.

Nächste Woche gehen die Grabungen weiter und werden sicherlich weitere spannende Fragen und vielleicht auch ein paar Antworten mit sich bringen!

 

Levente Horvath

Was ist die BIX: BIX und Menschen

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Elisabeth Schlögl: Klaus Pröpster, der das Projekt Dein Name auf der Kunsthausfassade umsetzte, meinte, dass die BIX dann Aufmerksamkeit bekommt, wenn sie etwas mit den Menschen zu tun hat. Die Idee, Menschen einzuladen, ihren Namen auf die Fassade des Kunsthauses zu schreiben, ist super simpel. Das Projekt ist auf großes Interesse gestoßen. Die Zeitslots, die vergeben wurden, um seinen Vornamen über die BIX zu schicken, waren innerhalb weniger Tage ausgebucht. Ich mochte den Zuspruch und die Aufmerksamkeit, die dieses Projekt bekam. Es gab auch einen inhaltlichen Link zur damals aktuellen Ausstellung von Jun Yang, der unter anderem Identität, Künstlersubjekt, Einzigartigkeit, Authentizität thematisierte. Spätestens seit dem BIX-Projekt von Klaus Pröpster frage ich mich, was hat die BIX – was hat das Kunsthaus – mit den Menschen zu tun? Was können wir machen, damit sich die Menschen dafür interessieren, was auf der BIX – und damit am größten Medienscreen der Stadt – läuft?

Katia Huemer: Ich glaube, das Namensprojekt ist ein gutes Beispiel dafür, dass die einfachsten Ideen, gepaart mit einem interaktiven Element, auf der BIX am besten funktionieren. Das hat meiner Meinung nach mehrere Gründe: Zum einen, weil – wie du ja sagst – die Menschen nicht lange davor verweilen, um sich Kunstprojekte anzusehen, die meisten nehmen die Fassade im Vorbeigehen war. Wenn also nicht schnell und klar erkennbar ist, was da gerade läuft, beschäftigt sich niemand damit. Das andere ist eben die von realities:united so gewollte technische Simplizität – an/aus, hell/dunkel, große Pixel. Daraus ergibt sich ein schematisches Bild. Mehr kann die Fassade nicht und soll sie auch nicht können. Das Konzept hat gute Gründe, schränkt aber natürlich auch ein, denn ein komplizierter aufgebautes Bild kann nicht wahrgenommen werden, Farben und Ton gibt es auch nicht. Und drittens: Wer träumt nicht davon, sich einmal in irgendeiner Form groß und auffällig in den Stadtraum einzuschreiben?

Martin Grabner: Spannend und erwähnenswert ist doch, dass die BIX als das materiell statischste und immobilste Element des Kunsthauses jetzt, da alle Ausstellungen Corona-bedingt schließen mussten, der einzige physische Ort bleibt, an dem visuelle Kunst kommuniziert werden kann. Und gemeinsam mit den permanenten Klanginstallationen am Kunsthaus und den temporären Arbeiten von Bill Fontana einen multisensualen Kunstort im Stadtraum etabliert. Den einzigen derartigen Ort der Stadt.

Was ist die BIX: BIX und Zukünftiges

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Elisabeth Schlögl: Ich blieb mit Onur Sönmez in Kontakt und habe ihn eingeladen, ein Projekt für die BIX zu machen. Onur Sönmez ist Medienkünstler und -designer und hat Medienfassaden-Projekte in Linz (Ars Electronica Center), Istanbul (Zorlu PSM Istanbul) oder in Barcelona (Torre Glòries building) realisiert. Seine erste Idee ist es, den Strom für die BIX mittels Sonnenenergie zu erzeugen. Das hätte zur Folge, dass die BIX nur dann leuchtet, wenn genug Strom produziert wurde. Diese Idee streift Themen wie Klimawandel und Lichtverschmutzung, aber auch die Selbstverständlichkeit von Licht in der Stadt. Mir gefällt die Idee. Tatsächlich ist es so, dass mein Kollege Andreas Graf, der die BIX technisch betreut, Anrufe erhält, wenn sie mal nicht an ist. Das heißt, es gibt die Erwartung, dass auf der Fassade etwas läuft. Wenn ich abends auf dem Schlossberg bin und auf die Stadt schaue, ist das Kunsthaus mit der leuchtenden BIX der Eyecatcher – ok, ich bin nicht ganz unvoreingenommen … Ist es den Menschen wirklich egal, was auf der Kunsthausfassade zu sehen ist? Was wäre, wenn wir ein halbes Jahr lang Zeitslots verkaufen würden, in denen die Menschen bestimmen könnten, was zu sehen ist? Mit den Einnahmen würden wir für die zweite Jahreshälfte neue BIX-Projekte finanzieren. Es wäre ein waghalsiges Projekt und trotzdem reizt es mich.

Onur Sönmez, Foto: Ines Handler

Barbara Steiner: Ich finde den Vorschlag von Onur Sönmez hervorragend, dass die BIX nur dann leuchtet, wenn genug Strom produziert wird, genau wegen der von dir erwähnten Selbstverständlichkeit, nicht nur von Licht in der Stadt, sondern auch der BIX selbst. Sie ist ein wenig wie ein Verwandter, mit dem man sich nie wirklich unterhalten hat, der aber fehlt, wenn er plötzlich nicht mehr zu den Familientreffen kommt. Da die BIX ja inzwischen saniert werden muss, und das ziemlich teuer wird, kann es gut sein, dass sie einmal von heute auf morgen dunkel bleibt. Deshalb gefällt mir auch deine Idee mit den Zeitslots. Vielleicht müssen wir sogar bald darauf zurückgreifen. Und wir könnten kommerzielle von künstlerischen Projekten zeitlich klar trennen. Reizvoll erscheint mir, dass kommerzielle Botschaften niemals wirklich überzeugend funktionieren werden – wegen der Einschränkungen, die realities:united eingebaut haben.

Zweite Grabungswoche am Schöckl

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Am Ende der ersten Grabungswoche sind wir bereits auf die Schuttschichten des römischen Sakralgebäudes am Ostgipfel des Schöckls (3./4. Jh. n. Chr.) gestoßen. In den ersten Tagen der zweiten Woche wurden diese Schuttschichten komplett abgetragen. Dabei konnten wir zahlreiche, teils bemalte Wandverputzfragmente bergen. Während der Grabung waren nur bunte Streifen, meist in Rot und Gelb, erkennbar. Man darf aber auf die Ergebnisse nach der Reinigung gespannt sein: Letztes Jahr waren manche Überraschungen wie Ritzinschriften erst bei der Bearbeitung nach der Grabung erkennbar!

Die Grabungen aus der Vogelperspektive

Neue Funde bringen Erkenntnisse – und werfen Fragen auf, Juli 2020, Foto: Levente Horvath

Die meisten Verputzfragmente lagen noch in originaler Versturzlage um den Mauersockel im Inneren des Gebäudes, der bereits in der ersten Woche gut erkennbar war. Leider war die östliche Seite des Sockels durch spätere Bodeneingriffe bereits stark in Mitleidenschaft gezogen, die westliche Seite und ein Teil der Nord- und Südseite sind aber noch gut erhalten. Inzwischen erscheint es zunehmend wahrscheinlich, dass dieser Sockel innerhalb des Sakralgebäudes eine wichtige Rolle einnahm. Es ist auffallend, dass viele der in der Antike geweihten Funde – meist wurden bei der Grabung Münzen gefunden – unmittelbar neben diesem Mauersockel deponiert waren. Da viele der Münzen im (!) verstürzten Verputz und nicht darunter gefunden wurden, ist es gut vorstellbar, dass Menschen im 3./4. Jahrhundert n. Chr. das Gebäude noch als Kultplatz nutzten, als es schon zu verfallen begann. Dabei dürften die Münzen zum Sockel gelegt worden sein, als der Verputz bereits abzubröckeln begann.

Der Sockel bot aber noch weitere spannende Details: Noch vor dem Verfall wurde er anscheinend im Norden erweitert und damit vergrößert. Interessant war auch die Nordwestecke des Sockels, denn hier konnte eine Planierung mit einer großen Schieferplatte erfasst werden. Dabei handelt es sich um ein originales Gehniveau – über diese Platte dürften also zuletzt Menschen des 3./4. Jahrhunderts n. Chr. gegangen sein!

Archäologin und Archäologie bei der Arbeit

Das Grabungsteam hofft auf weitere Nachweise eines Sakralgebäudes, Juli 2020, Foto: Levente Horvath

Innerhalb der Grabungsfläche hoffte das Grabungsteam auch weitere Abschnitte der östlichen Mauer des Sakralgebäudes nachweisen zu können. Teile dieser Mauer konnten schon in den Grabungsflächen der letzten beide Jahre nachgewiesen werden. Im Bereich der diesjährigen Fläche scheint die Mauer aber vollkommen zerstört worden zu sein. Hier konnten nur mehr Planierschichten der Antike erfasst werden, die die Felsspalten ausfüllten. Doch auch diese Schichten bieten interessante Informationen: Sie zeigen, wie die Menschen der Antike das natürliche Gelände veränderten und ihren Bedürfnissen vor dem Bau des Sakralgebäudes anpassten.

Neben den spannenden Befunden um den Mauersockel war der Fund von zwei hervorragend erhaltenen römischen Fibeln ein weiteres kleines Highlight der zweiten Grabungswoche!

 

Hier gibt es mehr Infos zur ersten Grabungswoche.

„ein sehr übler und lamiger weeg“ – Die Bildungs- und Kavaliersreise der Prinzen von Eggenberg 1660–1663

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Nach dem Schul- und manchmal auch Universitätsbesuch in der jeweiligen Heimatstadt war es angemessen, zumindest ein Semester an einer ausländischen Hochschule zu studieren. Ebenso wichtig war es, berühmte Städte, ihre Kirchen und Paläste sowie die architektonischen Hinterlassenschaften der römischen Vergangenheit zu besichtigen. Weiters sollte es der Besuch und Aufenthalt an verschiedenen Höfen ermöglichen, aktuelles Zeremoniell und verschiedene Formen der Hofhaltung aus eigener Anschauung kennenzulernen. Dass man dabei das adelige Netzwerk der Eltern nützen und erneuern und ein eigenes knüpfen konnte, galt als weitere Motivation. Nicht zuletzt galt es, reelle Risiken und auch imaginierte Gefahren einer Fernreise im 17. Jahrhundert zu bestehen. Bildungserwerb und Horizonterweiterung, Sittenverfeinerung und Kontakte, Weltläufigkeit und nicht zuletzt ein gewisser Initiationsritus – all dies rechtfertigte die Durchführung der Kavaliersreise.

Keine Reise ohne passende Begleitung

Dem Adelsspross wurde ein sorgfältig ausgewählter Begleiter mitgegeben, der neben entsprechender Bildung auch möglichst Reise- und Organisationserfahrung mitbringen sollte. Für die Prinzen Johann Christian, er war zum Reiseantritt 18 Jahre alt, und seinen um drei Jahre jüngeren Bruder Johann Seyfried wählte die Mutter Anna Maria von Eggenberg auf Empfehlung ihres Schwiegersohns, des Fürsten Ferdinand von Dietrichstein, den Gelehrten und Geistlichen Arnold Goddin aus, der dann auch für den Großteil der Tour als Hofmeister der Brüder fungierte. Seine Aufgabe bestand darin, den Bildungsfortschritt der Zöglinge, den Hauptzweck der Reise, zu gewährleisten. Dazu wählte er am Studienort eine standesgemäße Wohnung und geeignete Lehrer aus, denn der Unterricht fand als Privatunterricht statt. Ihm oblag auch die Verantwortung für alle finanziellen Transaktionen und die Buchhaltung.

Portraits Johann Christian und Johann Seyfried Portraits Johann Christian und Johann Seyfried

Goddin hatte bereits mehrmals adelige Zöglinge begleitet, dementsprechend war er auch in die intensiven Vorbereitungen der Reise eingebunden. So wurde die Versorgung mit Barmitteln über das Bankhaus der Fuchsischen Erben in Passau sichergestellt, bei deren Partnerinstituten etwa der Hofmeister die zuvor angewiesenen Beträge in der jeweiligen Landeswährung beheben konnte. Zusätzlich führte Goddin die stolze Summe von 1000 Dukaten und 200 neue Taler aus eigener Prägung mit sich. Die ganze Reise verschlang letztlich über 60.000 fl.

Der Reisepass wurde von Kaiser Leopold I. ausgestellt, pünktlich zum Reiseantritt am 2. Juni 1660, und lautete nach einem der Familiengüter auf die Herren von Adelsberg. Die Brüder reisten also inkognito, wie es auch aus Sicherheitsgründen opportun war. Bei Gastgebern aus höchsten Kreisen und auch an der Universität war freilich ihre wahre Identität bekannt.

Höhen und Tiefen einer langen Reise

Die Fahrt sollte als Bildungsreise zuerst zum Studium an die Jesuitenuniversität im niederländischen Leuven führen, wo sich die Gruppe von Juli 1660 bis Ende April 1661 aufhielt. Danach führte die Reise als Kavalierstour durch Frankreich nach Orleans, ins Loiregebiet und schließlich für einen längeren Aufenthalt im Frühjahr 1662 nach Paris. Die Alpen querte die Gruppe am Mont Cenis, über Turin und Genua traf man in Mailand ein, wo Johann Seyfried schwer erkrankte und sich drei Monate lang auskurieren musste. Florenz, Siena und Rom waren Stationen auf dem Weg nach Neapel, nach einer Woche ging es aber dann für längere Zeit zurück nach Rom, wo den Brüdern nicht nur eine Audienz beim Papst, sondern auch ein herzlicher Empfang durch Königin Christine von Schweden, einer Cousine ihrer Mutter, gewährt wurde. Als letzter großer Höhepunkt wurde im Mai 1663 Venedig besucht, um mit eigenen Augen das prächtige Schauspiel des Festes der „Vermählung des Dogen mit dem Meer“ sehen zu können. Danach führte der Weg zurück nach Graz, wo man am 4. Juli 1663 nach etwas mehr als drei Jahren wieder eintraf.

Mit der Begründung, dass die Söhne unter seiner Verantwortung nicht ausreichend lernten, wurde Arnold Goddin von Anna Maria im Sommer 1662 in Mailand entlassen und mit Franz Bouquet ein langjähriger Angestellter und Beamter der Familie, den Kindern wohlbekannt, zum zweiten Hofmeister berufen. Bouquet begleitete die jungen Eggenberger bis zur Heimkehr nach Graz im Juli 1663 und blieb auch danach noch zwei Jahre ihr gemeinsamer Hofmeister. Neben dem Hofmeister reisten auch mehrere Gesellschafter und Diener mit, wobei Zahl und Zusammensetzung variierten – in als unsicher empfundenen Gegenden wie dem südlichen Italien wuchs die Gruppe auf bis zu dreizehn Personen an.

 Fries Raum 22 F05-01, Foto: Universalmuseum Joanneum

Fries in den Prunkräumen des Schloss Eggenberg, Foto: Universalmuseum Joanneum

Aus diesem Personenkreis stammt der Autor des Reiseberichts, Siegmund Friedrich von Galler. In tagebuchartiger Form werden damit vom Anbeginn der Reise bis zum Besuch Neapels alle Etappen sowie die besuchten Sehenswürdigkeiten beschrieben. Zuallererst diente der Bericht der Fürstin – sie finanzierte das ganze Unternehmen – zum Nachweis, dass ihre Mittel auch zweckgemäß eingesetzt wurden. Darüber hinaus war der Text für die jungen Fürsten eine Erinnerung an ihre große Tour, Johann Christian bewahrte ihn in der Familienbibliothek in Krumau auf. Dabei war die Reisebeschreibung nicht zur Veröffentlichung vorgesehen, aber man rechnete vielleicht damit, dass Verwandte darin lesen wollten, eventuell als Anleitung für die eigene Tour, ganz so, wie man auch die Erfahrungen des Schwagers Ferdinand von Dietrichstein zur Planung der eigenen Fahrt nützte.

Als wäre man dabei gewesen: Erfrischender Reisebericht

Angesichts der vielen Details wie der Länge der einzelnen Etappen, Uhrzeit des Aufbruchs oder Höhe der Mautgebühren sowie der vielen eingestreuten Geschichten muss der Reisebericht kontinuierlich geführt und aktualisiert worden sein. Die Reinschrift erfolgte erst später.

Für heutige Leser/innen zeichnet der Bericht ein überraschend lebendiges und mitunter amüsantes Bild der Epoche. Man erfährt, dass in manchem Wirtshaus das Essen derart armselig war, dass das Haus als „guet zu fasten“ empfohlen wurde. Als kräftige junge Männer legten die Brüder den größten Teil der Strecke zu Pferde zurück, doch berichten sie auch von Kutschen-, Eilkarossen- und Schiffsfahrten. Manchmal wiederholt der Bericht die Warnungen vor gefährlichen Wegabschnitten, doch tatsächlich begegnet sind den Eggenbergern Banditen, Briganten und andere böse Buben nie. Dass die jungen Prinzen die „exercitia“, also Fecht- und Tanzstunden, sowie Schießübungen wesentlich aufregender als ihre Studien fanden, wird rasch klar, ebenso, wie sehr sie über die prächtigen Städte, ihre Größe und Ausstattung staunten und vor allem am Anfang der Tour diese immer wieder mit ihrer Heimatstadt Graz verglichen – zu deren Nachteil.

Neben dem Bericht schenkt auch der lebhafte, wenn auch anscheinend etwas einseitige Briefverkehr Einsicht in die Bildungs- und Kavalierstour. Ebenso umsichtig wie unermüdlich ermahnt Fürstin Anna Maria ihre Söhne, mehr Eifer beim Lernen zu zeigen, dem Hofmeister den nötigen Respekt zu zollen und sich nicht länger heimlich nächtens davonzustehlen, um Karten zu spielen und anderen Unterhaltungen zu frönen. Als der jüngere Bruder in Mailand drei Monate lang immer wieder mit Fieberschüben das Bett hüten muss, kümmert sie sich rührend aus der Ferne um sein Wohl. Dem Älteren schickt sie zum 21. Geburtstag Gottes Segen und dazu 12 Taler aus eigener Prägung.

Auf Basis des Reiseberichts und der Friesbilder, die zum barocken Deckenzyklus in den Prunkräumen des Schlosses Eggenberg gehören, bot sich die Idee an, die Bildungs- und Kavaliersreise in Form einer Serie fiktiver Postkarten online zu präsentieren und so die originalen Texte und Bilder nachvollziehbar miteinander zu verknüpfen. Bei einem Besuch der Prunkräume können die Friesbilder besichtigt werden und lassen so die Reise wieder lebendig werden.

Hit the Road! Zwischen 1660 und 1663 unternahmen die jungen Fürsten Johann Christian und Johann Seyfried Eggenberg eine ausgedehnte Europareise. Von dieser sogenannten „Kavalierstour“ ließ sich ihre Mutter regelmäßig berichten. Vieles davon erleben wir heute noch genauso wie sie damals, wie etwa eine abenteuerliche Anreise, Sehenswürdigkeiten oder Unterkünfte, auf alle Fälle unvergessliche Eindrücke. Hätte es damals schon Postkarten gegeben, könnten sie vielleicht so ausgesehen haben … to be continued! Reisewarnung des Außenministeriums! Von Wegen oder Straßen, die man meiden sollte, haben auch die beiden Fürsten zu berichten: „… durh ganz Sauoyen, absonderlich aber von Vilor biß Turin, die vorgehendte zeit gar vnsicher gewessen ist... vorhero ist selten einer durchgeraist, der nit entweder außgeblindert oder gar erschlagen ist worden.“ Bereits im 17. Jahrhundert war der Louvre in Paris ein „must-see“: Neben den fluß auf der vntern seithen zu endt der statt ist die königliche residenz, Louure genandt. Anierzo ist khaumb der halbe theil vertig, man bauth aber taglich starkh daran. Darinen seint zu sehen des königs vnd der königin zimer, so mit schenesten gemählen, schreib cässtlen, tapetzereyen vnd andern edlen geschmuckh geziert seint. Von diesen königlichen apartementt ist an den waser hinundter ein überauß langes, gleich hohes vnd ganz gleich gebautes gebey, Les Galeries de Louure genandt, darin ein galerie. Istmit schenen gemällen vnd statuen erfillet. Auch die Wahl des richtigen bzw. schnellsten Transportmittels hatten die jungen Fürsten zu treffen: Den 18. dits zu morgens vmb 7 seint wür auf Herzogenbasch, alda vmb 3 nachmittag ankhomben vnd in Gulden Leben auf den blaz losiert. Ist 7 stundt auf der Maaß zu fahren. Alda fahrt kein ordinarij schiff, destwegen man ein expres schiff aufnemben mueß, daruon bezalt 8 frankhen. Nicht nur Italien war für seine antiken Ruinen bekannt, besonders in Südfrankreich waren die Überreste der römischen Kultur weithin sichtbar: Nimes ist ein hibsches vnd zimblich grosses stättl ... Eß ist auch alda zu sehen von anfang des bergl ein templ, so der Diana dediciert gewessen. Eß sein in dieser statt noh andere alte monumenta vill, alß ein stuckh von ein römischen hauß, vill steinen von alten statuen vnd auh hin vnd wider alte begröbnussen vnd grabstain, darauf vndterschidtliche epitaphia zu lessen. Heute befragt man einschlägige Seiten im Internet, bevor man Unterkünfte bucht oder Restaurants besucht. Doch manchmal nützt auch das nichts und man macht dementsprechende Erfahrungen: Zu Altdtmanshausßen ist ein kleines vnd ganz ruiniertes derffl, auch auf Wirzburg gehörig. Alda ist ein kalles wierts hauß, alwo guet zu fasten vnd auf den stro zu ligen ist. Im Gegensatz zu heute beschränkte sich die Briefkorrespondenz während der Bildungs- und Kavaliersreise nicht nur auf Nachrichten der Reisegesellschaft ins heimatliche Graz. Ganz im Gegenteil: Fürstin Anna Maria von Eggenberg, die Mutter der beiden Prinzen, war mit einer Fülle von Briefen immer präsent. Als der mangelnde Lernfortschritt der Söhne offensichtlich wird, besorgt sie einen neuen Hofmeister und ermahnt ihre Söhne eindringlich, diesen zu respektieren, sich endlich ihren Studien zu widmen und nicht länger heimlich nächtens auszureißen und Karten zu spielen, damit sie nicht an Leib, Leben und Seele Schaden nehmen. Doch gibt es auch erfreulichere Schreiben aus Graz. Zu Johann Christians 21. Geburtstag schickt sie ihrem Sohn Gottes Segen und 12 Taler aus eigener Prägung.

Literatur:

 

  1. Bok, A. Kubíková (Hg.), Bericht über die Reise Johann Christians und Johann Seyfrieds von Eggenberg durch die Länder Mittel-, West- und Südeuropas in den Jahren 1660 – 1663, Budweis, 2012.

 

Security Instructions

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Eine Performance von Aldo Giannotti
Mit Alexander Deutinger, Marta Navaridas und Karin Pauer

Nach der Schließung aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus öffnete das Kunsthaus Graz seine Türen am 1. Juli 2020 mit einer Performance von Aldo Giannotti als Teil der Ausstellung Socially Distanced, die am Katzenbaum im Kunsthaus-Foyer Arbeiten versammelte, die sich mit diesem neuen Begriffspaar in all seinen Facetten beschäftigten. Für Security Instructions instruierte Giannotti drei Performer_innen, für die Sicherheit der Besucher_innen zu sorgen.

Foto: Kunsthaus Graz/J.J. Kucek, © Bildrecht, Wien 2020

Schwarz gekleidet – im Stil der Museumsaufsichtspersonen – mischten sich Alexander Deutinger, Marta Navaridas und Karin Pauer unangekündigt unter die Menge, um einzelne Ausstellungsbesucher_innen im Erdgeschoss sowie in der laufenden Gruppenausstellung Wo Kunst geschehen kann leise Hinweise zu erteilen: Sätze wie „Bitte halten Sie physischen Abstand, aber nicht emotionalen“, „Stellen Sie sich vor, wir wären einander näher“ oder „Ich bin angewiesen Ihnen mein Lieblings-Kunstwerk in dieser Ausstellung zu zeigen“ trieben die Absurdität der vielen Regeln, mit denen wir nicht erst seit der Corona-Pandemie konfrontiert sind, auf die Spitze.

Foto: Kunsthaus Graz/J.J. Kucek, © Bildrecht, Wien 2020

In Space01, jener Ausstellungsebene, auf der gerade Bill Fontanas raumgreifende Video- und Klanginstallation Primal Energies zu erleben ist, wurden die verbalen Anweisungen zu tänzerisch ausgeführten Gesten und Bewegungen, ähnlich jenen, die uns von Flugreisen bekannt sind. Spätestens in dieser letzten, abstrakten Phase der Security Instructions offenbarten sich die Performer_innen als solche und machten ihre subversive Präsenz offenkundig.

Foto: Kunsthaus Graz/J.J. Kucek, © Bildrecht, Wien 2020

Aldo Giannotti hatte in den letzten Monaten die staatlichen Empfehlungen und deren Folgen genau beobachtet und mit kritischen Arbeiten kommentiert. Sein Virus Diary, bestehend aus ca. 80 Zeichnungen zur „aktuellen“ (und schnell überholten) Lage erscheint im Oktober 2020 im Verlag der modernen Kunst inklusive einer Edition für das Kunsthaus Graz.

Dritte Grabungswoche am Schöckl

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Mit dem Abschluss der zweiten Grabungswoche waren die eigentlichen Grabungsarbeiten in Kooperation mit der Universität Graz bereits weitgehend abgeschlossen. Die erhaltenen Mauerreste – ein Mauersockel im Inneren des römischen Sakralgebäudes – waren weitgehend freigelegt und auch sonst war das Erdmaterial fast vollständig bis auf den anstehenden Felsen abgetragen.

Am Montag der dritten und für dieses Jahr letzten Grabungswoche wurden dann noch die verbliebenen Erdschichten vollständig abgetragen. Bei dem Abtragen der letzten Schichten zeigte sich, dass der anstehende Felsen an mehreren Stellen abgearbeitet war. Die dazwischen liegenden Felsspalten waren mit römischen Planierschichten verfüllt. Das Erdmaterial für die Auffüllung dürfte aus der näheren Umgebung des Ostgipfels stammen. Dieser Befund zeugt von einer groß angelegten Veränderung des Geländes beim Ostgipfel vor der Errichtung des Sakralgebäudes im 3. Jh. n. Chr. Man muss sich hierbei auch vor Augen halten, dass das natürliche Gelände deutlich verändert wurde, vor der antiken Nutzung dürfte der Ostgipfel ein deutlich anderes Erscheinungsbild geboten haben.

Dokumentation halten die Ergebnisse fest, Foto: Levente Horvath

Dokumentationen halten die Ergebnisse fest, Foto: Levente Horvath

Durch die Verfüllung der Felsspalten und der Abarbeitung von Felsspitzen wurde für das Sakralgebäude eine einigermaßen ebene Oberfläche geschafften. Ganz eben war der Boden im Sakralgebäude aber nicht, zwischen dem südlichen und nördlichen Bereich scheint es ein Niveaugefälle von bis zu 70 cm zu geben! Durch die nachantiken Bodeneingriffe ist aber das römische Gehniveau an vielen Stellen nicht mehr erhalten. Daher ist es derzeit noch nicht ganz klar, wie der ursprüngliche Boden im Sakralgebäude rekonstruiert werden kann. Hoffentlich lässt sich bei der Gesamtauswertung mit den Befunden der vergangenen Jahre ein plausibles Bild rekonstruieren!

In den vergangenen Jahren wurden in römischen Schichten auch immer wieder einige wenige prähistorische Keramikfragmente gefunden (wahrscheinlich Hallstattzeit). Daher stellte sich die Frage, ob vor der römerzeitlichen Nutzung der Ostgipfel auch in prähistorischer Zeit (als Kultstätte?) genutzt wurde. Doch auch dieses Jahr konnten keine prähistorischen Befunde getätigt werden, die ältesten durch Menschen abgelagerte Schichten über den Felsen datieren in die römische Kaiserzeit. Ältere Strukturen wurden also bei der römischen Umgestaltung des Geländes entweder zerstört oder die wenigen in römische Schichten verlagerten prähistorischen Scherben stammen gar nicht vom eigentlichen Ostgipfel. Viel eher könnten diese mit dem Erdmaterial zur Auffüllung der Felsspalten aus der näheren Umgebung an den Ostgipfel gelangt sein.

Zu den letzten Arbeitsschritten der diesjährigen Grabung gehörte auch die abschließende Dokumentation der Mauerbefunde und der Felsoberfläche. Dabei wurde unter anderem auch eine Vielzahl an Fotos aus unterschiedlichen Winkeln angefertigt. Diese helfen dann dabei ein 3D-Modell der Mauern und der Felsoberfläche zu erstellen. Nachdem alles dokumentiert wurde, begann das Grabungsteam am Dienstag die Grabungsfläche wieder zuzuschütten. Interessierte Besucher und Besucherinnen waren dabei leicht enttäuscht aber dieser Vorgang ist notwendig. Die Mauerbefunde bleiben im Boden am besten konserviert, andernfalls bräuchte es einen ordentlichen Schutzbau und eine ständige Pflege. Dank der umfassenden Dokumentation bleiben aber alle ergrabenen Befunde auch nach dem Zuschütten der Grabungsfläche fassbar!

Nach wochenlanger Arbeit wird die Grabungsstelle wieder zugeschüttet, Foto: Levente Horvath

Nach wochenlanger Arbeit wird die Grabungsstelle wieder zugeschüttet, Foto: Levente Horvath

Abschließend seien noch kurz einige Ergebnisse der diesjährigen kurz zusammengefasst:

  • Beginnen wir mit dem etwas enttäuschendem Ergebnis: durch jüngere Bodeneingriffe war von der östlichen Mauer des römischen Sakralgebäudes weniger erhalten als erhofft. Doch auch dieses „negative“ Ergebnis trägt dazu bei, unsere Erkenntnismöglichkeiten abzuklären.
  • Ein im Vorjahr angetroffenes Mauerstück entpuppte sich als der Überrest eines Podestes im Sakralgebäude. Für die Kultpraxis dürfte dieser eine hervorragende Bedeutung gehabt haben. Zudem müssen aufgrund der neuen Ergebnisse bisherige Rekonstruktionsversuche zum Grundriss des Gebäudes teils verworfen und neu gedacht werden.
  • Es konnten weitere Ausschnitte des ehemaligen Bodenniveaus erfasst werden. Da große Flächen durch jüngere Bodeneingriffe schon zerstört waren, handelt es sich hierbei um wertvollen Befunde.
  • Inzwischen mehren sich die Indizien, dass das Sakralgebäude mehrere Bauphasen aufweist. Bisher konnte dies nicht eindeutig geklärt werden.
  • Durch die professionelle Bergung von Fundmaterial in ihrem archäologischen Kontext konnten weitere wertvolle Indizien für die folgende Auswertung gewonnen werden. Dabei werden hoffentlich auch weitere Rückschlüsse zur Ausstattung des Gebäudes und zu der antiken Kultpraxis möglich sein.

In den kommenden Wochen und Monaten werden die Funde der diesjährigen Grabung gereinigt und restauriert, die digitalen Pläne werden erstellt und es wird ein Grabungsbericht verfasst. Inzwischen sei allen Leserinnen und Lesern die Sonderausstellung zu den Römern am Schöckl im Archäologiemuseum im Schloss Eggenberg empfohlen!

 

Hier gibt es mehr Informationen zur ersten Grabungswoche und zur zweiten Grabungswoche.


“Ich kehre ein klein wenig zufriedener in die Gegenwart zurück …“

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Bettina Habsburg-Lothringen: Sehr geehrter Herr Professor Kubinzky, seit wann sammeln Sie Ansichtskarten zur Steiermark?

Karl A. Kubinzky: Ich sammle, seitdem ich mich als Kind daran erinnern kann. Die Objekte meiner Wahl haben sich inzwischen geändert. Die Steiermark gehört spätestens seit dem Gymnasium, also seit rund 70 Jahren, bevorzugt dazu. Geschichte und Geografie gehörten zu den wenigen Schulfächern, in denen ich brillierte. Das, verbunden mit meinem Beruf als Soziologe an der Universität und meinem Lebensumfeld, ergab die Sammelambition für Graz und die Steiermark.

 

“Ich sammle, seitdem ich mich als Kind daran erinnern kann.”

 

Wie umfangreich ist die Sammlung zur Steiermark? Wie setzt sie sich – zum Beispiel hinsichtlich der vertretenen Zeiten oder Orte – zusammen?

 Meine Sammelobjekte – vom großen Ölbild bis zum Foto und der Ansichtskarte, Letztere sind zugegebenerweise die weit überwiegende Mehrheit – habe ich nie gezählt. Da tut es mir um die Zeit leid. Aber die Steiermark ist sicher mit weit mehr als 10.000 Objekten vertreten. Ich habe eine ABC-Orte-Ordnung zu organisieren versucht. Aber so ganz einfach ist das nicht. Die Gemeindegrenzen und -Namen ändern sich und oft überschreiten Abbildungen den Raum einer Gemeinde. Wie ist das zum Beispiel mit Schlössern, die bekannter als die Gemeinden sind? Soll das Stift Rein unter „E“ nach der Gemeinde Eisbach oder Göss unter Leoben eingeteilt werden?

Karl A. Kubinzky führt durch die Ausstellung "Dein Graz!" im Museum für Geschichte. Er deutet mit der Hand auf die ausgestellten Werke.

Karl A. Kubinzky führt durch die Ausstellung “Dein Graz! Die Sammlung Kubinzky” im Museum für Geschichte, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Tatsächlich war das auch eine der nicht einfachen Fragen im Zusammenhang mit der Ausstellung und Publikation. Und bezüglich der Zahl stehen wir im Digitalisierungsprojekt derzeit bei knapp 13.000 Ansichtskarten, wobei bemerkt werden muss, dass Sie seit unseren ersten Gesprächen zur Ausstellung nicht aufgehört haben, immer neue Karten zu erwerben. Liegt der Teilsammlung zur Steiermark eigentlich eine bewusste Entscheidung zugrunde? So im Sinne von: „Ab heute sammle ich auch die Steiermark“? Oder ergab sich das zufällig, weil sich zum Beispiel in einem Konvolut zu Graz auch einzelne Stücke zur Steiermark fanden?

Für mich bilden die Landeshauptstadt Graz und das Bundesland Steiermark, das ehemalige Kronland, eine Einheit. Persönliche Nähe und lokales Interesse motiviert den Sammler. Aber ich habe selbstverständlich auch beispielsweise eine umfangreiche Sammlung zu Niederösterreich oder „Böhmen“, der Heimat meines Vaters.

 

Folgen Sie in der Entwicklung der Sammlung einem Konzept? Suchen Sie gezielt nach Ansichten oder Orten oder nehmen Sie auf, was Ihnen unterkommt und Sie persönlich anspricht?

Gute Frage! Die Sammel- und Kaufentscheidung fällt in einer Mischung von Emotion und Realitätsbezug. Manchmal ist das Erjagen wichtiger als das Besitzen. Manchmal lasse ich mich zum Erwerb provozieren. Mitunter ist es die Freude an „schönen und/oder interessanten“ Objekten. Hin und wieder versage ich mich einer Abbildung.

 

“Manchmal ist das Erjagen wichtiger als das Besitzen.”

 

Woher kommen die Karten? Kaufen Sie im Internet oder auf dem Flohmarkt, erwerben Sie ganze Sammlungen? Und gibt es da – über die letzten Jahre betrachtet – eine Entwicklung, was die Herkunft der einzelnen Stücke angeht? Gab es zum Beispiel eine Verschiebung in Richtung Internet?

Wachsen ab einer gewissen Größe Sammlungen von allein? So einfach ist das nicht. Alle Möglichkeiten sind für den engagierten Sammler erlaubt. Erben, geschenkt bekommen, finden, tauschen, kaufen, ersteigern, ausleihen … Ich kenne meine Haupthändler und die kennen mich. Sicher spielen „Tauschtage“ – wohl besser: Kaufausstellungen – und seit Jahren das Internet seine große Rolle. Beispielsweise eine seltene und interessante Abbildung von einem Händler aus den USA direkt zu erwerben, ist Erfolg für „Sammler und Jäger“.

 

Welche Bedeutung hat für Sie die Sammlung von Ansichtskarten, auch im Vergleich zur wesentlich umfangreicheren Graz-Sammlung?

Vielleicht stellt einmal ein Psychiater die Gründe dafür fest, aber alle Sammelobjekte sind mir wichtig, manche allerdings wichtiger! Wenn wir schon über Motive sprechen. Bitte halten Sie mich höchstens mäßig für verrückt. Aber der Sammler erwirbt das abgebildete Objekt real. Ich kann kurzfristig und fantasievoll eine Reise in eine andere Zeit und Welt antreten. Ich erfreue mich nostalgisch an den farbigen und kompakten Siedlungen, so wie sie auf Colorchomkarten dargestellt sind. Ich blende jedes „Wenn und Aber“ kurz aus. Von diesem Ausflug kann ich unbeschädigt in die Gegenwart zurückkehren.

 

“Bitte halten Sie mich höchstens mäßig für verrückt.”

 

Sie sprechen hier von einem lustvollen Stöbern und Eintauchen. Befassen Sie sich mit der Sammlung auch wissenschaftlich? Recherchieren und publizieren Sie auch zu den Steiermark-Beständen?

Ja, selbstverständlich. Natürlich befasse ich mich nicht mit jedem Bild und immer gleich intensiv. Sonst wäre ich nur ein zwar erfolgreicher, aber simpler Sammler. Ich bin ein ausgebildeter, akademisch qualifizierter Historiker und Geograf. Ich weiß nachzuforschen und zu dokumentieren. So gibt es viele einschlägige Publikationen – allen voran über die Grazbilder meiner Sammlung – und auch etwas über die Steiermark, so über den Bezirk Deutschlandsberg. Wenn Sie mir etwas Zeit lassen, gibt es über jedes Bild auch eine einschlägige Story.

v. l. n. r.: Wolfgang Muchitsch (wiss. Direktor, Universalmuseum Joanneum), Astrid Aschacher (Kuratorin), Alexia Getzinger (kaufm. Direktorin, Universalmuseum Joanneum) und Karl Albrecht Kubinzky (Sammler und Schenker), Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

v. l. n. r.: Wolfgang Muchitsch (wiss. Direktor, Universalmuseum Joanneum), Astrid Aschacher (Kuratorin), Alexia Getzinger (kaufm. Direktorin, Universalmuseum Joanneum) und Karl Albrecht Kubinzky (Sammler und Schenker), Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

In Anbetracht von rund 13.000 Ansichten: Gibt es Lieblingsstücke, Lieblingsorte oder -zeiten, wenn Sie an die Steiermark-Karten denken?

Einerseits sind immer die zuletzt erworbenen Stücke aktuell am interessantesten. Andererseits bin ich stolz auf seltene und interessante Ansichten. Meine Sammlung ist so umfangreich, dass ich auch hin und wieder bei mir Entdeckungen machen kann.

 

“Ich kann mich, modisch formuliert, hineinbeamen und kehre ein klein wenig zufriedener in die Gegenwart zurück.”

 

Lassen Sie uns am Ende noch kurz zur Ausstellung kommen. „Immer schön!“ widmet sich dem photochromen Bestand, der aktuell bei ca. 2.500 Stück liegt. Diese Fokussierung liegt angesichts des Umfangs der Sammlung durchaus nahe, sie wurde aber auch von Ihnen selbst im Zuge der Ausstellungskonzeption konkret vorgeschlagen. Warum? Sprechen Sie die photochromen Karten besonders an und falls ja, weshalb ist das so?

Ja, das ist für mich ein besonderer Schatz. Die um 1900 noch recht kompakt begrenzten Ortschaften mit ihren fotografisch exakt aufgenommenen Details, meist von einer Anhöhe her, faszinieren mich. Die händisch vorbereitete Kolorierung täuscht – verbessert – einen Blick in eine andere, längst vergangene Welt vor. Ich kann mich, modisch formuliert, hineinbeamen und kehre ein klein wenig zufriedener in die Gegenwart zurück. So warten noch Hunderte nicht publizierte Colorchromkarten, steirische und auch andere auf ihre Publikation. Ich lasse gerne andere an meinen Schätzen Anteil haben. Ich danke auch dem Joanneum für die Chance einer Teilöffnung meiner Sammlung.

 

Herzlichen Dank für das Gespräch!

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Harter Lockdown – und was kommt danach?

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Nun gibt es wieder massive Ausgangsbeschränkungen. Nicht nur „Freizeiteinrichtungen“ wie Museen, Theater, Kinos, sondern auch Shoppingzentren müssen schließen. Und ja, es tat weh zu sehen, dass sich Zigtausende, wie etwa letzte Woche bei der Eröffnung eines Möbelhauses im Flachgau, unkontrollierbar versammeln durften, aber Kultureinrichtungen mit ausgefeilten Hygiene- und Einlasskonzepten geschlossen wurden. Es ist müßig, sich zu fragen, ob es wirklich so weit hat kommen müssen. Es gibt keinen Zweifel: Momentan ist der Lockdown notwendig, schaut man sich Infektionszahlen und die Auslastung der Krankenhäuser an. Doch frage ich mich: Was kommt danach? Folgt auf die nächste Lockerung der nächste Exzess, der nächste Lockdown …?

Eine Skala von 1 bis 10

Ein kleines Gedankenexperiment: Auf einer Skala von 1 bis 10, welchen Stellenwert nehmen Kunst und Kultur ein? Ich würde sagen, sie stehen ganz am Ende. Kunst und ihre Institutionen in die Kategorie „Freizeiteinrichtungen“ einzusortieren, unterschätzt nicht nur ihre gesellschaftliche Dimension – es ist für die Beteiligten bitter, die sich in der Regel mit großem persönlichen Engagement für Kunst und Kultur einsetzen.

© Oliver Ressler

In den meisten Fällen ist es mehr als „ein Job“. Der zweite Lockdown wird sich in diesem Bereich weitaus verheerender auswirken als der erste, auch wenn es glücklicherweise einige staatliche Unterstützung gibt. Doch das ist keine Perspektive für die Zukunft. Nachdem man im Kulturbereich begonnen hatte, sich auf das „neue Normal“ einzustellen und Konzepte im Umgang mit der Pandemie zu finden, viele Ideen gefunden und viel Energie investiert wurde, um den Zugang zu Ausstellungen, Konzerten, Theateraufführungen, Filmvorführungen zu ermöglichen, folgte die Enttäuschung: ein weicher Lockdown ohne Kunst und Kultur.

On ‒ Off

Ein von mir wertgeschätzter Kollege, Martin Fritz, hat es vor Kurzem so formuliert: „Die Erfahrung der letzten Monate hat gezeigt, dass Kunstinstitutionen gerade in unsicheren und krisenhaften Zeiten die Rolle der qualitätsvollsten und verantwortungsvollsten, auch achtsamsten öffentlichen Räume spielen könnten.“ Könnten – wenn man sie künftig lassen wird. In den nächsten Wochen und Monaten wird sich zeigen, ob es überhaupt eine Perspektive für den Kulturbereich gibt. In einer gemeinsamen Erklärung der Berliner Theater wurde es so formuliert: „Ein Betrieb im On/Off-Modus macht insbesondere ohne längerfristige Vorankündigung die Planung und Arbeit unmöglich.“ Es geht nun nicht darum, Shoppingzentren, Restaurants und Cafés gegen Kunst und Kultur ausspielen zu wollen, aber es braucht für alle Perspektiven, was nach dem harten Lockdown passieren wird. Es müssen vor allem in den Zeiten, in denen die Ansteckungszahlen sich wieder auf einem niedrigen Niveau einpendeln, Richtlinien entwickelt werden, die nachvollziehbar machen, wann für wen Maßnahmen gelockert oder verschärft werden. Basierend auf einer Analyse, die aufzeigt, wo die Ansteckungen tatsächlich stattfinden.

 

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Veliko Tarnovo, Arbanassi und die Stiftung des Künstlers Plamen Dejanoff

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Sofia, Alexander-Battenberg-Platz, Fundamente des ehemaligen Bronze House von Plamen Dejanoff, © Barbara Steiner

Bei meinem jüngsten Besuch in der bulgarischen Hauptstadt waren davon nur mehr die Bodenbefestigungen zu sehen. Doch war das Hauptziel meiner Reise diesmal nicht Sofia, sondern Veliko Tarnovo.

Stadtansicht von Veliko Tarnovo, © Barbara Steiner

Eine Stiftung für die Kunst

Veliko Tarnovo und das nachgelegene Arbanassi sind mit Plamen Dejanoffs Familiengeschichte auf das Engste verbunden und ein wesentlicher Bezugspunkt der Werkserie Foundation Requirements, die wir im Rahmen der Ausstellung Kunst Handwerk im Kunsthaus Graz zeigen werden. Bereits 2006 hatte Dejanoff die aufwendige künstlerische Produktion seiner Arbeit nach Bulgarien ausgelagert. Mehr noch, er versuchte, westliche Kunstinstitutionen, Galerien, Verlagshäuser etc. zu überzeugen, ihre Aktivitäten ebenfalls dorthin zu verlegen bzw. in Bulgarien zu investieren. Eine entwickelte Infrastruktur für zeitgenössische Kunst, öffentliche und private Unterstützung gibt es in Bulgarien kaum – mit ein Grund für Dejanoff, 2010 ebendort eine Stiftung zu gründen, deren Ziel es ist, zeitgenössische Kunst in der öffentlichen Wahrnehmung Bulgariens zu verankern und spezifische Projekte – wie etwa Bronze House und Foundation Requirements – umzusetzen. Die Stiftung wird von einer Reihe von Institutionen und Privatpersonen unterstützt.

Die Vergangenheit

Arbanassi, Wohnhaus aus dem 15. Jahrhundert, © Barbara Steiner

In Dejanoffs Stiftung sind bis zu diesem Zeitpunkt ein Wohnhaus aus dem 15. Jahrhundert, ein Badehaus aus dem 16. Jahrhundert in Arbanassi sowie drei Häuser aus dem 17., 18. und 19. Jahrhundert in Veliko Tarnovo eingebracht, die seiner Familie im Zuge eines Restitutionsverfahrens vom bulgarischen Staat rückerstattet wurden. Ferner besitzt die Stiftung mehrere Sammlungen, deren Bestände laufend ergänzt werden: zirka 18.000 historische Dokumente zur Geschichte Bulgariens, 190 Werke zeitgenössischer Kunst, mehr als 2.000 Bücher über Kunst, Architektur, Mode, Film und Design. Die Gebäude sollen künftig öffentlich zugänglich gemacht werden und Ausstellungen zu ihrer Geschichte und von zeitgenössischer Kunst zeigen.

Arbanassi, Wohnhaus aus dem 15. Jahrhundert (innen), © Barbara Steiner

Veliko Tarnovo und Arbanassi sind jedoch nicht nur mit der Biografie Dejanoffs eng verbunden, sondern auch mit der Geschichte Bulgariens. Sie sind im Grunde bis heute Teil einer nationalen Erzählung, die immer wieder überschrieben wurde. Jährlich reisen Hunderttausende Touristinnen und Touristen an diese Orte, deren Bedeutung einem auf Schritt und Tritt begegnet.

Arbanassi, Kirche der heiligen Erzengel Michael und Gabriel, Fresken 18.Jhd., © Barbara Steiner

Arbanassi, Kirche des Heiligen Georg, Fresken (Detail: Höllenschlund) 1710, © Barbara Steiner

Alte Techniken werden reaktiviert

In Veliko Tarnovo habe ich erfahren, dass Le Corbusier, einer der Architekten der Moderne, vor allem von der sogenannten „Stecktechnik“ fasziniert war, die heute noch in vielen alten Gebäuden, auch in seinen eigenen, zu finden ist. Auch Dejanoff wendet die Stecktechnik Jahrzehnte später in seinen Objekten an, für Decken, Paneele, Fußböden und Türen. Dabei werden die einzelnen Teile nur durch Holzstifte und -winkel zusammengehalten. Von anderen wird diese Technik heute so gut wie nicht mehr eingesetzt, ihre Ausführung ist einfach zu aufwendig und teuer.

Plamen Dejanoff, Foundation Requirements (Raumverkleidung), 2014, Courtesy Galerie Emanuel Layr Wien/Rom, Foto Ursula Blickle Foundation Kraichtal

In jüngster Zeit hat sich Dejanoff mit Hilfe eines älteren Steinmetzes Techniken zur Steinbearbeitung angeeignet. Auch diese Kenntnisse wendet er nun für seine Gebäude an. Eine dieser Mauern wird auch in der Ausstellung zu sehen sein.

Eine Steinmauer entsteht… © Barbara Steiner

In den internationalen Ausstellungen verweisen die Architekturfragmente auf einen abwesenden, entfernten Ort und auch auf eine andere Zeit. Dejanoff gelingt es mit seiner Arbeit nicht nur Aufmerksamkeit für alte Handwerkstechniken zu erzeugen, sondern auch für eine Region in der europäischen Peripherie. Vor Ort, in Veliko Tarnovo und Arbanassi, liegt der Fokus der Wahrnehmung auf lokalen Handwerkstraditionen und dem reichen kulturellem Erbe des Landes, das nur sehr langsam ins öffentliche Bewusstsein dringt. Das meiste, das man vor Ort zu sehen bekommt, ist stark folkloristisch überformt. Dejanoff geht es nicht um Authentizität, sondern darum, Konstruktionen und Bautraditionen, die in seinen Gebäuden zu finden sind, freizulegen. Und er sucht einen öffentlichen Diskurs darüber anregen, ob es tatsächlich noch ein Hotel, ein Restaurant und einen Souvenirshop braucht, oder ob es nicht an der Zeit ist, der Baukultur selbst mehr Stellenwert einzuräumen.

Veliko Tarnovo, Wohnhaus 17. Jahrhundert, © Barbara Steiner

Im Kulturministerium in Sofia

In Sofia traf ich Ekaterina Djumalieva Direktorin der Abteilung Kulturerbe, Museen und bildende Kunst im bulgarischen Kulturministerium, um über künftige Kooperationen zwischen dem Kunsthaus Graz und der Stiftung von Plamen Dejanoff zu sprechen und eine mögliche Unterstützung vonseiten des Ministeriums zu sondieren. Wir würden gerne die Präsentation im Kunsthaus mit Aktivitäten in Veliko Tarnovo und Arbanassi verbinden.

Ekaterina Djumalieva und Barbara Steiner, © Barbara Steiner

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Augmented Reality im Center of Science Activities – Im Gespräch mit Anika Kronberger und Kai Wegner

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Wie seid ihr zum CoSA-Projekt gekommen?

AK: Ich habe mich 2017 als Gestalterin mit meinem Team für das Projekt beworben – damals war noch nicht klar, für welchen Bereich, das wurde noch offengehalten.

KW: Ich arbeite bei der Digital-Agentur Exozet. Wir sitzen in Berlin, Hamburg und Wien. Für unsere Kunden entwickeln wir sehr spezielle Softwarelösungen im Bereich Video-Management, Mobile Apps und (Serious-)Games – von interaktiven und edukativen Spielen bis hin zu Softwares für Aus- und Weiterbildung in der Industrie. Wir arbeiten oft an Projekten, die einzigartig sind, die zuvor noch niemand auf diese Art gemacht hat.

Genau deshalb haben wir uns für das CoSA-Projekt beworben. Es geht hier um die Vereinigung von innovativer Hardware und dem spielerischen Lernen, was wir aus „Serious Games“ kennen. Dafür war unser Vorschlag der begleitende Roboter – der H.I.G.G.S. getauft wurde.

Wie genau sieht eure Arbeit im CoSA aus?

AK: Ich komme aus dem Bereich Grafik, Ausstellungsgestaltung und Contentstrategie. Für das CoSA habe ich mich mit vier sehr lieben Kollegen verbündet und wir haben uns das ersten Mal in dieser Konstellation zu fünft als Team zusammengetan – Dominikus Guggenberger, Daniel Fabry, Jakob Pock und Michael Altendorfer. Das hat wunderbar funktioniert, da wir schon in verschiedenen Ausstellungsprojekten zuvor Berührungspunkte hatten.

Es gab keine vordefinierten Aufgabenbereiche – jeder hat aber seine Spezialgebiete und so haben wir – je nachdem, was zu tun war – die Aufgaben relativ spontan verteilt. Anfangs waren die Hauptaufgaben unseres Teams die Konzeption, Storyentwicklung, Raumgestaltung und die gestalterische und technische Entwicklung der Exhibits. Zum Schluss waren es die Ausarbeitung und die finale Umsetzungskoordination.

KW: Das Exozet-Team für die Erstellung der Experience setzt sich aus Sara Urbach (Projektmanagement), Anselm Kegel (Lead Developer) und Fin Ambsdorf (Game Design) zusammen. Zusammen mit dem Gestalter/innen-Team haben wir die Story und Exhibits entwickelt. Dabei mussten wir kontinuierlich auf die technischen Gegebenheiten der AR-Brillen achten und unser Gamification-Konzept im Kopf behalten.

Meine Rolle war dabei, den Einsatz der AR-Brillen im Rahmen der Ausstellung zu optimieren. Außerdem war ich für die Programmierung der Netzwerkkommunikation und die Erstellung einiger Exhibitgafiken und -animationen zuständig.

Zwei Augmented-Reality-Brillen, die die Ruhe vor dem Sturm noch genießen.

Ein gemeinsamer Entwurf, ausgearbeitet von Kai Wegner zum AR-Raum “Aurora Borealis” mit dem Begleiter H.I.G.G.S.

Wie war die Herangehensweise an dieses Projekt?

AK: Es gibt keinen definierten Ablauf, wie man an so ein Projekt herangeht. Mit 40 AR-Brillen auf 250 m2 Geschichten zu erzählen, ist etwas völlig Neues – es gab ein ungefähres Konzept, aber das wurde sehr offen gehalten. Wir haben sozusagen den Prozess am Weg erfunden. Einerseits war das Projekt inhaltlich noch sehr offen, andererseits auch, wie man überhaupt zusammenarbeitet – vor allem, weil die Firma Exozet, mit der wir kooperieren, in Berlin sitzt und dadurch keine räumliche Nähe vorhanden ist. Zu allererst mussten wir uns mit der Materie auseinandersetzen. Mit Augmented Reality haben wir zwar schon gearbeitet, aber nicht auf diese Weise. Die Frage war: Was können wir im realen Raum machen, um das Erlebnis mit diesen Brillen zu unterstützen?

KW: Die Story mit dem Roboter als Kompagnion, der durch die Räume führt und eine Backstory und ein Ziel hat, war das Einzige, was von Anfang an klar war. In so einem Fall arbeiten wir viel mit Prototypen. Das heißt, wir testen absehbar kritische technische Aspekte des Projektes möglichst früh einzeln, um frühzeitig zu lernen. Inhaltlich haben wir eng mit dem Team vom FRida & freD – Das Grazer Kindermuseum und Anika Kronberger zusammengearbeitet, um uns ein Thema zu suchen und es schrittweise herunterzubrechen.

Wir haben schon seit einiger Zeit Anwendungen für diese AR-Brillen (Hololens) entwickelt, aber bisher noch nicht in diesem Umfang, und eine Ausstellung dieser Komplexität und Größe wurde bisher noch nie mit so vielen Hololenses bespielt. Das hielt inhaltlich wie technisch viele Herausforderungen für uns bereit.

Gibt es ein vergleichbares Projekt, an dem ihr euch orientieren konntet?

KW: Ein Museum oder Science Center, wie es das CoSA ist, mit Augmented-Reality-Brillen und Storytelling gibt es so noch nicht. Natürlich sind Elemente, mit denen wir vertraut sind, vorhanden – wir haben schließlich schon mit AR gearbeitet, aber nicht auf diese Weise. Das kann man mit Lego vergleichen: Du kennst es, aber du baust damit etwas Neues. Inspiration findet man zum Beispiel bei anderen Spielen oder Filmen, die Roboter als Begleiter haben, und passt dann Charakterzüge individuell an.

Wie konntet ihr zusammenarbeiten?

AK: Da 3-D-Renderings und Grafiken nicht ausgereicht haben, um die Ideen auszutauschen, sind wir in eine virtuelle Welt übergegangen, mit VR-Brillen. Da wir es hier ja mit Realraum-Gestaltung in Interaktion mit virtuellen Inhalten in den Brillen zu tun haben, musste sich etwas finden lassen, das das annähernd simulieren konnte.

KW: Wir haben uns im virtuellen Raum, einem Replikat des Science Centers, getroffen. Neue Pläne der Ausstellung hat uns das Team der Gestalter regelmäßig bereitgestellt. Diese konnten wir in den virtuellen Raum für gemeinsame Abstimmungen übertragen. Dort haben wir uns wöchentlich getroffen – man konnte hier die Köpfe der anderen Teilnehmer/innen als Avatare sehen. So war es uns möglich, zusammen durch den Raum zu gehen und die Exhibits zu besprechen. Natürlich haben wir auch Google Docs genutzt, um Inhalte und Konzepte zu entwickeln.

Foto: Kai Wegner

Foto: Kai Wegner

Was waren die größten Herausforderungen?

AK: Was den Arbeitsprozess betrifft: dass man nicht zusammen in einer Stadt sitzt und trotz der Distanz der Teams einen sinnvollen Weg der Zusammenarbeit finden muss. Wo und wie führt man die Ideen am besten zusammen? Wir haben auch viel ausprobiert, um sowohl haptisch interessante als auch gestalterisch ansprechende Räume zu schaffen.

KW: Das ganze Projekt war eine Herausforderung, deshalb haben wir uns ja beworben. Aber ein sehr interessanter und herausfordernder Part war die Zusammenarbeit mit der Realität. Wie kann man Virtuelles und Reales miteinander verbinden? Auch die Kooperation mit den anderen Teams, die vor Ort waren und wir eben nicht, da unser Sitz in Berlin ist, war eine Herausforderung, aber wie schon erwähnt, haben wir gute Lösungen gefunden, um zu kommunizieren.

Welche Phasen haben am meisten Zeit beansprucht?

AK: Die Phase der Storyentwicklung – was kann man den Besucherinnen und Besuchern bieten bzw. zumuten? Von Anfang an war klar, dass Inhalte nicht klassisch, mit Daten und Fakten erzählt werden, sondern auf spielerische Weise auch ernstere Themen, die zum Nachdenken anregen, angesprochen werden sollen. Wir haben auch immer versucht, die Ideen sofort prototypisch in unserer Werkstatt umzusetzen, damit wir sehen konnten, ob das überhaupt so funktioniert. Ob die reale und die virtuelle Welt auf diese Art miteinander „vermischt“ werden können.

Die Verschmelzung zwischen den beiden „Räumen“ ist genau das, was uns am Projekt gereizt hat. Dieser Moment der „Magie“, der erzeugt wird, wenn man in der realen Welt etwas bewegt und in der virtuellen damit etwas bewirkt, oder das Virtuelle Auswirkungen auf die reale Umgebung hat. Zum Beispiel kann man bei einer Station an einem Hebel ziehen und sehen, wie unser virtueller Begleiter H.I.G.G.S. beim Fenster rausfliegt und einem plötzlich ein realer Windstoß entgegenkommt. Meistens wird AR nur so angewandt, dass in der realen Welt etwas Virtuelles eingefügt wird, beispielsweise in der Industrie oder Fahrzeugentwicklung.

Wie sind Raum- und Storyentwicklung vorangegangen?

AK: Hand in Hand. Die Entwicklung verlief parallel in vielen Abstimmungsrunden. Hier haben sich die Expertisen der Teams getroffen, unsere in der Raumgestaltung und Interaktion und die von Exozet, die wussten, was mit AR alles möglich ist.

Was gefällt dir am CoSA am besten?

AK: Ich finde es schön, dass es verschiedene Räume mit unterschiedlichen Themen und Herangehensweisen gibt. Außerdem ist es interessant, dass verschiedene Gestalter/innen am Projekt mitgearbeitet haben. So sind viele Teams involviert, was natürlich auch mutig ist, aber so können völlig unterschiedliche Räume entstehen und werden viele verschiedene Geschmäcke getroffen.

KW: Ich bin ein riesiger Fan von Science Communication. Kindern und Jugendlichen, aber auch erwachsenen Menschen muss man immer wieder die Denkweisen und Erkenntnisse der Wissenschaft vermitteln. Ich finde es wichtig, sich redlich Mühe zu geben, diese Inhalte zielgruppengerecht aufzubereiten. Wissenschaft ist schließlich kein Selbstzweck.

Daher finde ich den Ansatz, im CoSA-AR-Bereich mit einer interessanten Geschichte wissenschaftliche Inhalte zu vermitteln, hervorragend. Ich hoffe, dass in der gesamten Ausstellung etwas für jede/n dabei ist, damit alle Besucher/innen in den Genuss eines Aha-Momentes kommen können.

Übrigens: wir freuten uns über den Besuch eines Special Guests im A(R)dventure-Erlebnis “Tempel des Regens” – Patrice Désilets, der berühmte Game Designer und Creative Director von Assassin’s Creed! Bei seinem Besuch in Graz wollte er unbedingt unsere einzigartigen Augmented Reality-Räume ausprobieren und war begeistert!

Mehr Infos zu A(R)dventure und zur Termin-Buchung im CoSA Graz gibt´s auf unserer Webseite.

Patrice Désilets im A(R)dventure “Tempel des Regens!

Einblicke in die AR-Welt:

Fotos: Kai Wegner, Alina Lerch, Johanna Pirker

Videos: Nadja Eder, Exozet

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Die ganze Stadt – Bauwelt Kongress 2019

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Der sehr gut besuchte Kongress, Foto: Bauwelt

Neue Allianzen

Die Veranstaltung widmete sich Forderungen nach neuen Zentralitäten, diskutierte Strategien für den Umgang mit Superverdichtung, ging möglichen Verbindungen zwischen Peripherie und Zentrum nach, rückte Magistralen in die planerische Aufmerksamkeit, ohne soziale Gleichheit, die vitale Rolle von Nachbarschaften, Selbstversorgung und den Umgang mit Energien und Ressourcen aus den Augen zu verlieren. Deutlich wurde während der beiden Tage, dass es heute sehr schwierig geworden ist, Stadt zu planen, einfach weil die Vorstellungen und Erwartungen von Planenden, Politik, Kommunen, Immobilienwirtschaft sowie Bürgerinnen und Bürgern sehr unterschiedlich ausfallen. Dies kam vor allem in den Vorträgen von Philipp Rode, Executive Director of LSE Cities, London, und Mike Josef, Planungsdezernent Frankfurt a. M., deutlich zum Ausdruck. Eine enorme wirtschaftliche Perforierung des öffentlichen Raums, neue mächtige Allianzen zwischen Kommunen, Fondsgesellschaften, privaten (mehr oder weniger) philanthropischen Stiftungen und Unternehmen sowie wechselseitige Abhängigkeiten machen die Situation nicht einfacher. Machtverteilungen, räumliche Gerechtigkeit und mögliche Aneignungen des öffentlichen Raums im Verständnis verschiedener Akteurinnen und Akteure stellen vor neue Herausforderungen und bedürfen neuer Allianzen.

Mike Josef, Planungsdezernent Frankfurt a. M., Foto: Bauwelt

„Top-down“ und „Bottom-up“

Beim Kongress zeigte sich, dass „Top-down“- und „Bottom-up“-Prozesse künftig verstärkt zusammen gedacht werden müssen: Auch wenn der Wunsch nach schnellerer Durch- und Umsetzung immer wieder auftauchte, wurde klar, dass die Zeiten autoritärer Planung in den meisten europäischen Ländern unwiederbringlich vorbei sind. Anregende Beispiele waren „Critical Care: Plädoyer für eine Stadt des Sorgetragens“, vorgestellt von Angelika Fitz (Architekturzentrum Wien) und „Public Space as Found – Vom Hof Vague zur Freien Mitte“ von StudioVlayStreeruwitz, ebenfalls Wien. Es zeigte sich, dass es transparent formulierte Rahmenbedingungen braucht, die Prozesse der Verständigung und Annäherung zwischen den verschiedenen Akteurinnen und Akteuren möglich machen. Für eine Gesellschaft, die zwar vielgestaltig und mehrstimmig  ist, aber dennoch Räume der Begegnung braucht.

Die Esso-Häuser brauchen dich – Flyer © Planbude / Christoph Schäfer 2017

Kunst und Stadtplanung

Mein Beitrag widmete sich partizipatorischen Kunstprojekten, die Stadtentwicklungsvorhaben begleiten. Im Unterschied zu den 1990er-Jahren sind Künstler/innen nun hellhöriger, wenn politische/ökonomische Interessen ins Spiel kommen. Die Sensibilisierung gegenüber potenziellen Einverleibungsversuchen künstlerischer Arbeit hat definitiv zugenommen. Künstler/innen setzen heute gezielt auf systemische Interventionen, suchen das direkte Gespräch mit Kommunen, Politik und Investoren und fordern klassische Planung auf verschiedenen Ebenen mit eigenen „Planungstools“ sehr kreativ heraus. Mitunter sehr erfolgreich, wie die Aktivitäten der PlanBude in Hamburg zeigen: Diese initiierte im Paloma-Viertel in Hamburg einen mehrjährig angelegten Bürger/innen-Beteiligungsprozess, der die Grundlage für den nachfolgenden städtebaulichen und hochbaulichen Wettbewerb bildete, also konkrete Effekte zeitigte.

Rotor Brüssel

Nach meinem Vortrag sprach Maarten Gielen von Rotor aus Brüssel. Wir bildeten sozusagen ein „Kapitel“ zum Thema Metabolismus, hier allgemein verstanden als „Umwandlung“, „Veränderung“. Rotor zeigt, dass Nachhaltigkeit beim Bauen möglich ist, und auch, wie überzeugend man Materialien recyclen kann. Forschen und Publizieren nehmen dabei einen ebenso wesentlichen Stellenwert ein wie das Bauen selbst. Den Abschluss unserer beiden Vorträge bildete eine Partnerdiskussion. Dabei kam die Frage auf, ob es naiv sei, an die Kraft zur (positiven) gesellschaftlichen Veränderung zu glauben, bedenkt man, dass Abhängigkeiten zwischen Kommunen und privaten Finanziers zugenommen haben und mächtige Player Richtlinien definieren, die das Gemeinwohl wenig bis gar nicht im Auge haben. Die beiden Tage betrachtend hatte ich den Eindruck, dass sich die Kräfte in einer Art prekären Balance halten, also zwischen jenen, die den Status quo fortschreiben wollen, und jenen, die sich eine Welt jenseits dessen, was ist, vorstellen können.

Partnerdiskussion mit Maarten Gielen und Barbara Steiner, Foto: Bauwelt

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Kunst ⇆ Handwerk: Vom Kunsthaus Graz in die Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig

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Eröffnung, vorne links im Bild: Olaf Holzapfel, Wandgestaltung/Raumkonzept: Modern Temperament, Foto: Barbara Steiner

Graz Leipzig

Konzept und Beteiligte entsprechen der Ausstellung im Kunsthaus Graz: Zeitgenössische Künstler/innen widmen sich dem Verhältnis und den wechselhaften Beziehungen von Kunst und Handwerk. Das Handwerk wird dabei als wesentlicher Bestandteil einer materiellen Kultur, kulturellen Identität und Gemeinschaft verstanden und darüber hinaus mit sozialen sowie ökonomischen Verhältnissen und Produktionslogiken in einer globalisierten Welt zusammen gedacht. Die Arbeiten zeigen ein Verständnis von Handwerk, das sich hin zu außereuropäischen Kulturen, zur modernen und zeitgenössischen Kunst, zu aktuellen Diskursen und zu digitalen Entwicklungen öffnet und Kulturtransfers über nationale Grenzen hinweg nachzeichnet. So weit zu den Gemeinsamkeiten.

Links: Plamen Dejanoff, The Bronze House, 2006-19, Wandgestaltung/Raumkonzept: Modern Temperament; Rechts: Antje Majewski, Panier de Poulet, 2017; Olivier Guesselé-Garai, Woven Line, 2017/2019, Foto: GfZK Leipzig/Alexandra Ivanciu

Räumlich entfaltet sich die Ausstellung auf komplett andere Weise, und das hat wesentlich mit dem Gebäude von as-if wien-berlin zu tun. Über die Raumzonen (es gibt keine abgeschotteten Räume) entfaltet sich ein relationales Gefüge zwischen den künstlerischen Positionen und Werken. Da sich das Gebäude über großformatige Fenster öffnet, dringt die Natur buchstäblich in den Innenraum ein. Am Beispiel von Olaf Holzapfels Reet-Installation oder von Plamen Dejanoffs Bronze House kann man sehen, auf welche Weise Künstler/innen mit Licht- und Schatteneffekten arbeiten. Modern Temperament (Oliver Klimpel/Till Sperrle) haben – auch anders als in Graz – ein Farbkonzept für die Wände entwickelt, das Anleihen bei verschiedenen Interieurs nimmt und einen gemeinsamen, gleichwohl jeweils auf die gezeigten künstlerischen Arbeiten abgestimmten Rahmen schafft.

Plamen Dejanoff, Wandgestaltung/Raumkonzept: Modern Temperament, Foto: GfZK Leipzig/Alexandra Ivanciu

Gleich und doch ganz anders

Es sind dieselben Künstler/innen, aber in drei Fällen nicht dieselben Arbeiten. Von Jorge Pardo wird eine Skulptur gezeigt, die dieser für die katholische Kirche St. Trinitatis in Leipzig anfertigte, die aber dort nie aufgestellt wurde. Der Christus am Kreuz erinnerte wohl zu sehr an eine weibliche Figur. Im Kontext einer Institution für zeitgenössische Kunst verliert sich diese religiöse Konnotation fast völlig: Man sieht in erster Linie eine abstrakte Skulptur. Und das entspricht auch genau Pardos Interesse, Objekte so anzulegen und zu präsentieren, dass diese je nach Ort mit sehr unterschiedlichen Bedeutungen aufgeladen werden können.

Jorge Pardo, Corpus, 2015, Foto: Barbara Steiner

Olaf Holzapfel, der in Graz riesige Wände aus Stroh aufstellte, entschied sich diesmal für das Naturmaterial Reet. Er hat einen offenen, aber begehbaren Raum geschaffen, der bereits von außen, wenn man auf das Gebäude zukommt, zu sehen ist. Und von Haegue Yang ist A Crated Route of Emergency. Escaping and Locking zu sehen. Ihre schwarzen Intermediates, die wir in Graz gezeigt hatten, gehen nämlich im Herbst in die Kestner Gesellschaft in Hannover. In der Galerie für Zeitgenössische Kunst wird gegenwärtig nur die „halbe Ausstellung“ aus Graz präsentiert, die „andere Hälfte“ wird in der Kestner Gesellschaft in Hannover gezeigt. Das mag ungewöhnlich anmuten, war aber von Anfang an beabsichtigt: Die Grazer Ausstellung teilt und konfiguriert sich damit an jedem Ort in spezifischer, an die Räume angepasster Weise. Es gibt sogar ein zweiwöchiges Zeitfenster und damit die Möglichkeit, Ende September/Anfang Oktober beide Teile zu besichtigen.

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Die Ausstellung „Ladies First!“ selbst entdecken – mit dem Mitmachsack

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Für überraschende und spannende Begegnungen mit den Werken in der Ausstellung “Ladies First! Künstlerinnen in und aus der Steiermark 1850 – 1950” hat die Kunstvermittlung der Neuen Galerie Graz wieder einen Mitmachsack zusammengestellt:

Im Mitmachsack zu finden sind ein Begleitheft mit zahlreichen Anregungen sowie besondere Gegenstände, die man während der Ausstellungstour gut gebrauchen kann. Auch um selbst kreativ zu werden, genügt ein Griff in den Mitmachsack: Stifte und Klemmbrett zum Zeichnen sind schon vorbereitet!

Mit diesem leichten Gepäck ist man bestens für die persönliche Entdeckungsreise im Museum ausgerüstet.

Den Mitmachsack kann man sich im Foyer der Neuen Galerie Graz gratis für die Dauer des Museumsbesuchs ausborgen

Mitmachsack im Foyer der Neuen Galerie Graz.

Der Mitmachsack ist im Foyer der Neuen Galerie Graz erhältlich. Foto: UMJ/Kunstvermittlung Neue Galerie

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Unsere Ausstellungen anderen Ortes

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Kuandu Museum of Fine Arts, Taipei, Foto: Jun Yang

Von Graz nach Taipei

2019 zeigte das Kunsthaus Graz die Ausstellung Jun Yang. Der Künstler, das Werk, die Ausstellung. Diese ist nun in erweiterter Form unter dem Titel The Artist, his Collaborators, their Exhibition, and three Venues (Der Künstler, seine Mitwirkenden, ihre Ausstellung und drei Orte) in Taipei zu sehen. Am 5.12. wurde die Präsentation in der Tina Keng Gallery (TKG+ projects) eröffnet, am 11.12. folgte das Kuandu Museum of Fine Arts. Der dritte Teil wird Anfang Februar im MOCA (Museum of Contemporary Art) Taipei präsentiert. Es ist meine erste Ausstellung, die ich aus der Ferne kuratiere!

Die Ausstellung im Kunsthaus Graz

Foto: Kunsthaus Graz/M. Humpel

Bereits die Ausstellung im Kunsthaus Graz stellte grundsätzliche Fragen zum Künstler*in-Sein, zum Werkbegriff und zum Ausstellen selbst. Letztendlich wurde die Einzelausstellung von Yang in Graz zu einer kollektiven Unternehmung, an der viele teilhatten: Erwin Bauer, Mike Kelley/Paul Mc Carthy, siren eun youn jung, Lee Kit, Oliver Klimpel, Michikazu Matsune, Yuuki Nishimura, Yuki Okumura, Koki Tanaka, Maja Vukoje und Bruce Yonemoto. Dies und vor allem die Einladung eines Namensvetters von Jun Yang aus San Francisco dekonstruierte die Vorstellung einer großen Einzelausstellung.

Jun Yang meets Jun Yang, Kuandu Museum of Fine Arts, Taipei, Foto: Jun Yang

Drei Orte

Die für Taipei entwickelte Ausstellung findet an drei Orten statt: im Kuandu Museum, das mit einem architektonisch einladenden und offenen Gebäude an eine Universität angebunden ist, in der Tina Keng Galerie, einer international erfolgreichen kommerziellen Galerie, und im MOCA Taipei, einem öffentlich-städtischen Museum. Jedes Haus hat seinen eigenen Auftrag, einen eigenen Grund, weshalb es existiert, auf einem Uni-Campus, in einem neuen Stadtteil oder inmitten der Stadt. Damit sind verschiedene Aufgaben und auch Adressat*innen verbunden. Während das Kuandu Museum sich in erster Linie an die Studierenden und Lehrenden richtet, liegt das Hauptaugenmerk der Tina Keng Galerie auf der Vermittlung zeitgenössischer Kunst an Kunstkäufer*innen und Sammler*innen. Ins MOCA Taipei kommen neben den vielen Schulklassen aus der unmittelbaren Umgebung sehr viele Tourist*innen, auch aufgrund des alten Gebäudes aus der japanischen Kolonialzeit.

Oliver Klimpel, Kuandu Museum of Fine Arts, Taipei, Foto: Jun Yang

Der Katalog zur Ausstellung, Foto: Jun Yang

Unsere Ausstellung reagiert auf diese spezifischen Gegebenheiten mit unterschiedlichen Schwerpunktsetzungen. Im Kuandu Museum verzahnt sich die Ausstellung mit der Kunsthochschule. Hier geht es wesentlich um eine Auseinandersetzung mit Mechanismen des Kunstbetriebs selbst. Die Präsentation im Projektraum der Tina Keng Galerie schreibt sich absichtsvoll in einen kommerziellen Galeriekontext ein und widmet sich dem Branding von Werk und Künstler*in. Im MOCA Taipei knüpfen wir an die Kinderworkshops, Arbeit mit Schulklassen oder andere Veranstaltungen des Museums an. Der Unterschied: Die „Aktivitäten“ sind inhaltlicher Teil der Ausstellung und kein „Zusatzprogramm“, wie sonst üblich. Die Künstler*innen der Ausstellung gestalten das Programm und arbeiten mit den verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen. The Artist, his Collaborators, their Exhibition, and three Venues weitet sich von der Person Jun Yang hin zu kollektiven Identitäten und zu gesellschaftlichen Fragen.

Jun Yang beim Aufbau in der Tina Keng Gallery (TKG+ projects)

Aufbau und Eröffnung

Aufbau und Eröffnung fanden ohne meine physische Präsenz in Taipei statt. Glücklicherweise hatte ich im Januar 2020 Gelegenheit, diese drei Orte mit Jun Yang zu besuchen und erste Überlegungen zu entwickeln. In den letzten Wochen haben wir uns allerdings hauptsächlich per WhatsApp und Skype austauschen müssen. Bei der Eröffnung war ich virtuell anwesend – meine Rede wurde ins Chinesische übersetzt und übertragen. Auch wenn ich nach wie vor hoffe, die Ausstellungen im Februar sehen zu können, sind die Chancen gering. Doch ich freue mich, dass The Artist, his Collaborators, their Exhibition, and three Venues von den Menschen in Taipei gesehen werden kann. Anders sieht es mit KUNST ⇆ HANDWERK aus, eine Ausstellung, die ebenfalls 2019 im Kunsthaus Graz zu sehen war. Die Ende September in der Kestner Gesellschaft Hannover eröffnete Ausstellung bleibt aufgrund der Pandemie bis auf Weiteres geschlossen.

Die Eröffnung mit Direktor Huang Chien-Hung, Foto: Jun Yang

Die Eröffnung mit Direktor Huang Chien-Hung, Foto: Jun Yang

Einladung zu Jun Yangs The Artist, his Collaborators, their Exhibition, and three Venues

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Top oder Flop? Das Kunsthaus Graz bleibt im Gespräch

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Das ist ein Kompliment an die Architekten Peter Cook und Colin Fournier sowie an alle, die den Mut hatten, auf dieses Gebäude zu setzen.

Zehn europäische Bauwerke wurden für einen Besuch empfohlen, darunter das spektakuläre Museum of European and Mediterranean Civilisations in Marseille oder die Oodi central library in Helsinki. Bewertet wurde große europäische Architektur, die sich besonders gut in ihre Umgebung einfügt beziehungsweise einen spannenden Kontrast dazu herstellt.

Wenige Tage vor dem Artikel im „Guardian“ bezeichnete ein Landespolitiker (der FPÖ) das Kunsthaus als „steirische Elbphilharmonie“. Die Hamburger Elbphilharmonie zieht jährlich Hunderttausende von Besucherinnen und Besuchern an, die Konzerte sind über Jahre ausgebucht. Die Elbphilharmonie geriet in Kritik, weil das Budget um ein Vielfaches überschritten wurde. Doch hier hinkt der Vergleich mit dem Kunsthaus Graz: Dessen Baukosten wurden nämlich nicht überschritten. Das ist bei einem solch ehrgeizigen Bauprojekt im internationalen Vergleich ungewöhnlich und verdankt sich einer enormen Leistung der Bauausführenden.

Unser „Friendly Alien“ strahlt in die Welt aus und zieht Besucher/innen an. Doch nicht nur das Gebäude: „Auch die Ausstellungen zeitgenössischer Kunst sind einen Blick wert“ – so der „Guardian“. Wer es nicht glauben mag: einfach vorbeikommen und sich selbst davon überzeugen! Wir freuen uns über die Anerkennung.

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Interview mit … Eva Ofner. Was es für ein Museum bedeutet, barrierefrei zu sein

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Was genau bedeutet eigentlich Barrierefreiheit im Museum?

Barrierefreiheit bedeutet, dass es im ganzen Museum keinerlei Hindernisse für jede einzelne Besucherin und jeden einzelnen Besucher geben soll, damit sich alle willkommen und gut aufgehoben fühlen. Die Einhaltung der Ö-Normen ist gesetzlich geregelt. Wir versuchen aber immer ein bisschen mehr zu tun, quasi „Ö-Norm plus“ … Gerade bei Türbreiten und Wendezonen ist das wirklich wesentlich. Eine Tür muss mindestens 80 bzw. 90 cm breit sein, damit man mit einem Rollstuhl durchfahren kann. Wenn möglich, sollte sie etwas breiter sein. Wir möchten allen Besucherinnen und Besuchern einen unkomplizierten, selbstständigen, angenehmen Zutritt und vor allem Besuch im Universalmuseum Joanneum ermöglichen. Natürlich sind unsere Mitarbeiter/innen immer sofort zur Stelle und helfen, wenn Unterstützung gebraucht wird. Das gilt für alle Besucher/innen.

Wo ist Barrierefreiheit sichtbar?

Videos mit extrem schnellen Bildabfolgen können für Menschen mit Anfallskrankheiten gefährlich sein. Auf einem gut sichtbaren Leuchtkasten ist diese Warnung angebracht.

Hinweis für eine visuelle Installation im Space01

Da die Kunsthaus-Fassade aus Glas ist, muss dieses gekennzeichnet werden, damit man nicht versehentlich dagegen läuft. Viele sehen hier im musealen Bereich Probleme, da eine derartige Markierung unästhetisch wirken könnte, doch das Kunsthaus Graz beweist das Gegenteil: Wir bekleben die Glasfassade mit passenden Motiven der Ausstellung oder den Öffnungszeiten. Das stört niemand – man denkt, dass es dazugehört und genau so sollte das ganze Konzept der Barrierefreiheit sein: unauffällig und selbstverständlich, aber wirksam und sinnvoll.

Die Glasmarkierung und das taktile Kunsthaus-Modell

Gleich funktioniert die Sache mit den Informations- und Hinweisschildern wie WC-Beschriftungen oder Defibrillator-Kennzeichnungen auf der Straße und im Foyer. Das Verwenden von leicht verständlichen Piktogrammen ist wichtig. An den taktilen Leitlinien können sich nicht nur blinde und sehbehinderte Besucher/innen gut orientieren, der Weg zur Information und zum Shop ist so für alle Besucher/innen gut gekennzeichnet und unübersehbar. Außerdem bieten wir Leihrollstühle an. Dieses Angebot wird vor allem von Menschen mit temporären Mobilitätseinschränkungen und älteren Gästen in Anspruch genommen.

Die taktile Leitlinie, die ins Kunsthaus führt.

Was bringt Barrierefreiheit?

Jede Besucherin und jeder Besucher kann das gesamte UMJ-Angebot nutzen! So ist es nicht nur für Menschen mit Sehschwäche von Vorteil, wenn nicht dunkelgraue Schrift auf hellgrauem Untergrund steht, sondern Schwarz auf Weiß oder Gelb. Auch unsere Begleithefte sind für das gesamte Besucher/innen-Spektrum konzipiert: leicht lesbar für Kinder, Menschen, die Deutsch nicht als Muttersprache haben, oder Menschen mit Lernschwäche. Die Sprechanlage im Lift, die auffälligen Markierungen, die Sitzmöglichkeiten – all das erleichtert den Gästen den Aufenthalt und macht diesen angenehmer. Eine Sitzmöglichkeit wird nicht nur für Menschen mit Mobilitätseinschränkungen aufgestellt: Nach einem langen Tag, an dem man die ganze Zeit auf den Beinen war, kann eine Sitzgelegenheit für alle eine Erleichterung sein – vor allem, wenn man ein Kunstwerk länger betrachten möchte.

Was sind Herausforderungen, denen man sich beim Planen von Barrierefreiheit stellen muss?

Wenn man von Beginn an die Barrierefreiheit miteinbezieht, gibt es meist keine zusätzlichen finanziellen Herausforderungen. Barrierefreiheit muss selbstverständlich sein und ist beim Bau eines Gebäudes und einer Ausstellungsgestaltung immer einzuplanen. Außerdem zieht die berühmte Kosten-Diskussion, die oftmals geführt wird, nicht, denn man öffnet so die Türen für viele Besucher/innen, die nicht kommen könnten, wenn man die Barrierefreiheit nicht beachtet. Außerdem gibt es die gesetzlich geregelten Ö-Normen, die man einhalten muss. In der EU leben mehr als 80 Millionen Menschen mit Behinderungen – sollen die etwa nicht das Museum besuchen können? Menschen mit Behinderungen sind gut vernetzt, und positive Mundpropaganda ist die beste Werbung. Im Museum kann man dem Alltag entfliehen, das sollte jedem Menschen möglich sein.

Gibt es auch spezielle, individuelle Umsetzungen der Barrierefreiheit?

Natürlich. Wir bieten Führungen für alle Menschen an. Bei Führungen für blinde Menschen spielt die Haptik eine große Rolle. Schon vorab wird mit den Kuratorinnen und Kuratoren besprochen, welche Objekte berührt werden dürfen. Kommt eine Gruppe gehörloser Menschen ins Kunsthaus, wird ein/e Gebärdendolmetscher/in gebraucht. Der Info-/Shopbereich und der Space04 sind mit einer induktiven Höranlage ausgestattet. Führungen für mit Menschen mit Lernschwierigkeiten finden in Leichter Sprache statt. Es geht nicht nur um Wissensvermittlung, sondern es wird auch das Augenmerk auf die Raumerfahrung gelegt. Assistenzpersonen bezahlen weder Eintritt noch Führung. Assistenzhunde sind im gesamten UMJ willkommen.

Schon beim Planen einer Ausstellung denken die Kuratorinnen und Kuratoren an die Barrierefreiheit. Es gibt auch Kunstwerke die nicht „barrierefrei sind“, da muss man sich was einfallen lassen. Kolleginnen und Kollegen, die gerade dabei sind, eine Ausstellung zu gestalten und vorzubereiten, fragen mich, ob das wie geplant umsetzbar ist.

Bist du mit dem derzeitigen Angebot zufrieden oder gibt es Erweiterungswünsche?

Grundsätzlich bin ich schon recht zufrieden. Besser geht’s natürlich immer noch. Besonders bedanken möchte ich mich bei all meinen Kolleginnen und Kollegen, die mich unterstützen. Uns allen ist die Wichtigkeit der Barrierefreiheit bewusst. Mein Wunsch wäre es, dass man gar nicht mehr über Barrierefreiheit reden muss, weil es keine Barrieren mehr gibt. In denkmalgeschützten Standorten ist es manchmal nicht machbar, alles barrierefrei umzusetzen. Aber es sollte immer die bestmögliche Lösung gefunden werden.

Was möchtest du noch all jenen mit auf den Weg mitgeben, die nicht auf ein barrierefreies Museum angewiesen sind?

Eigentlich nützt ein barrierefreies Museum jeder Besucherin und jedem Besucher, es bietet nur Vorteile! Um manche Umsetzungen verstehen zu können, muss selbst erfahren werden, wie es ist, auf Barrieren zu stoßen: Ist die Vitrine zu hoch? Der Weg zu eng? Das Licht zu grell? Was tun, wenn man müde ist und sich gerne hinsetzen würde? Rücksicht und Verständnis sind das A und O. Die Angst, dass Barrierefreiheit das Konzept (zer)stört, muss genommen werden. Dazu gehört auch, dass die „vorhandene Barrierefreiheit“ nicht gestört oder blockiert werden darf: keine Fahrräder auf den Leitlinien abstellen, kein Missbrauch der barrierefreien WC-Anlagen, die unterfahrbaren Bereiche nicht verstellen … Die Leute müssen sensibilisiert werden. Nicht nur im Kunsthaus – überall!

Damit auch ich mich besser in die Situation hineinversetzen konnte, gab Eva mir einen der Leihrollstühle und begleitete mich durch die Ausstellung „Connected. Peter Kogler with …“. Ich konnte feststellen, dass sogar für eine Rollstuhl-Anfängerin wie mich keine einzige Hürde vorzufinden war. Lift, Platz in der Ausstellung, Vitrinenhöhe etc. – alles war einwandfrei zu benutzen. Sie stellte mir auch Objekte vor, die sie bei einer Führung für blinde Menschen verwendet. So kann man ein Stück der Acrylglas-Skin des Kunsthauses und eine der Leuchtstoffröhren der BIX-Fassade berühren oder verschiedene Kunsthaus-Modelle mitsamt Umgebung ertasten. Man fühlt sich nicht benachteiligt oder ausgegrenzt, sondern sehr willkommen und gut aufgehoben. Auch die WCs, die sich in jedem Stockwerk befinden, sind barrierefrei und bieten auch genügend Platz für Personen mit Kinderwägen.

Die Ausstellung bietet genügend Platz zum Wenden mit einem Rollstuhl, der Inhalt der Vitrinen ist gut lesbar und die Vitrinen sind so konzipiert, dass sie unterfahrbar sind.

Der Blickwinkel in eine Vitrine vom Rollstuhl aus.

Eva mit einer der Leuchtstoffröhren, die in der Nacht den „Friendly-Alien“ zum Leben erwecken. Zum „Ertasten“ für alle …

Zum Schluss hatte ich auch die Gelegenheit, mit Lukas Schuster zu sprechen. Er arbeitet im Besucher/innenservice des Kunsthauses und sitzt selbst im Rollstuhl.

Wie findest du die Umsetzung der Barrierefreiheit hier im Universalmuseum Joanneum?

Im Kunsthaus finde ich das Angebot sehr toll. Nicht überall findet man eine so gute Umsetzung! Ich war schon bei mehreren Brandschutzübungen dabei und muss sagen: Im Ernstfall habe ich keine Angst, denn ich weiß, dass das Konzept hier auch für mich sehr gut funktioniert. Auch im Joanneumsviertel finde ich mich super zurecht und der Park im Schloss Eggenberg ist für mich jedes Mal ein tolles Erlebnis. Was mich außerdem sehr glücklich macht, sind die Kolleginnen und Kollegen: Wenn man was braucht, ist sofort jemand für einen da, und dafür bin ich wirklich sehr dankbar!

Text und Fotos: Alina Lerch

 

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Die ganze Stadt – Bauwelt Kongress 2019

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Der sehr gut besuchte Kongress, Foto: Bauwelt

Neue Allianzen

Die Veranstaltung widmete sich Forderungen nach neuen Zentralitäten, diskutierte Strategien für den Umgang mit Superverdichtung, ging möglichen Verbindungen zwischen Peripherie und Zentrum nach, rückte Magistralen in die planerische Aufmerksamkeit, ohne soziale Gleichheit, die vitale Rolle von Nachbarschaften, Selbstversorgung und den Umgang mit Energien und Ressourcen aus den Augen zu verlieren. Deutlich wurde während der beiden Tage, dass es heute sehr schwierig geworden ist, Stadt zu planen, einfach weil die Vorstellungen und Erwartungen von Planenden, Politik, Kommunen, Immobilienwirtschaft sowie Bürgerinnen und Bürgern sehr unterschiedlich ausfallen. Dies kam vor allem in den Vorträgen von Philipp Rode, Executive Director of LSE Cities, London, und Mike Josef, Planungsdezernent Frankfurt a. M., deutlich zum Ausdruck. Eine enorme wirtschaftliche Perforierung des öffentlichen Raums, neue mächtige Allianzen zwischen Kommunen, Fondsgesellschaften, privaten (mehr oder weniger) philanthropischen Stiftungen und Unternehmen sowie wechselseitige Abhängigkeiten machen die Situation nicht einfacher. Machtverteilungen, räumliche Gerechtigkeit und mögliche Aneignungen des öffentlichen Raums im Verständnis verschiedener Akteurinnen und Akteure stellen vor neue Herausforderungen und bedürfen neuer Allianzen.

Mike Josef, Planungsdezernent Frankfurt a. M., Foto: Bauwelt

„Top-down“ und „Bottom-up“

Beim Kongress zeigte sich, dass „Top-down“- und „Bottom-up“-Prozesse künftig verstärkt zusammen gedacht werden müssen: Auch wenn der Wunsch nach schnellerer Durch- und Umsetzung immer wieder auftauchte, wurde klar, dass die Zeiten autoritärer Planung in den meisten europäischen Ländern unwiederbringlich vorbei sind. Anregende Beispiele waren „Critical Care: Plädoyer für eine Stadt des Sorgetragens“, vorgestellt von Angelika Fitz (Architekturzentrum Wien) und „Public Space as Found – Vom Hof Vague zur Freien Mitte“ von StudioVlayStreeruwitz, ebenfalls Wien. Es zeigte sich, dass es transparent formulierte Rahmenbedingungen braucht, die Prozesse der Verständigung und Annäherung zwischen den verschiedenen Akteurinnen und Akteuren möglich machen. Für eine Gesellschaft, die zwar vielgestaltig und mehrstimmig  ist, aber dennoch Räume der Begegnung braucht.

Die Esso-Häuser brauchen dich – Flyer © Planbude / Christoph Schäfer 2017

Kunst und Stadtplanung

Mein Beitrag widmete sich partizipatorischen Kunstprojekten, die Stadtentwicklungsvorhaben begleiten. Im Unterschied zu den 1990er-Jahren sind Künstler/innen nun hellhöriger, wenn politische/ökonomische Interessen ins Spiel kommen. Die Sensibilisierung gegenüber potenziellen Einverleibungsversuchen künstlerischer Arbeit hat definitiv zugenommen. Künstler/innen setzen heute gezielt auf systemische Interventionen, suchen das direkte Gespräch mit Kommunen, Politik und Investoren und fordern klassische Planung auf verschiedenen Ebenen mit eigenen „Planungstools“ sehr kreativ heraus. Mitunter sehr erfolgreich, wie die Aktivitäten der PlanBude in Hamburg zeigen: Diese initiierte im Paloma-Viertel in Hamburg einen mehrjährig angelegten Bürger/innen-Beteiligungsprozess, der die Grundlage für den nachfolgenden städtebaulichen und hochbaulichen Wettbewerb bildete, also konkrete Effekte zeitigte.

Rotor Brüssel

Nach meinem Vortrag sprach Maarten Gielen von Rotor aus Brüssel. Wir bildeten sozusagen ein „Kapitel“ zum Thema Metabolismus, hier allgemein verstanden als „Umwandlung“, „Veränderung“. Rotor zeigt, dass Nachhaltigkeit beim Bauen möglich ist, und auch, wie überzeugend man Materialien recyclen kann. Forschen und Publizieren nehmen dabei einen ebenso wesentlichen Stellenwert ein wie das Bauen selbst. Den Abschluss unserer beiden Vorträge bildete eine Partnerdiskussion. Dabei kam die Frage auf, ob es naiv sei, an die Kraft zur (positiven) gesellschaftlichen Veränderung zu glauben, bedenkt man, dass Abhängigkeiten zwischen Kommunen und privaten Finanziers zugenommen haben und mächtige Player Richtlinien definieren, die das Gemeinwohl wenig bis gar nicht im Auge haben. Die beiden Tage betrachtend hatte ich den Eindruck, dass sich die Kräfte in einer Art prekären Balance halten, also zwischen jenen, die den Status quo fortschreiben wollen, und jenen, die sich eine Welt jenseits dessen, was ist, vorstellen können.

Partnerdiskussion mit Maarten Gielen und Barbara Steiner, Foto: Bauwelt

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Kunst ⇆ Handwerk: Vom Kunsthaus Graz in die Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig

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Eröffnung, vorne links im Bild: Olaf Holzapfel, Wandgestaltung/Raumkonzept: Modern Temperament, Foto: Barbara Steiner

Graz Leipzig

Konzept und Beteiligte entsprechen der Ausstellung im Kunsthaus Graz: Zeitgenössische Künstler/innen widmen sich dem Verhältnis und den wechselhaften Beziehungen von Kunst und Handwerk. Das Handwerk wird dabei als wesentlicher Bestandteil einer materiellen Kultur, kulturellen Identität und Gemeinschaft verstanden und darüber hinaus mit sozialen sowie ökonomischen Verhältnissen und Produktionslogiken in einer globalisierten Welt zusammen gedacht. Die Arbeiten zeigen ein Verständnis von Handwerk, das sich hin zu außereuropäischen Kulturen, zur modernen und zeitgenössischen Kunst, zu aktuellen Diskursen und zu digitalen Entwicklungen öffnet und Kulturtransfers über nationale Grenzen hinweg nachzeichnet. So weit zu den Gemeinsamkeiten.

Links: Plamen Dejanoff, The Bronze House, 2006-19, Wandgestaltung/Raumkonzept: Modern Temperament; Rechts: Antje Majewski, Panier de Poulet, 2017; Olivier Guesselé-Garai, Woven Line, 2017/2019, Foto: GfZK Leipzig/Alexandra Ivanciu

Räumlich entfaltet sich die Ausstellung auf komplett andere Weise, und das hat wesentlich mit dem Gebäude von as-if wien-berlin zu tun. Über die Raumzonen (es gibt keine abgeschotteten Räume) entfaltet sich ein relationales Gefüge zwischen den künstlerischen Positionen und Werken. Da sich das Gebäude über großformatige Fenster öffnet, dringt die Natur buchstäblich in den Innenraum ein. Am Beispiel von Olaf Holzapfels Reet-Installation oder von Plamen Dejanoffs Bronze House kann man sehen, auf welche Weise Künstler/innen mit Licht- und Schatteneffekten arbeiten. Modern Temperament (Oliver Klimpel/Till Sperrle) haben – auch anders als in Graz – ein Farbkonzept für die Wände entwickelt, das Anleihen bei verschiedenen Interieurs nimmt und einen gemeinsamen, gleichwohl jeweils auf die gezeigten künstlerischen Arbeiten abgestimmten Rahmen schafft.

Plamen Dejanoff, Wandgestaltung/Raumkonzept: Modern Temperament, Foto: GfZK Leipzig/Alexandra Ivanciu

Gleich und doch ganz anders

Es sind dieselben Künstler/innen, aber in drei Fällen nicht dieselben Arbeiten. Von Jorge Pardo wird eine Skulptur gezeigt, die dieser für die katholische Kirche St. Trinitatis in Leipzig anfertigte, die aber dort nie aufgestellt wurde. Der Christus am Kreuz erinnerte wohl zu sehr an eine weibliche Figur. Im Kontext einer Institution für zeitgenössische Kunst verliert sich diese religiöse Konnotation fast völlig: Man sieht in erster Linie eine abstrakte Skulptur. Und das entspricht auch genau Pardos Interesse, Objekte so anzulegen und zu präsentieren, dass diese je nach Ort mit sehr unterschiedlichen Bedeutungen aufgeladen werden können.

Jorge Pardo, Corpus, 2015, Foto: Barbara Steiner

Olaf Holzapfel, der in Graz riesige Wände aus Stroh aufstellte, entschied sich diesmal für das Naturmaterial Reet. Er hat einen offenen, aber begehbaren Raum geschaffen, der bereits von außen, wenn man auf das Gebäude zukommt, zu sehen ist. Und von Haegue Yang ist A Crated Route of Emergency. Escaping and Locking zu sehen. Ihre schwarzen Intermediates, die wir in Graz gezeigt hatten, gehen nämlich im Herbst in die Kestner Gesellschaft in Hannover. In der Galerie für Zeitgenössische Kunst wird gegenwärtig nur die „halbe Ausstellung“ aus Graz präsentiert, die „andere Hälfte“ wird in der Kestner Gesellschaft in Hannover gezeigt. Das mag ungewöhnlich anmuten, war aber von Anfang an beabsichtigt: Die Grazer Ausstellung teilt und konfiguriert sich damit an jedem Ort in spezifischer, an die Räume angepasster Weise. Es gibt sogar ein zweiwöchiges Zeitfenster und damit die Möglichkeit, Ende September/Anfang Oktober beide Teile zu besichtigen.

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