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Der Künstler, das Werk, die Ausstellung (Fortsetzung)

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Bei Jun Yang

Kuandu Museum of Fine Arts, Tina Keng Gallery, MOCA (Museum of Contemporary Art) Taipei

Ende dieses Jahres 2020 bzw. Anfang 2021 wird die Grazer Ausstellung auf Taiwan in modifizierter Form an drei Orten präsentiert: Zeitgleich mit dem Kuandu Museum wird eine Präsentation in der Tina Keng Gallery (TKG+ projects) eröffnet und im Februar 2021 folgt dann das MOCA (Museum of Contemporary Art) Taipei. Dabei geraten die Ausstellungsorte selbst in den Blick: das Kuandu Museum auf dem Campus der Universität der Künste, in der Ausrichtung eng an die Lehre angebunden, die kommerzielle Galerie im schicken neuen Geschäftsviertel Neihu und das Kunstmuseum inmitten des alten Taipei. Die Ausstellung wird von mir und Jun Yang in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Institutionen kuratiert.

Die vielen Garküchen

Mein zweiter Besuch

Es war mein zweiter Besuch in Taipei. 2010 hielt ich einen Vortrag im damals neu gegründeten Taipei Contemporary Art Center (TCAC), das Jun Yang wesentlich mitinitiiert hat. Das Projekt TCAC begann mit Yangs Beitrag für die Taipei-Biennale 2008. Dieser übertraf die übliche Form der künstlerischen Beteiligung an internationalen Biennalen, denn er lud lokale Kulturschaffende, Studierende und Künstler/innen ein, sich an den Überlegungen zu einem potenziellen Zentrum für zeitgenössische Kunst zu beteiligen. Als Nachwirkung seines Biennale-Beitrags wurde dann 2009 das TCAC eröffnet. Seit 2008 lebt Yang nun hauptsächlich in Taipei und Yokohama. Doch immer wieder führen ihn seine Wege auch nach Wien.

Taipei ist sehr lebendig. Auffällig sind die vielen Motorroller. Taipei ist voll davon. Es gibt bedeutend mehr Parkplätze für Roller als für Autos und auch eigene Flächen vor den Ampeln.

Motorroller in Taipei

MOCA (Museum of Contemporary Art) Taipei

Das Museum zeigt wechselnde nationale und internationale Ausstellungen zeitgenössischer Kunst, Malerei, Skulpturen und Medienkunst. Nach diversen Umbauten wurde es am 26. Mai 2001 eröffnet; verwaltet wird es von einer ebenfalls 2001 gegründeten Stiftung für zeitgenössische Kunst.

Eingang des MOCA

Das Museum kann auf eine spannende Geschichte zurückblicken: Denn das zweistöckige, symmetrisch angeordnete Gebäude mit einem zentralen Glockenturm stammt aus der japanischen Kolonialzeit. Als Schule konzipiert, wurde es 1920 und 1946 auch als Schule und danach bis 1993 von der Stadtverwaltung Taipeis genutzt. Heute ist es in erster Linie als MOCA bekannt.

Kuandu Museum

Das Kuandu Museum of Fine Arts ist ein Kunstmuseum im Bezirk Beitou. Das Museum ist an die Taipei National University of the Arts (TNUA) angeschlossen. Es ist das erste an eine Universität angeschlossene Museum für bildende Kunst in Taiwan. Ein Residenzprogramm soll den Kultur- und Kunstaustausch zwischen Künstlerinnen/Künstlern und Kuratorinnen/Kuratoren erleichtern und eine Plattform zwischen dem TNUA und den internationalen Kunstgemeinschaften schaffen.

Kuandu Museum

Das fünfstöckige, in einen Hang hineingebaute Museum bietet neun Ausstellungsgalerien mit insgesamt rund 2.400 m2. Mit dem Bau wurde 1993 begonnen. Architekt Lee Tsu-Yuan übernahm die Planung des gesamten Campus, der 1996 fertig gestellt war. Das Museum ist ein ungewöhnliches Bauwerk, das sich durch horizontale und vertikale Blickachsen auszeichnet.

Tina Keng Gallery

Die Tina Keng Gallery ist eine kommerzielle Galerie. Sie hat ihre Wurzeln in der Lin & Keng Gallery (1992–2009) mit Sitz in Taipei und Beijing. Lin & Keng widmete sich westlicher Malerei und chinesischer Kunstgeschichte gleichermaßen, mit einem Schwerpunkt auf „modernen Klassikern“. Die Tina Keng Gallery wurde 2009 eröffnet und setzt diese Tradition fort. Mit TKG+ als neuer Tochter und TKG+ project als Experimentierfeld setzt man heute auch verstärkt auf zeitgenössische Kunst.

Jun Yangs Ausstellung findet an diesen drei Orten statt – Kuandu Museum, TKG+projects und MOCA (Museum of Contemporary Art) Taipei. Vielleicht sollte man angesichts der aktuellen Situation auch sagen, dass sie Ausstellung vermutlich stattfindet. Momentan erarbeiten Jun Yang und ich für diese Orte spezifische Ausstellungskonzeptionen, die sich mit dem jeweiligen Auftrag der Institution, deren Ausrichtung und auch ihrer Geschichte befassen. In anderen Worten: Läuft alles gut bis Ende des Jahres , dann entfaltet und erweitert sich die Grazer Ausstellung an drei Orten und verschiebt den Fokus weg von den österreichisch-chinesischen hin zu innerasiatischen Beziehungen – zwischen der Republik China (Taiwan), der Volksrepublik China und Japan.

Corona-Virus

COVID-19 ist auch Thema auf Taiwan. Doch während in Festlandchina die Fallzahlen über die letzten Monate täglich anstiegen, und erst seit kurzem abfallen, bleibt die Zahl der Infektionen in Taiwan bis heute mit 42 Fällen auf niedrigem Niveau. Das Land hat frühzeitig Maßnahmen ergriffen, um die Ausbreitung zu verhindern. Fairerweise muss man sagen, dass es bei einer Insel einfacher ist entsprechend zu reagieren. Bei meiner Ankunft am Flughafen in Wien-Schwechat wurde jedoch kein Unterschied gemacht zwischen Menschen aus Festlandchina oder Taiwan. Jeder asiatisch aussehende Mensch wurde sofort misstrauisch und mit großem Abstand beäugt. Das hat sich geändert. Das Virus hat seine Reise um den Globus angetreten.


Interesting times …

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Tausende Menschen hatten jeweils rund um den Globus daran teilgenommen. Kaum etwas hat sich seit den Anfängen der Demonstrationen im Frühjahr 2019 verändert. Manche Demonstrantinnen und Demonstranten selbst sind ohne schlechtes Gewissen rund um den Globus zum Surfen oder zum Tauchen geflogen, um sich vor dem Kollaps nur noch einmal die Schönheit der Welt anzusehen …, wie es im mit dem Goldenen Löwen 2019 ausgezeichneten beunruhigenden musikalischen Werk Sun & Sea (Marina) des litauischen Beitrags zur Biennale von Venedig einmal heißt.

Was uns aber den Zielen der Demonstrierenden plötzlich alle um ein gewaltiges Stück näherbringt, ist ein kleines Virus. Ein viraler Agent, dessen Aktion selbst fast unbekannt ist, bringt die Welt dazu, dass Flüsse quasi über Nacht sauber werden, Beijing erstmals seit Jahren blauen Himmel sieht und es an Autobahnen in Europa endlich einmal wieder etwas stiller wird.

Stille, um genau hinzuhören.

Im Kunsthaus Graz haben wir in den letzten Wochen auf Hochtouren an einer Ausstellung und einem Klangprojekt im öffentlichen Raum gearbeitet, das sich dem genauen Hinhören widmet. Mit Bill Fontana genau hinzuhören, ist ein Ereignis. Ausgerüstet mit Schwingungsmessern und Unterwassermikrofonen horcht er in Dinge und Gegebenheiten hinein, die normalerweise Teil unserer übersehenen Umwelt sind. Am Murufer etwa hat sich ein Schwingungsmesser der Motoren- und Akustikfirma AVL an einen Baum angedockt, um zu erfahren, was und wie der Baum genau hört: das fließende Wasser rinnt nun durch den Resonanzkörper des Holzes in unser Ohr, anstoßende Objekte im Wasser mischen sich mit dem weit entfernten Brummen einer Maschine. Ist das die Turbine des Wasserwerks? Gerade jetzt, wo das Erklingen von Produktionslärm erstmals in meinem Leben auch etwas Beruhigendes ausstrahlt, scheint Fontanas Art des differenzierten Hinhörens neue Facetten zu bekommen.

Bill Fontana, “Sonic Projections”, Foto: Universalmuseum Joanneum/M. Grabner

Ein wenig wie in einem Science-Fiction-Roman sei es gewesen, sagte Bill Fontana, die Ausstellung und das Projekt zu eröffnen und dann gleich wieder zu schließen. Die Nachrichten zu den Sperren und Schließungen aufgrund des sich ausbreitenden Corona-Virus hatten sich in den Tagen vor der Eröffnung überschlagen. Mitten in der Pressekonferenz ging die Meldung zur Museumssperre raus. Eine Absage der Eröffnungsveranstaltung kam bereits Stunden vorher. Fontana, der schon 1988 mit seinem Projekt im öffentlichen Raum von Graz und beim hochpolitisierten steirischen herbst rund um das Thema des „Anschlusses“ in einer Zeit der Krise in Graz gewesen war, sah sich in einer skurrilen Situation gefangen: „This is really weird“, war der Satz, den er mehrmals an diesem eigentlichen Freudentag der Projektpräsentationen am 11. März wiederholte. Und dann auch: „Right now I am feeling very sad.“

Künstler Bill Fontana, Foto: Universalmuseum Joanneum/M. Grabner

Monate- und jahrelang hatten wir uns auf diese Personale vorbereitet. Zuletzt auch über manches Wochenende. Wir hatten uns tief in die Geschichte von Fontanas Beschäftigung mit dem Klang als Energie- und Informationsträger des Tuns der Welt hineingegraben. Ein Katalog als Monografie über sein 50-jähriges Tun, zur Pressekonferenz druckfrisch vorliegend und mit aktuellen Installationsansichten versehen, ist mit viel Ehrgeiz zwischen dem Künstler sowie Kuratorinnen, Grafikerinnen und Druckerei wunderschön produziert worden.

Das war am Mittwoch. Am Donnerstag galt es, mit der wenigen Restenergie, die im Team verblieben war, dennoch das Projekt fertigzustellen; Lautstärken in der Stadt anzupassen; mit dem Kulturstadtrat ein Video zu machen, um doch noch einen kleinen Rest von Bill Fontanas Arbeit in die Öffentlichkeit zu bringen; Aufnahmen im Ausstellungsraum mit einem Ambisonic-Mikrofon für unsere Webseite und das Archiv des Künstlers zu erstellen und gleichzeitig mit dem Team über alternative Präsentationsformen nachzudenken.

“Bill Fontana. Primal Energies”, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

Noch dachten wir, dass wir am Freitagnachmittag zumindest einen öffentlichen Stadtspaziergang mit Interessierten machen könnten. Auch das löste sich dann langsam angesichts der verschärften Maßnahmen der Bundesregierung und einer um sich greifenden Unruhe unter den Menschen auf. Am Freitagnachmittag packte uns die Nervosität, Bill Fontana, den Amerikaner, noch vor einer drohenden Ausgangssperre aus dem Land zu bekommen. In Anbetracht der exponentiell wachsenden Quarantänen in Italien, den Sperren in Tirol und den drastisch reduzierten Flügen ins Ausland sowie den Einreisebeschränkungen in die USA, fühlte es sich an wie die notwendige Flucht vor einem drohenden Krieg. Tatsächlich ist Fontana Freitagnacht noch aus Österreich ausgereist. Fast allein in einem der letzten direkten Flüge nach London. Nach einigen erfolgreichen Meetings an denen unser Katalog seinen verdienten Auftritt hatte, ging es für ihn am Dienstag schliesslich weiter in die USA. In einer großen Boeing mit nur 50 anderen Passagieren. Unwirklich, aufregend, spannend und gerade eben noch unvorstellbar.

May we live in interesting times, war das Motto der letztjährigen Biennale von Venedig. Prophetisch sei das, meinte mein Freund Adam Budak schon damals. Ja, und auch etwas beängstigend. Recht hat er behalten. Interessant ist diese neue Situation auf jeden Fall. Sie zeigt neue Perspektiven auf das, was alles möglich ist, wenn Staaten etwas wirklich bedeutsam finden. Und Gesellschaften dies nachvollziehen können. Großartig eigentlich. Auch großartig, dass unsere Freundinnen und Freunde, unser Netzwerk dank Internet an manchen Stellen sogar enger zusammenrücken. WhatsApp-Gruppen unter Kolleginnen und Kollegen, Blogs und weltweite Solidaritätsbekundungen auf verschiendenen Social-Media-Kanälen zeigen an, wie wesentlich der soziale Austausch für uns alle ist. Humor und Kreativität machen diese unwirkliche Situationen real fruchtbar.

Auf die Euphorie über die Macht der Vernetzung folgt sogleich ein bekanntes säuerliches Gefühl der Unsicherheit gegenüber jedweder digitaler Massenbewegungen in der die Frage brodelt, ob die totale Konzentration auf ein Leben im Netz irgendwie zu einem Plan autoritärer Überwachung gehören könnte.

Aufwühlend und ein wenig unwirklich ist das alles. Ja, wir sollten hinschauen und hinhören, uns diese Erfahrungen merken. Und ein wenig sollten wir den Ausnahmezustand – als Phänomen – genießen.

Sammlung Kubinzky. Geschichte(n) in Ansichtskartenformat

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Auf die Frage nach dem Beginn seiner Sammelleidenschaft verweist der ehemalige Universitätsprofessor Kubinzky auf seine Kindheit. Zu den ersten Sammelobjekten zählt er seine Spielsachen, die er – wie anzunehmen ist – nicht nur gehortet, sondern auch zweckentsprechend verwendet hat. Ansichtskarten beginnt er in seiner Gymnasialzeit zu sammeln. Es waren Objekte, die er zu Hause gefunden hat und die sein Interesse und seine Neugier weckten. Eine Ansichtskarte aus Rom ist das erste Objekt seiner Sammlung, dessen Motiv er in mühevoller Arbeit auszuschneiden versuchte – ein Vorhaben, das er wohl bald aufgegeben hat, denn die Postkarten seiner Sammlung weisen nur Gebrauchsspuren auf. Dass es gerade Rom war, ist eher ein Zufall, es hätte genauso gut ein steirisches Motiv gewesen sein können. Nur fand er wohl keine „Grüße aus der Steiermark“ zu Hause vor.

Grazer Rathaus, Ansichtskarte,
Sammlung Kubinzky

Kubinzkys Ansichtskarten, die im Zuge einer großzügigen Schenkung an die Multimedialen Sammlungen kamen, werden derzeit digitalisiert. Das bedeutet jedoch nicht, dass seine Sammlung nicht durch immer neue Objekte ergänzt wird. Die Zahl der Neuerwerbungen variiert, wobei es noch immer über 20 Postkarten pro Woche sein können. Beim Kauf ist der Sammler allerdings wählerischer geworden, weil er, wie er betont, doch schon sehr viele Ansichtskarten besitzt. So schätzt er, dass seine Sammlung aus etwa 100.000 Ansichtskarten besteht. Um die 35.000 Exemplare wurden bereits im letzten Jahr gescannt und in säurefreie Hüllen verpackt. Damit hat er nun zusätzlich noch einmal so viele Digitalisate.

Grazer Rathaus von oben, Foto: Karl Albrecht Kubinzky

Mit seiner Sammlung dokumentiert Karl Albrecht Kubinzky nicht nur die Vergangenheit, sondern auch die Gegenwart für die Zukunft. So zeugen die vielen von ihm gemachten Fotos in der Sammlung von den städtischen Veränderungen der jüngsten Zeit. An der Ansichtskarte selbst findet er das Motiv besonders spannend. Durch die Erwerbung hat er das Gefühl, dass er so in den Besitz des Abgebildeten kommt. In diesem Sinne ließe sich seine Sammelleidenschaft auch tiefenpsychologisch auslegen, wie er zugibt.

Mehr über seine Sammlung und sein Sammeln erzählt Kubinzky in einem Interview mit der Leiterin des Museums für Geschichte Bettina Habsburg-Lothringen. In diesem Gespräch zeigt sich eine unendliche Begeisterung für Geschichte und sein Wesen als begnadeter Erzähler:

„Ich kann in der Geschichte leben, die Texte sind für mich Fenster in eine reale, dramatische Vergangenheit. Doch ich kehre erfreulicherweise immer wieder in die Gegenwart zurück. Spätestens, wenn meine Frau oder meine Tochter mich rufen.“ (Karl Albrecht Kubinzky)            

Das ganze Interview wird im Katalog zur Ausstellung Dein Graz! Die Sammlung Kubinzky am Joanneum erscheinen. Aufgrund der Maßnahmen zur Eindämmung des Coronavirus ist die Ausstellung derzeit geschlossen. Bis wir unsere Museen wieder öffnen können, bleibt uns nur, Ansichtskarten zu schreiben, was Karl Albrecht Kubinzky selbst jedoch nicht mehr allzu häufig macht. Er bevorzugt nun das Handy, mit dem er seine Grüße mit entsprechenden Bildern einfach, schnell und von nahezu jedem Ort aus absenden kann.

Herrengasse, Ansichtskarte,
Sammlung Kubinzky

Burgenromantik

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Eines der Wahrzeichen von Gösting ist seine Burgruine. Die eindrucksvollen Überreste der bedeutendsten mittelalterlichen Ruine in der Steiermark sind schon von Weitem zu sehen. Doch nicht alles, was heute alt wirkt, ist es auch. Einiges wurde erst im 19. und 20. Jahrhundert hinzugefügt.

Doch der Reihe nach: Zum ersten Mal erwähnt wird die landesfürstliche, aber stets von Lehensmännern verwaltete Burg im Jahr 1138. Sie dürfte kurz zuvor errichtet worden sein. Lehensnehmer war zu dieser Zeit Svitger de Kestnikeals. Er stammte aus dem vollfreien Geschlecht der Aribonen, die damals den gesamten Grazer Stadtboden besaßen, und war der Bruder von Bernhard von Stübing, dem Bauherrn der ersten Herrschaftsburg auf dem Grazer Schloßberg.

Die „Urburg“ bestand aus einem Palas im Süden, einem übereck gegen die Hauptangriffsseite gestellten Bergfried im Osten und einer diese beiden Teile umfassenden Ringmauer. Teile dieser Bauanlange sind im Erdgeschossbereich des Bergfrieds und des Palas sowie in der inneren Ringmauer erhalten. Die verbliebenen Spuren lassen darauf schließen, dass diese ursprüngliche Burg eine beachtliche Längenausdehnung von 80 m hatte.

Wappen der Marktgemeinde Gösting, Steiermärkisches Landesarchiv

Wappen der Marktgemeinde Gösting, Steiermärkisches Landesarchiv

Die ersten großen Umbauten der Burg fanden im 13. Jahrhundert statt. Dabei wurde der Palas vergrößert und die Ringmauer nach Westen erweitert. Mitte des 13. Jahrhunderts wurde die heute noch erhaltene Burgkapelle errichtet. Da der Platz dafür im Inneren der Burg nicht gegeben war, entschieden sich die Verantwortlichen für einen Bauplatz außerhalb. Dieser wurde dann durch die Schaffung eines äußeren Burgtors und einer äußeren Ringmauer in die Anlage integriert. Als Burgkapelle diente im Übrigen nur die obere, dem heiligen Georg geweihte Kapelle, während die untere, der heiligen Anna geweihte, als Pfarrkirche der Gemeinde Gösting anzusehen ist. Diese untere Kapelle besaß auch einen eigenen Eingang an der Südseite.

Im 16. Jahrhundert kam die Idee auf, die Burg zu einer mächtigen Renaissancefestung auszubauen. Der Vorschlag wurde von Ferdinand I. mit der Begründung abgelehnt, sie könnte im Falle einer Einnahme durch osmanische Truppen als Stützpunkt gegen Graz verwendet werden. So verlor die Anlage in der Folgezeit immer mehr an Bedeutung. Kleinere Aus- und Umbauten im 16. und 17. Jahrhundert brachten Fensterausbrüche am Palas, eine Aufstockung des Bergfrieds, den Einbau von Maulscharten für Feuerwaffen und die Barockisierung der unteren Kapelle. Damals diente die Burg nur noch als Pulvermagazin. Durch einen Blitzschlag am 10. Juli 1723 wurde sie zu großen Teilen zerstört und verblieb fortan als Ruine bestehen, die immer weiter verfiel.

Zwischen 1881 bis 1882 erweckte sie der Schmied und Burgenliebhaber Anton Rechberger für kurze Zeit aus ihrem Dornröschenschlaf und begann mit dem teilweisen Wiederaufbau. Beispielsweise deckte er das Kapelldach neu ein und rekonstruierte den eingestürzten Bergfried. Dem Projekt war jedoch keine lange Fortsetzung beschieden.

1925 wurde schließlich der Burgenverein Gösting gegründet, der sich die Pflege und Erhaltung der Burg zum Ziel setzte. Bereits im Gründungsjahr wurde der innere Burghof von Schutt und Bewuchs gesäubert, wobei alle brauchbaren Teile für die Rekonstruktion des Bergfrieds aussortiert und eingelagert wurden. Von 1926 bis 1929 wurde der Bergfried wiederhergestellt. Die Feier zur Fertigstellung lockte 3000 Besucher/innen zur einstigen Burg. 1932/1933 konnte auch das innere Burgtor wiedererrichtet werden. Bedingt durch die wirtschaftliche Situation, den Bürgerkrieg und schließlich den Ausbruch des Zweiten Weltkrieges, ruhten die Arbeiten an der Burg bis in die 1950er-Jahre, in denen Erhaltung und Pflege der Burg fortgesetzt wurden.

Heute ist die Ruine Gösting ein beliebtes Ziel für Ausflüge und Spaziergänge. Die Rekonstruktionen aus dem 19. und 20. Jahrhundert sind für das nicht geschulte Auge vom mittelalterlichen Bestand der Burg nicht zu unterscheiden, und so bleibt für die Wandernden das, was es sein soll: ungetrübter Genuss von Burgenromantik.

Mehr zur Ausstellung Dein Graz! Die Sammlung Kubinzky am Joanneum im Museum für Geschichte erfahren Sie hier.

Literatur:

Anselm Wagner, Sophia Walk (Hg.), Architekturführer Graz, Berlin 2019.

Ansichtskartengrüße aus der Quarantäne

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Wie vielfältig die Motive eines Papierrechtecks sein können, zeigt die Ausstellung Dein Graz! Die Sammlung Kubinzky am Joanneum. Viele der hier ausgestellten Bilder sind Ansichtskarten, also Postkarten mit einem Bilddruck oder Foto auf der Rückseite. Sie stammen allesamt aus der Sammlung des Geografen und Historikers Karl Albrecht Kubinzky. Mit Fotografien, Ölbildern, Autokennzeichen und unzähligen weiteren Objekten widerspiegelt seine Kollektion die Grazer Stadtgeschichte der letzten rund 100 Jahre. Die Postkarten deuten dabei an, was bis heute als besonders wichtig und besuchenswert empfunden wird. Sie stellen uns die wichtigsten Identifikationspunkte eines Ortes vor – wie den Grazer Uhrturm –, die dadurch zu Pilgerzielen des Tourismus werden. Sie entfalten aber auch ganze Landschaften vor unseren Augen, die so in eine wortwörtlich greifbare Nähe rücken.

Aussee, Partie, © Sammlung Kubinzky

Zu Beginn des 20. Jahrhunderts entwickeln sich Postkarten und somit auch Ansichtskarten zu einem wahren Massenmedium. Es ist eine Zeit, die durch die Entstehung des Massentourismus geprägt ist. Auslöser sind eine fortschreitende Industrialisierung, Bevölkerungsentwicklung, Verstädterung und Verkehrsrevolution. Auch verbesserte sozial- und arbeitsrechtliche Verhältnisse, gesteigertes Realeinkommen und damit veränderte Bedürfnisse verändern den Lebensstil vieler Menschen. Gleichzeitig wandeln sich die Städte, die immer mehr an Ausdehnung gewinnen. Die Vielfalt an Motiven von Ansichtskarten bezieht sich somit nicht nur auf die nun erreichbaren touristischen Ziele, sondern auch auf die unterschiedlichen Facetten der Stadt.

Erzherzog-Johann-Brücke, Ansichtskarte,
Sammlung Kubinzky

Um 1900 wird Graz noch als das „österreichisches Pensionopolis“ bezeichnet. Der wenig schmeichelnde Titel betont den beschaulichen und gemütlichen Charakter der Stadt, der vor allem Angehörige des Militärs dazu verlockte, hier ihren Ruhestand zu verbringen. Die steirische Metropole wird aufgrund ihrer klimatischen Vorzüge „zur Zeit von Epidemien [als] ein sicheres Refugium“ betrachtet. Das jedenfalls versichert uns die „Österreichische Alpenzeitung“ von 1905, die auch einen Überblick über die Erholungsorte in Graz und der Umgebung gibt. „Herrliche Naturgenüsse bieten dem Einheimischen und Fremden der Hilmteich und Stadtpark“, wie es dort heißt. Der Hilmteich zählt in dieser Zeit jedenfalls zu den beliebtesten Ansichtskartenmotiven, sodass er bis heute ohne Schwierigkeiten auf einem steirischen Flohmarkttisch zu finden ist.

Bruck an der Mur, Nachtstimmung,
© Sammlung Kubinzky

Zu den frühen beliebten Ansichtskartenmotiven zählen aber auch Ortsansichten, die mit ihren Kirchtürmen in die Landschaft eingebettet sind. In der Ausstellung Immer schön! Die Steiermark in der Sammlung Kubinzky wird ab Herbst im Museum für Geschichte ein bildliches Panorama entfaltet, das die damit transportierten Selbst- und Wunschbilder thematisiert. Gleichzeitig wird auf idealtypische Konstruktionen von Stadt und Land, den Charme des Seriellen und die Bedeutung von Farbe sowie die Schaffung bestimmter Atmosphären eingegangen.

Dachsteinsüdwände,
© Sammlung Kubinzky

Ansichtskarten überbrücken somit Distanzen, indem sie das Ferne nach Hause transportieren. Es geht aber nicht nur um Motive, sondern auch um die mit ihnen gesendeten Kurznachrichten, die vielfach keine Notiz von dem Bild auf der Vorderseite nehmen. Auch wenn die oft kurz und bündig verfassten Botschaften nur sehr selten geistreiche Erzählungen sind, verkürzen sie soziale Distanzen, da sie uns auch an die Absender/innen erinnern. Für einen kurzen Augenblick ist das Motiv nicht das wichtigste Bild in unserem Kopf, und genau dieser Moment vermag räumliche Distanzen zu schließen und soziale Nähe wieder zu stärken.

Cigale, Promenadeweg,
© Sammlung Kubinzky

Verzweiflungstat oder längst fällige Verlagerung der Aktivitäten?

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KH: In den letzten Wochen, in denen die Welt nach einer Vollbremsung des sich immer schneller drehenden Hamsterrads stotternd zum Stillstand gekommen ist, war ein regelrechtes Überangebot an kulturellen Online-Aktivitäten zu bemerken. Fast könnte man meinen, Langeweile und Sinnentleerung – Gefühle, die offenbar all jene einholen müssen, die ihre eigenen vier Wände nicht verlassen sollen – seien die vorherrschende Symptomatik der Krisenzeit.

BS: Hat es nicht vielleicht auch mit Legitimation zu tun? Präsenz zu zeigen und zu demonstrieren, dass man in Zeiten wie diesen als Institution „wichtig“ ist, angetrieben von der Angst, zu verschwinden? Ich sehe durchaus einen Wettbewerb unter den Institutionen. Die Sorge des Verschwindens scheint nicht ganz ungerechtfertigt. Der Kunstkritiker Jörg Heiser sprach im Deutschlandfunk in Zusammenhang mit den Online-Aktivitäten der deutschen Institutionen sogar von einer „Verzweiflungstat“.

KB: Vieles geschieht aus einer Angst heraus, nach der Krise als nicht systemrelevant zu gelten – übrigens spekuliere ich damit, dass „systemrelevant“ das Unwort des Jahres 2020 wird – und demnach auch offiziell als wegreduzierbar zu gelten. Es ist nicht das erste Mal, dass die Kultur in Zeiten der Krise finanziell zurückstehen muss. Ich bin mir auch sicher, dass diese Angst der Kulturinstitutionen allgemein nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Wir alle sehen, wie viel Geld der Staat gerade ausgeben muss, und wissen, dass er das auch wieder an anderer Stelle eintreiben wird. Sich selbst also in den digitalen Welten sichtbar zu machen, könnte tatsächlich einmal sehr relevant sein. Wie aber und womit man sich äußert, das ist auf jeden Fall der springende Punkt.

Performance Homework nimmt die Idee, Privatwohnungen als Bühne zu nutzen, auf und ersetzt den Aspekt der Begegnung und gemeinsamen Erfahrungen durch ein individuelles Erkunden der eigenen vier Wände.

Performance Homework nimmt die Idee, Privatwohnungen als Bühne zu nutzen, auf und ersetzt den Aspekt der Begegnung und gemeinsamen Erfahrungen durch ein individuelles Erkunden der eigenen vier Wände.

MG: Ich denke, was wir derzeit weltweit auf den Onlinekanälen der Kunstinstitutionen sehen, ist zum überwiegenden Teil eine Verlagerung der Vermittlung und (Re-)Präsentation von Kunst ins Netz; der Versuch, Ausstellungen, die aus physischen Werken für einen physischen Raum konzipiert wurden, online zugänglich zu machen, sie trotz der Schließung dieser physischen Räume zu verwerten, sie für die hoffentlich bald erfolgende Wiederöffnung „anzuteasern“. Doch diese Aktivitäten können nur ein temporärer Ersatz und eine langfristig angelegte, bisher oft vernachlässigte Ergänzung zur Präsentation und Vermittlung im physischen Raum sein, denn solche Werke und besonders räumlich komplexe Ausstellungen verlieren in der virtuellen Simulation zwangsläufig ihre einzigartige Aura.

Schritt für Schritt zu “Tanz und Tod”

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Zu den Leihgaben, die seit diesem Frühjahr die Schausammlung der Alten Galerie bereichern, gehört ein kostbares Gemälde des flämischen Künstlers Sebastiaen Vrancx, der zu den wichtigen Zeugen einer dramatischen Epoche gehört. Das in steirischem Privatbesitz befindliche Werk stellt aufgrund seiner hohen Qualität und des vorzüglichen Erhaltungszustandes eine ideale Ergänzung des Eggenberger Universums dar. Das Werk ist in der Ausstellung im Bereich Der endlose Krieg zu sehen.

Lagebesprechung in Zeiten des Dreißigjährigen Krieges: Ein Trupp von Reitern hat sich um seinen Anführer geschart, um dessen Befehle entgegenzunehmen. Zusammen mit den im Bild verstreuten, am Wege rastenden Infanteristen bilden sie eher eine lockere, informelle Gruppe denn eine strenge Formation. Der Krieg scheint fern, doch zeigen eigens postierte Soldaten an, dass Wachsamkeit geboten ist. Auch besteht kein Zweifel daran, dass der befehlshabende Offizier uneingeschränkte Autorität genießt, wie das weiße Streitross sowie die zentrale Position im Bild anzeigen.

Der Umstand, dass der Kommandeur an seine Soldaten das Wort richtet, knüpft an die antike Tradition der adlocutio an, der anspornenden Rede des Feldherrn an die versammelten Truppen. Deutlich wird, dass zum Berufsbild des frühneuzeitlichen Militärs nicht nur körperlicher Einsatz, sondern auch rationales Kalkül sowie die Fähigkeit gehören, sich mit den Untergebenen rechtzeitig abzustimmen. Gemäß dem humanistischen Bildungswissen der Zeit lassen sich diese Verhaltensmuster auf die antiken Gottheiten Mars und Minerva übertragen: Während Mars für die Tugend der Tapferkeit, fortitudo, steht, repräsentiert Minerva Klugheit und Voraussicht, prudentia, vor allem dann, wenn es gilt, taktische Vorteile zu nutzen und die günstige Gelegenheit, den kairos, zu ergreifen.

Ausstellungsansicht “Zwischen Tanz und Tod”, Foto: UMJ/N. Lackner

Der Antwerpener Maler Sebastiaen Vrancx ist zusammen mit seinem Landsmann Pieter Snaeyers ein Hauptvertreter des Militärgenres in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Beide Künstler zeichnen sich durch eine typisch flämische, überaus figuren- wie detailreiche Erzählweise aus, die in der Tradition des „Wimmelbildes“ steht, wie es schon Pieter Bruegel der Ältere und seine Nachkommen gepflegt haben. Während Snaeyers mit seinen großformatigen, kartografisch aufgefassten Schlachtenpanoramen im Dienst der Habsburger berühmt geworden ist, nimmt Vrancx, der auch Hauptmann der Antwerpener Bürgerwehr war, regelmäßig die inoffizielle Seite des Krieges mit all ihren Brutalitäten in den Blick: eine wahrhafte Bildenzyklopädie des Schreckens und damit ein Spiegel des Zeitalters.

Die ganze Stadt – Bauwelt Kongress 2019

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Der sehr gut besuchte Kongress, Foto: Bauwelt

Neue Allianzen

Die Veranstaltung widmete sich Forderungen nach neuen Zentralitäten, diskutierte Strategien für den Umgang mit Superverdichtung, ging möglichen Verbindungen zwischen Peripherie und Zentrum nach, rückte Magistralen in die planerische Aufmerksamkeit, ohne soziale Gleichheit, die vitale Rolle von Nachbarschaften, Selbstversorgung und den Umgang mit Energien und Ressourcen aus den Augen zu verlieren. Deutlich wurde während der beiden Tage, dass es heute sehr schwierig geworden ist, Stadt zu planen, einfach weil die Vorstellungen und Erwartungen von Planenden, Politik, Kommunen, Immobilienwirtschaft sowie Bürgerinnen und Bürgern sehr unterschiedlich ausfallen. Dies kam vor allem in den Vorträgen von Philipp Rode, Executive Director of LSE Cities, London, und Mike Josef, Planungsdezernent Frankfurt a. M., deutlich zum Ausdruck. Eine enorme wirtschaftliche Perforierung des öffentlichen Raums, neue mächtige Allianzen zwischen Kommunen, Fondsgesellschaften, privaten (mehr oder weniger) philanthropischen Stiftungen und Unternehmen sowie wechselseitige Abhängigkeiten machen die Situation nicht einfacher. Machtverteilungen, räumliche Gerechtigkeit und mögliche Aneignungen des öffentlichen Raums im Verständnis verschiedener Akteurinnen und Akteure stellen vor neue Herausforderungen und bedürfen neuer Allianzen.

Mike Josef, Planungsdezernent Frankfurt a. M., Foto: Bauwelt

„Top-down“ und „Bottom-up“

Beim Kongress zeigte sich, dass „Top-down“- und „Bottom-up“-Prozesse künftig verstärkt zusammen gedacht werden müssen: Auch wenn der Wunsch nach schnellerer Durch- und Umsetzung immer wieder auftauchte, wurde klar, dass die Zeiten autoritärer Planung in den meisten europäischen Ländern unwiederbringlich vorbei sind. Anregende Beispiele waren „Critical Care: Plädoyer für eine Stadt des Sorgetragens“, vorgestellt von Angelika Fitz (Architekturzentrum Wien) und „Public Space as Found – Vom Hof Vague zur Freien Mitte“ von StudioVlayStreeruwitz, ebenfalls Wien. Es zeigte sich, dass es transparent formulierte Rahmenbedingungen braucht, die Prozesse der Verständigung und Annäherung zwischen den verschiedenen Akteurinnen und Akteuren möglich machen. Für eine Gesellschaft, die zwar vielgestaltig und mehrstimmig  ist, aber dennoch Räume der Begegnung braucht.

Die Esso-Häuser brauchen dich – Flyer © Planbude / Christoph Schäfer 2017

Kunst und Stadtplanung

Mein Beitrag widmete sich partizipatorischen Kunstprojekten, die Stadtentwicklungsvorhaben begleiten. Im Unterschied zu den 1990er-Jahren sind Künstler/innen nun hellhöriger, wenn politische/ökonomische Interessen ins Spiel kommen. Die Sensibilisierung gegenüber potenziellen Einverleibungsversuchen künstlerischer Arbeit hat definitiv zugenommen. Künstler/innen setzen heute gezielt auf systemische Interventionen, suchen das direkte Gespräch mit Kommunen, Politik und Investoren und fordern klassische Planung auf verschiedenen Ebenen mit eigenen „Planungstools“ sehr kreativ heraus. Mitunter sehr erfolgreich, wie die Aktivitäten der PlanBude in Hamburg zeigen: Diese initiierte im Paloma-Viertel in Hamburg einen mehrjährig angelegten Bürger/innen-Beteiligungsprozess, der die Grundlage für den nachfolgenden städtebaulichen und hochbaulichen Wettbewerb bildete, also konkrete Effekte zeitigte.

Rotor Brüssel

Nach meinem Vortrag sprach Maarten Gielen von Rotor aus Brüssel. Wir bildeten sozusagen ein „Kapitel“ zum Thema Metabolismus, hier allgemein verstanden als „Umwandlung“, „Veränderung“. Rotor zeigt, dass Nachhaltigkeit beim Bauen möglich ist, und auch, wie überzeugend man Materialien recyclen kann. Forschen und Publizieren nehmen dabei einen ebenso wesentlichen Stellenwert ein wie das Bauen selbst. Den Abschluss unserer beiden Vorträge bildete eine Partnerdiskussion. Dabei kam die Frage auf, ob es naiv sei, an die Kraft zur (positiven) gesellschaftlichen Veränderung zu glauben, bedenkt man, dass Abhängigkeiten zwischen Kommunen und privaten Finanziers zugenommen haben und mächtige Player Richtlinien definieren, die das Gemeinwohl wenig bis gar nicht im Auge haben. Die beiden Tage betrachtend hatte ich den Eindruck, dass sich die Kräfte in einer Art prekären Balance halten, also zwischen jenen, die den Status quo fortschreiben wollen, und jenen, die sich eine Welt jenseits dessen, was ist, vorstellen können.

Partnerdiskussion mit Maarten Gielen und Barbara Steiner, Foto: Bauwelt


Physischer contra virtueller Raum?

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KH: Die Zeit erfordert es, neue Wege und Formen zu suchen, reale Zusammenkünfte und „echte“ Erlebnisse – denn darin unterscheidet sich der Kulturbetrieb schließlich so grundlegend von zu Hause konsumierbarer Unterhaltungsindustrie wie Netflix und Co. – durch virtuelle zu ersetzen. Zwar spielen Internet und soziale Netzwerke nicht erst seit Corona für Kunst eine Rolle, doch in der gegenwärtigen Situation des „Social Distancing“ manifestieren sie sich als unverzichtbare Übergangsorte, wo Rezeption und Reflexion von Kunst und gesellschaftlichen Fragestellungen stattfinden können.

BS: Gehst du davon aus, dass die physischen Orte wieder an Bedeutung zurückgewinnen werden, dass die gegenwärtigen Aktivitäten im Netz nur vorübergehender Art sind? Peter Weibel sieht in den physischen Orten „übersteigerte bizarre Architektur-Signaturen, bereits geschaffen im Bewusstsein des Todes der Unterhaltungsformen der Nahgesellschaft“, die „sich in Kürze als überflüssig erweisen“ werden. Für ihn wird nun endlich das lokale Massenpublikum entfernt, „das ohnehin schon lange überflüssig war“. Denn Geld würde ja heute vor allem in der Unterhaltungs- oder Sportindustrie mit dem virtuellen, nicht lokalen Massenpublikum verdient.

(Peter Weibel, Virus, Viralität, Virtualität, Neue Zürcher Zeitung, 20.3.2020)

ES: Ich verstehe diese Entweder-Oder-Haltung nicht. Peter Weibel ist in seiner Haltung schon sehr radikal. Ein reales Erlebnis ist auch mittels Internetmedien möglich und hat andere Qualitäten als ein reales Erlebnis in einem Ausstellungsraum oder Museum. Grundlegend finde ich dieses Denken in „Abschnitten“ schwierig – vom Industriezeitalter ins Informationszeitalter ins Konzeptzeitalter … von der Nah-Gesellschaft in die Fern-Gesellschaft … so als ob das, was war, je verschwinden würde.

Alle Teile des Projekts WEIRDING von Oliver Hangl arbeiten gezielt mit medial erzeugten Spekulationen. Dabei bedient sich der Künstler der Methode des viralen Marketings.

KH: Ich sehe das auch so, was das Denken in Abschnitten angeht. Wir tendieren dazu, die Dinge chronologisch zu betrachten. Der deutsche Soziologe Gerhard Schulzes analysierte sehr gut die Bedürfnisse der „Erlebnisgesellschaft“, die unser „Leben vor Corona“ in der westlichen Welt bestimmt hatte. Er sprach dieser übrigens Geduldfähigkeit und Solidaritätsgefühle ab. Zwei Eigenschaften, die wir alle gerade unter Beweis stellen sollen. Ich denke, selbst wenn wir uns akut von einer Pandemie bedroht fühlen, lässt sich unser Denken und Handeln nicht von heute auf morgen ins Gegenteil umkehren. Dass „reale Erlebnisse“ im Netz ebenso funktionieren wie im Ausstellungsraum, wage ich allerdings zu bezweifeln. Ich glaube an die Kraft des Originals und an das dringende Bedürfnis nach echten Versammlungsorten. Ich meine damit keineswegs, dass man Online- oder Social-Media-Projekten den künstlerischen Wert absprechen sollte. De facto lassen sich auch über solche Kanäle Erlebnisse schaffen. Was dabei aber fehlt, sind körperliche Elemente, Raumerfahrung und nicht zuletzt das gemeinsame Erleben – was beispielsweise für Performance eine große Rolle spielt.

Ron Athey und boychild, Auszüge aus “pistol poem, Genesis P-Orridge EsoTerrorist and Geometric – flourishes”, 2019, Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kujek

MG: Ich finde es spannend, wenn künstlerische Arbeiten im virtuellen Raum wieder in den physischen Raum zurückfinden oder verschränkt funktionieren, wie es bei unseren Projekten von Barbis Ruder, Oliver Hangl oder Michikazu Matsune der Fall ist. So werden Parallelen sichtbar und Konzepte im Kontext des jeweils anderen Raums deutlicher lesbar. Für mich haben Kunstprojekte, die genuin für den virtuellen Raum konzipiert wurden, in ihm entstanden sind und sich mit ihm beschäftigen, durchaus großes Potenzial. Sie finden sich unter den unter Zeitdruck entwickelten Online-Aktivitäten allerdings nur selten. Diese zu entwickeln und voranzutreiben ist eine wichtige Aufgabe. Sie werden aber nicht zu den von Peter Weibel bewusst provokant herbeigeschriebenen „gigantischen leeren Spielstätten“ führen, denn sie konkurrieren nicht mit dem physischen Raum, sondern erweitern ihn und führen besonders im Diskurs und in der Verschränkung der spezifischen Qualitäten von physischem und virtuellem Raum zu faszinierenden künstlerischen Arbeiten und Erkenntnissen. Video never killed the Radio Star.

Kunst ⇆ Handwerk: Vom Kunsthaus Graz in die Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig

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Graz ⇆ Leipzig

Konzept und Beteiligte entsprechen der Ausstellung im Kunsthaus Graz: Zeitgenössische Künstler/innen widmen sich dem Verhältnis und den wechselhaften Beziehungen von Kunst und Handwerk. Das Handwerk wird dabei als wesentlicher Bestandteil einer materiellen Kultur, kulturellen Identität und Gemeinschaft verstanden und darüber hinaus mit sozialen sowie ökonomischen Verhältnissen und Produktionslogiken in einer globalisierten Welt zusammen gedacht. Die Arbeiten zeigen ein Verständnis von Handwerk, das sich hin zu außereuropäischen Kulturen, zur modernen und zeitgenössischen Kunst, zu aktuellen Diskursen und zu digitalen Entwicklungen öffnet und Kulturtransfers über nationale Grenzen hinweg nachzeichnet. So weit zu den Gemeinsamkeiten.

Links: Plamen Dejanoff, The Bronze House, 2006-19; Rechts: Antje Majewski, Panier de Poulet, 2017; Olivier Guesselé-Garai, Woven Line, 2017/2019, Foto: GfZK Leipzig/Alexandra Ivanciu

Räumlich entfaltet sich die Ausstellung auf komplett andere Weise, und das hat wesentlich mit dem Gebäude von as-if wien-berlin zu tun. Über die Raumzonen (es gibt keine abgeschotteten Räume) entfaltet sich ein relationales Gefüge zwischen den künstlerischen Positionen und Werken. Da sich das Gebäude über großformatige Fenster öffnet, dringt die Natur buchstäblich in den Innenraum ein. Am Beispiel von Olaf Holzapfels Reet-Installation oder von Plamen Dejanoffs Bronze House kann man sehen, auf welche Weise Künstler/innen mit Licht- und Schatteneffekten arbeiten. Modern Temperament (Oliver Klimpel/Till Sperrle) haben – auch anders als in Graz – ein Farbkonzept für die Wände entwickelt, das Anleihen bei verschiedenen Interieurs nimmt und einen gemeinsamen, gleichwohl jeweils auf die gezeigten künstlerischen Arbeiten abgestimmten Rahmen schafft.

Gleich und doch ganz anders

Es sind dieselben Künstler/innen, aber in drei Fällen nicht dieselben Arbeiten. Von Jorge Pardo wird eine Skulptur gezeigt, die dieser für die katholische Kirche St. Trinitatis in Leipzig anfertigte, die aber dort nie aufgestellt wurde. Der Christus am Kreuz erinnerte wohl zu sehr an eine weibliche Figur. Im Kontext einer Institution für zeitgenössische Kunst verliert sich diese religiöse Konnotation fast völlig: Man sieht in erster Linie eine abstrakte Skulptur. Und das entspricht auch genau Pardos Interesse, Objekte so anzulegen und zu präsentieren, dass diese je nach Ort mit sehr unterschiedlichen Bedeutungen aufgeladen werden können.

Jorge Pardo, Corpus, 2015, Foto: Barbara Steiner

Olaf Holzapfel, der in Graz riesige Wände aus Stroh aufstellte, entschied sich diesmal für das Naturmaterial Reet. Er hat einen offenen, aber begehbaren Raum geschaffen, der bereits von außen, wenn man auf das Gebäude zukommt, zu sehen ist. Und von Haegue Yang ist A Crated Route of Emergency. Escaping and Locking zu sehen. Ihre schwarzen Intermediates, die wir in Graz gezeigt hatten, gehen nämlich im Herbst in die Kestner Gesellschaft in Hannover. In der Galerie für Zeitgenössische Kunst wird gegenwärtig nur die „halbe Ausstellung“ aus Graz präsentiert, die „andere Hälfte“ wird in der Kestner Gesellschaft in Hannover gezeigt. Das mag ungewöhnlich anmuten, war aber von Anfang an beabsichtigt: Die Grazer Ausstellung teilt und konfiguriert sich damit an jedem Ort in spezifischer, an die Räume angepasster Weise. Es gibt sogar ein zweiwöchiges Zeitfenster und damit die Möglichkeit, Ende September/Anfang Oktober beide Teile zu besichtigen.

Kunst und Social Media

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KB: Ich verfolge schon länger Aktivitäten von Künstlerinnen und Künstlern in den sozialen Medien, die das Medium künstlerisch und auslotend verwenden. Einige tun das wirklich so spannend, dass Millionen von Menschen ihre Feeds abonniert haben. Allen voran etwa Cindy Sherman, die Grande Dame der Selbstinszenierung und Veränderung, oder Ai Weiwei, dessen weltweit gesichteter Twitter-Account vor allem vor einigen Jahren als einer der ersten zwischen kunstaktivistischer Intervention und medialem Kalkül oszillierte.

BS: Manchen Künstlerinnen und Künstlern kommen die gegenwärtigen medialen Möglichkeiten einfach sehr entgegen. Cindy Sherman verwendet Instagram als Tool, das perfekt zu ihren künstlerischen Interessen passt. Sie nutzt Mittel, die heute allen zur Verfügung stehen – wie etwa die App „YouCam Makeup“. Nur setzt sie diese in entgegengesetzter Absicht ein. Sie machen nicht unbedingt attraktiver, ihren Bildern haftet eher etwas von gescheiterten Selbstoptimierungen an. Begeisterung an und Ablehnung ihres Instagram-Accounts halten sich allerdings die Waage. Während die einen finden, „Cindy Shermanʼs Instagram account may be the best art exhibition of 2017“ (Salon), konnte man in der Kunstzeitschrift Monopol lesen, dass ihre Beiträge doch „sehr berechenbar, zu sehr Klischee“ seien. Und weiter: „Wenn nicht Cindy Sherman die Absenderin wäre, 63 und eine der erfolgreichsten und teuersten Künstlerinnen der Welt, würde man beim Durchscrollen laut gähnen, denn hier wird plötzlich gar nichts mehr antizipiert, es wird nicht provoziert, sondern nur noch mitgespielt.“

KB: Sie spielt mit dem Klischee ihrer eigenen Berühmtheit – und das ist in den sozialen Medien absolute Realität. Meiner Ansicht nach macht sie den Faktor ihrer eigenen Berühmtheit ebenso zum Thema wie die fotografischen Mutationen selbst. Mit ihren 309.000 Followern trifft Sherman den Nerv unserer Zeit und offenbart gleichzeitig auch das Potenzial der Niederschwelligkeit des digitalen Bildraumes und der sozialen Medien für die Kunst. Gerade Berühmtheit und Follower sind auf den sozialen Medien – man denke an die warme Luft von Donald Trump – ein wesentlicher Erfolgsfaktor von Sichtbarkeit. Je mehr Erfolg, desto mehr Erfolg. Je mehr Bilder auf Bilder folgen, desto mehr Aktualität.

Laut Marketingagentur müssten wir mindestens zweimal pro Woche posten, sonst lassen uns die Algorithmen gar nicht mehr an die Front … Gerade in dieser Hinsicht interessieren mich auch Kritiker wie Jerry Saltz oder Hans Ulrich Obrist, die ihre Künstler/innen-Interviews seit Jahren gekonnt an aktuelle Zeitphänomene wie internationale Auszeichnungen der Interviewten, Modeströmungen und Ausstellungseröffnungen koppeln und dabei eine Gratwanderung gehen zwischen Relevanz und Rummel.

BS: Jerry Saltz war auch einer der ersten namhaften Kunstkritiker, der Instagram auch als künstlerische Plattform ernstgenommen hat. Und er nutzt Facebook aktiver als viele andere Kunstkritiker, beinahe täglich. Seine Posts sind spielerisch, fast leichthändig, aber nie banal, selbst wenn er mit Banalitäten kokettiert. Ich schätze vor allem, dass er im besten Sinn unterhaltsam schreibt. Er nutzt Social Media als populärkulturelles Medium und als Raum, in dem Zigtausende zusammenkommen. Wie er dem New York Observer sagte, ist es für ihn „aufregend, mit 5.000 Menschen in diesem Raum zu sein.“

KB: Für mich zeigt sich, dass das Netz selbst ein Raum ist, in dem mehr und mehr künstlerische Aktivitäten und kritische Kommentare stattfinden. Es ist auch für uns Kuratorinnen und Kuratoren ein zusätzlicher, ausgesprochen spannender Kommunikations-, Produktions-, aber auch Reflexionsraum.

Das Kunsthaus im Netz

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BS: Das Kunsthaus Graz befasst sich in seinem Programm seit Längerem mit Schnittstellen zwischen virtuellem und physischem Raum und sucht gezielt Interaktionen mit einem heterogenen Publikum. Wesentliches Tool ist dabei die Licht- und Medienfassade von realities:united, die BIX, die bereits bei der Eröffnung des Kunsthauses 2003 in Betrieb genommen wurde. 2017 hatten wir mit fiber and liquids die erste Ausstellung im Netz. Das von Jens Geiger, Jennifer Smailes und Viktoria Tiedeke kuratierte Projekt war ausschließlich im „Darknet“-Space zu sehen. Es ging um marginalisierte Räume und strategische Rückzugsorte, globale Vernetzung und postkoloniale Auslassungen, Big Data und informelles Wissen. Auch das Ghost-Projekt von Tristan Schulze war ein Versuch, aus der Logik eines digitalen Raums – in seinem Fall eines künstlichen, wachsenden neuronalen Netzwerks – herauszuarbeiten. In Richtung derartiger Projekte sehe ich noch viel Spielraum.

KB: Als wichtigen Schritt sehe ich auch, im Social-Media-Bereich zu kuratieren. Seit etwas mehr als zwei Jahren beauftragen wir Künstler/innen, für Instagram und Facebook Kunstprojekte zu entwickeln. Seitdem sind einige Arbeiten entstanden, die sich mit den Versprechen, Hysterisierungen, Mechanismen und Möglichkeiten sozialer Netzwerke befassen. Die mehrteilige Filmarbeit Die Kunst, regiert zu werden von Ruth Anderwald und Leonard Grond war eine aktuelle künstlerische Auseinandersetzung mit den österreichischen Polit-Possen rund um die Ibiza-Affäre. Eine andere war eine performative Arbeit von Barbis Ruder,  #IAmInfluenca Werde #InfluencerOfInfluenca und #likemetoo, die als Auftakt zur physischen Liveperformance im Kunsthaus ein ironisch-kritisches Vermarktungstool ins Netz stellte. Kampagne und Performance sprachen auch von der Realität der Künstler/innen als Kleinunternehmen. Dieses Projekt spielt gekonnt mit sozialen Medien als „Marktplatz der Emotionen“, wie Barbis Ruder das nennt, und arbeitet mit Erwartungen der User/innen und den Mechanismen des Netzes. Facebook hat viele ihrer virtuellen Performances gelöscht.

Barbis Ruder, “likemetoo”, 2019, Foto: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kujek

BS: Ich erinnere mich, dass Ruth Anderwalds und Leonard Gronds Arbeit zunächst als „Werbeanzeige eines politischen Inhalts“ eingestuft wurden. Das heißt, man muss sich proaktiv von Facebook verifizieren lassen. Diese Einstufung kam für uns sehr überraschend.

KB: Facebook filtert per Algorithmus anhand eines Schlagwortregisters politischen Inhalt heraus. Zumindest wenn man keinen als politisch angemeldeten Account besitzt bzw. sich nicht dementsprechend anmeldet. Was Facebook als politischen Inhalt erkennt, kann vieles sein, in unserem Fall waren es das Wort „Regierung“ bzw. der Hashtag „Demokratie“, die dazu führten, dass die Arbeit im ersten Durchgang abgelehnt wurde. In eine politische Diskussion, die man über einen Hashtag kommunizieren will, kann man also auf Facebook eigentlich nur dann gut einsteigen, wenn man ein politisches Büro ist.

Anderwald und Grond haben dann die Begriffe ins Bild gepackt und anstatt des aktuellen Hashtags zu Ibiza einen neuen gefunden: #immerwiederösterreich. Interessant war es auch, sich über das potenzielle Publikum Gedanken zu machen, das normalerweise vielleicht nicht eine Arbeit von Anderwald & Grond sehen würde, und so haben wir auch ganz zufällige, nicht unbedingt kunstnahe Themenfelder mit den Hashtags beschlagwortet, wie etwa das #paradiesfürpferde, das im Found-Footage-Video eigentlich auf den berittenen Putin und Kickls berittene Polizei Bezug nimmt. Der Hashtag ging auch an Pferdeliebhaber/innen. Man hat auf Social Media eben auch die Möglichkeit, unbekannte Terrains zu infiltrieren.

Ruth Anderwald + Leonhard Grond, “Die Kunst regiert zu werden: Nostalgia”, 2019

KH: Man sieht ganz gut, dass Kunst im Netz recht vielfältig ist – wie es zeitgenössische Kunst eben ist. Ein wichtiges Beispiel aus der jüngsten Zeit, das auf physischer und nicht physischer Ebene sehr gut funktioniert, ist Michikazu Matsunes Performance Homework.

Das Projekt reflektiert die derzeitige soziale Isolation. Michikazu gibt darin „Anweisungen“, wie Performances daheim real erlebt werden können – in Personalunion von Performer/in und Publikum. Das ist für mich kein klassisches Online-Projekt, auch wenn die Plattform, über die das Projekt kommuniziert wird, eine Website ist. Das Ganze hat zwar auch einen Unterhaltungswert, wenn man sich nur durch die einzelnen Projekte klickt, es wird aus meiner Perspektive aber erst dann zum Kunstwerk, wenn man tatsächlich beginnt, eine Land-Art-Skulptur im Blumentopf nachzubauen oder Gemüse durch die eigene Küche rollen zu lassen.

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BS: Michikazu holt die Erfahrung von Körperlichkeit und physischem Raum, die Begegnung mit der materiellen Welt, durch die Teilnahme am Projekt wieder zurück. Der virtuelle Raum wird zum verbindenden Element der (verschiedenen) physischen Räume, je nachdem wo sich die Performenden befinden.

Nach welchen Kriterien zählt man virtuelle Besuche?

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KB: Über unserer Eingangstür hängt die Arbeit Number of Visitors von Superflex. Das Zählwerk bewegt sich nun schon seit geraumer Zeit nicht mehr. Da wir ja keine „visitors“ im physischen Raum haben, kommt für mich erneut die Frage auf, ob wir die Besucher/innen unserer digitalen Projekte zählen sollten und wie das am sinnvollsten geschehen könnte. Wie viel Zeit muss man als Besucher/in mit den Inhalten verbringen? Interessant wäre diesbezüglich auch, die Auswertung der Kunstprojekte im Social-Media-Bereich heranzuziehen. Diese Arbeiten sind ja eigens dafür entstanden. Wie verhalten sich Nutzer/innen und wann können wir sie als Besucher/innen zählen?

AB: Wir können selbstverständlich auf der Website die Zeit des Besuchs messen und wir sehen auf Social Media, wie Leute mit den Inhalten interagieren. Die schwierigere Frage ist eher, welche Kriterien eine Online-Besucherin, ein Online-Besucher erfüllen muss, um gezählt zu werden. Das könnte projektbezogen erfolgen, etwa wenn man seine Teilnahme mit einem Online-Formular deklarieren muss. Die Ausstellungen im Netz wären bestimmt sinnvoll, aber was wäre dafür eine angemessene Zeit? Auf Ausstellungsseiten verbringen Menschen zwei bis drei Minuten, je nachdem, wie viel Content wir zur Verfügung stellen. „Liken“ alleine ist meiner Meinung nicht genug Interaktion, aber mit einem Kommentar sieht es schon anders aus. Sollten wir nicht Mindestkriterien definieren, die erfüllt werden müssen? Ich schätze ein solches Unterfangen als längeren Prozess ein, vor allem was die öffentliche Akzeptanz betrifft. Aber wenn wir das schaffen, könnten wir wegweisend für andere Kultureinrichtungen sein.

BS: Auch Besucher/innen, die physisch eine Ausstellung im Kunsthaus besuchen, verweilen bei manchen Werken nur sehr kurz. Deutlich weniger als zwei bis drei Minuten. Bereits 2001 haben Lisa Smith und Jeffrey Smith im Rahmen einer Studie im Metropolitan Museum of Art in New York festgestellt, dass die durchschnittliche Verweildauer vor einem Kunstwerk bei 27,2 Sekunden lag, der untere Wert bei 17 Sekunden und die längste gemessene Zeit bei 3 Minuten 48 Sekunden – bei einer einzigen Person vor einem Gemälde von Rembrandt. 2016 wurde die Studie im Art Institute in Chicago mit einer größeren Auswahl von Kunstwerken, einem längeren Beobachtungszeitraum und einer gesonderten Messung für das Studium der Beschriftungstafeln wiederholt. Und das Ergebnis unterscheidet sich kaum. Ist der bezahlte Besuch mehr wert? Klar, es braucht Kriterien für den virtuellen Besuch. Und es ist Zeit, diese zu entwickeln. Beteiligung ist für mich zählbar, wenn jemand sein Einverständnis zur Beteiligung gibt, wenn es Interaktionen gibt, die in eigene Beiträge münden, wenn wir explizit ein Kunstprojekt umsetzen, das nur für Social Media oder in anderer Hinsicht als Netzprojekt gedacht ist.

KB: Bei Interaktionen, die Beiträge liefern, halte ich bereits GIFs oder Fotos für eine kreative Interaktion. Am besten machen wir die Projekte, bei denen wir zählen, über einen Hashtag sichtbar und nachvollziehbar. Beispiel: #KunstimNetz. Ich würde durchaus auch Blogbeiträge ab einer bestimmten Lesezeit zählen.

MG: Ich finde den Vorschlag wichtig, die virtuellen Besucher/innen ​nicht nur zu zählen, sondern auch die Zahlen sichtbar zu machen. Besonders da wir derzeit Number of Visitors von Superflex haben. Die eine richtige Zahl über alle Kanäle zu finden, ist allerdings nicht leicht, weil hier völlig unterschiedliche Größenordnungen bestehen und die jeweiligen Kennzahlen gefunden werden müssen, die am besten untereinander und mit dem physischen Besuch korrespondieren. Die drei über einen Zeitraum von drei Wochen auf Instagram gelaufenen Videos von Oliver Hangls Arbeit WEIRDING 2 erzielten in Summe rund 466.000 Sichtkontakte von 232.000 Personen. Von diesen lief 18.563 Mal ein Video über die volle Länge von knapp 30 Sekunden und sie resultieren in 1.583 Interaktionen (Likes, Comments, Shares). Das ist ein Faktor von fast 300! Welche Zahl korrespondiert nun am ehesten mit einem Besuch im Kunsthaus, das im Jahr 2019 rund 83.000 Besucher/innen zählte?

AB: Es ist absolut notwendig, sich die verschiedenen Statistiken zu unserer Präsenz anzuschauen und deren Bedeutung zu verstehen. Das betrifft einerseits den Entscheidungsprozess für oder gegen die Auswahl der Daten und in der Folge die Argumentation gegenüber der Öffentlichkeit.

MG: Meist laufen Arbeiten auch auf mehreren Kanälen, die unterschiedlich funktionieren: Instagram, Facebook, Homepage der Institution. WEIRDING 2 lief als unmittelbar aus dem Konzept der Arbeit abgeleitetes Experiment „disruptiv“ auf der Homepage des Kunsthauses. Nach Zufallsprinzip erschien es anstatt der normalen Seite bei einem bestimmten Teil der Seitenaufrufe als ungewollte Störung, die auch bei der Nutzung der Homepage durch Mitarbeiter/innen im Arbeitsalltag zu Irritationen führte – und damit das künstlerische Ziel erreichte. Eine Besuchszählung im Netz muss gut durchdacht und abgestimmt erfolgen, um Relevanz zu haben. Man sollte das nicht anlassbezogen und überhastet machen, auch wenn es zurzeit gute Gründe gibt, sich solche Gedanken zu machen.

AB: Es hat schon viele Veränderungen gegeben. Julia Kaginsky bringt es sehr gut auf den Punkt: „…for a long time, most museums saw success as traffic to their websites, but we’re redefining that charge as traffic to the museum’s content, no matter where that content is.“

Socially Distanced

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KB: „Social Distancing“ ist ein neuer Begriff, der vielleicht nicht nur das Jahr 2020 für viele Menschen prägen wird. Zum ersten Mal bewusst gehört habe ich den Begriff wohl Anfang März, als das Corona-Virus plötzlich als ernst zu nehmender Krankheitserreger an meinem Horizont auftauchte. Schon von Anfang an trug der Begriff ein Echo mit sich, das multiple Bilder von Nähe und Distanz, von aktiver Segregation und sozialen Klüften aufmachte. Denen nachzugehen interessiert mich. Und zwar aus der wandelnden Perspektive von vor und in Zeiten von Corona. Die Künstlergruppe zweintopf haben schon 2018-19 zu den Klüften und Grenzen eine beeindruckende, rasend schnell ablaufende Kompilation von privaten Aufnahmen von Grenzzäunen aus dem Internet geschaffen. Als Flicker-Movie aus vielen hundert Maschendrahtbildern hinterlässt es ein beeindruckendes Nachbild der Angst vor Annäherung auf unserer Retina, die heute, anders als es etwa 2015 zur Migrationswelle gewesen wäre, vor allem Assoziationen von Ängsten gegenüber dem Unsichtbaren und dem allgemein Anderen aufmacht.

KH: Die Ereignisse und das „Social Distancing“ der letzten Wochen haben unsere Gesellschaft verändert, und unseren täglichen Umgang miteinander. Selbst jetzt, nachdem das große Desaster zumindest in Österreich ausgeblieben ist und die Maßnahmen gelockert wurden, fehlt es an Unbefangenheit, wenn wir auf Menschen treffen, die nicht mit uns in „einem gemeinsamen Haushalt“ leben. Immer wieder wurden und werden wir angehalten, Abstand zu halten, daheim zu bleiben, uns zu isolieren.

KB: Schon in Giovanni Boccaccios Il Deacamerone fliehen sieben Frauen und drei Männer 1348 vor der in der Stadt wütenden Pest in die ländlichen Hügel von Florenz. Heute würde man sagen, man weiß also schon lang von der Wirksamkeit räumlicher Distanz. Tatsächlich ist ja auch das Wort Quarantäne ein italienisches und bezeichnet die 40-tägige Dauer des Festhaltens einlaufender Schiffe vor dem Hafen von Venedig, wenn ein Pestkranker mit an Bord war. Die Distanz, die Boccaccio für seine Figuren von der Krankheit für einige Tage am Land beschreibt, ist aber eine, die Abstand nicht nur zur Krankheit und deren Gefahr, sondern auch Abstand zu sozialer Kontrolle und gesellschaftlichen Konformitäten schafft.

Bei Boccaccio wird das Leben in der und durch die Auszeit neu definiert: Freie Liebe, Kirchenkritik und das Erstarken eines neuen Selbstbewusstseins werden klug in die Novellensammlung verpackt. Den eigenen Raum als Freiraum zu erfahren ist eine der Aspekte gewesen, den ich nicht selten von Freunden und Bekannten als befreiende Erfahrung der Krise gehört habe. Künstler, die den Weg zum stillen Studio genossen, Freundinnen und Freunde, die endlich Zeit ohne Arbeitsdruck mit ihren Kindern erfuhren; viele, die berichteten, dass auf den immer gleichen Spaziergängen das erste Mal ganz bewusst eine ganze Jahreszeit in ihrer Entwicklung wahrgenommen wurde. Diese durchaus privilegierten Wahrnehmungen dürfen aber nicht davon ablenken, dass viele auch davon berichteten, dass ihnen die Decke auf den Kopf fällt, dass sie zu allein, oder eben viel zu eng leben mussten, und dass Dinge, die man im Alltag durch aus-dem-Weg-Gehen oder Ablenkung und eben Abstand lösen kann, plötzlich unlösbar schienen.

KH: Das Perfide an der Abstandsregelung ist, dass Menschen in Notsituationen normalerweise dazu tendieren, Hilfe und Schutz bei anderen zu suchen, sich zu trösten und trösten zu lassen, jemandem nahe zu sein. Das ist in der Biologie des Menschen so angelegt – in Stress- und Gefahrensituationen brauchen wir andere. Dass Einsamkeit auch ein wesentlicher Faktor ist, der Krankheiten – vielleicht nicht Covid19, aber viele andere wie Herz-Kreislauf-Störungen, Diabetes und Depressionen – begünstigt, wenn nicht sogar auslöst, ist ebenso bekannt wie die Verbreitung des Coronavirus über soziale Kontakte.

Tatsächlich löst Einsamkeit im Gehirn ähnliche Signale aus wie Hunger. Ich frage mich, was auf lange Sicht passiert, wenn wir diesen natürlichen Impuls missachten. Wie sich das auf die Gesundheit auswirkt, und wie auf das soziale Verhalten – gerade bei Kindern. Ich schätze, um das beurteilen zu können, wird es noch Jahre und viele Studien brauchen…

KB: Wie die Menschen mit der Unsicherheit und der Angst der letzten Monate umgehen, kann man, finde ich, gerade jetzt zu den Lockerungen recht gut beobachten, wenn plötzlich nach der langen Stille und der Zeit des Gehorsams etwa Verschwörungstheorien aufblühen und Schuldige für die Einschränkungen und Übergriffe auf gesellschaftliche Freiheiten oder Ungerechtigkeiten – wie in den rassistischen Übergriffen – gesucht und gesühnt werden wollen.

KH: Gesellschaftliche und körperliche Nähe bzw. Distanz und zugehörige Fragen um Sicherheit und Freiheit sind ja Themen, die nicht erst seit ein paar Wochen virulent sind. Das haben wir ja auch auf der Suche nach künstlerischen Arbeiten für unsere Katzenbaum-Präsentation socially distanced gemerkt. Oft – wie bei Brigitte Pokorniks Himmelhölle-Spiel (REM, 1985) oder René Stessls Gemeinsam (2014) – ist es aber gerade die Beteiligung und die Interaktion mit anderen, die die künstlerische Arbeit ausmachen. Der Witz dabei ist, dass man vor dem vollen Teller „verhungert“, wenn nicht das Gegenüber einen mit einem zu lange geratenen Löffel Essen in den Mund schiebt. Bei Friedl Kubelkas Bildern von Franz West ist es genau umgekehrt: Für West waren die Passstücke, diese wie verlängerte Körperteile wirkenden, tragbaren Skulpturen, Sinnbilder von Neurosen oder Prothesen. Missbildungen oder Krankheiten, die andere Menschen im Leben meistens auf Distanz bringen.

Brigitte Pokornik, “Himmelhölle-Spiel”, 1985

René Stessl, “Gemeinsam”, 2014

KB: Ja, Wests Passstücke als Instrumente der Köpererweiterung waren ein wesentlicher Beitrag, den Umraum und die eigene Prädisposition als Beitrag zur Wahrnehmung einer Wechselwirkung zwischen Objekt und Subjekt, zwischen mir und dem Anderen zu empfinden. Man hat sich mit den Passstücken einen Raum genommen, sich inszeniert und auch real Platz geschaffen. Und genau das ist ja auch das Thema dieser Zeit: Platz. Für sich und für andere.

Verdichtete Städte und Platzbedarf ist ein Thema das über Covid-19 neu gesehen wird. Hermann Knoflacher hat schon in den 1980er Jahren mit seinem wunderbaren Stehzeug, einer Art überdimensionalen Reifrock in Parkplatzgröße, über den Platzbedarf und die Raumverschwendung in Städten nachdenken lassen. Wieviel Platz dürfen wir und unserer Bewegungsfreiheit bzw. Mobilität beanspruchen? Wenn es zwei Meter Abstand in Zukunft bleiben, dann müssen wir Tage der Bewegung und Tage des Stillstehens und Zuhausebleibens für alle einführen. Sonst sind die Städte, die Bahnhöfe, die Flugplätze – ja, wie Welt ganz allgemein – deutlich zu dicht. Dass das, nebenbei gesagt, gut für die Umwelt wäre, klingt bei Knoflacher eben auch schon an.

Hermann Knoflacher, “Gehzeug”, 1975

KH: Wusstest du, dass nicht nur Covid-19, sondern auch Einsamkeit ansteckend ist? Ich habe das gelesen, und irgendwie klingt es sehr logisch. Wenn man sich beispielsweise in seiner Beziehung einsam fühlt – denn Einsamkeit bedeutet nicht immer, dass man auch alleine ist, sondern dass gewisse Bedürfnisse nicht erfüllt werden – dann zerbricht die Beziehung nach und nach, selbst wenn die Beziehung eigentlich glücklich ist. Offenbar ist das Bedürfnis nach Nähe nicht bei allen Menschen gleich stark ausgeprägt. Deshalb ist es für den anderen manchmal schwer nachvollziehbar, wieso sich der Partner zurückzieht, obwohl doch eigentlich „alles passt“. Das veränderte Verhalten färbt dann auf das Umfeld ab – die Einsamkeit wird also ansteckend.

KB: Dazu hat Aldo Giannotti in seinem Virus Diary, das er als Tagebuch zur Verarbeitung und gegen das Vergessen seit dem Lockdown führt und regelmäßig auf Instagram postet, ein paar wunderbar pointierte Bilder geschaffen. Statt vor dem vollen Teller zu verhungern, vereinsamen die Menschen – wenn sie Angst voreinander haben müssen – vor dem Screen und in vollen Mietshäusern. Wand an Wand. Mit der Arbeit von Ingrid Wiener, von der wir eine der Träume hier ausstellen, zeigt sich die Kehrseite der räumlichen Nähe, wenn in der beschrieben Situation Einsamkeit und Klaustrophobie auch mitten im sozialen Umfeld des Museums, mitten unter Menschen zugreifen kann.

KH: Schon vor Corona war von einer „Epidemie der Einsamkeit“ die Rede. Fast die Hälfte aller Haushalte in Nord- und Mitteleuropa sind Ein-Personen-Haushalte. Ich frage mich, ob diese Pandemie unter anderem bewirkt, dass die Menschen vermehrt ihre Wohngewohnheiten überdenken. Wenn schon nicht aus ökologischen Überlegungen heraus, dann vielleicht aus sozialen. Wäre es nicht besser – gerade für Ältere –, in Wohngemeinschaften zu leben, als darauf zu warten, dass einen die Kinder und Enkelkinder besuchen kommen? Besuche, vor denen zudem unsere Bundesregierung derzeit noch immer abrät.

KB: Wie sich diese Aufforderung zur Distanzierung auf den Museumsraum auswirkt und wie das Museum seit dem Lockdown vermehrt auch auf den Digitalen Medien seinen „Ausstellungsraum sucht – und wie wir etwa mit dem wunderbar leichtfüßig daherkommenden Projekt Performance Homework von Michikazu Matsune auch gefunden haben – wird sich erst noch zeigen. Das Museum als „Safe Space“, als Labor fürs Reflektieren und Ordnen, fürs Herausfordern und Sammeln gesellschaftlich relevanter Themen breitet sich – nach Peter Weibel – nun endlich in die lang beschworene und notwendige Ferngesellschaft aus, die über Telekommunikation seine Vernetzung und „Nähe“ findet.

KH: Ich bin gespannt, ob sich die Pandemie auf lange Sicht auf unsere Höflichkeits-Etikette auswirken wird. Wird es sich vielleicht sogar umkehren und als unhöflich ausgelegt, jemandem bei der Begrüßung die Hand zu geben? Ist das eventuell das Ende der Bussi-Bussi-Gesellschaft? Wieviele Leute haben wir wohl schon gebusselt, zu denen man lieber Distanz gehalten hätte? Das wäre doch ein positiver Aspekt an der ganzen Sache – diesen gesellschaftlich aufoktroyierten Zwang aufzuheben.

Was ist die BIX?

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BIX und Inhalte

Elisabeth Schlögl (ES): Vor gut einem Jahr war der Medienkünstler Onur Sönmez im Kunsthaus zu Gast und sein Satz geht mir nicht mehr aus dem Kopf: „There is a lack of content. They install them and then what?“ (siehe Blogbeitrag, 29.04.2019). Er bezog sich auf die Installierung sogenannter Medienfassaden an Kunst- und Kulturhäusern, die in der Regel nicht wie herkömmliche Medienfassaden an Stadthallen oder öffentlichen Plätzen für Werbezwecke eingesetzt werden.

Barbara Steiner (BS): Onur Sönmez hat recht. Ich kann mich noch erinnern, als in den 1990er-Jahren die ersten „Medienfassaden“ installiert wurden. Es war ein regelrechter Hype, die Erwartungen waren enorm. Aber komischerweise nicht den Inhalt betreffend, sondern in Bezug auf das, was sie technisch können oder können sollen. Diese Fokussierung auf die Technik hatte schon auch kommerzielle Begehrlichkeiten im Blick, denn viele dachten sofort an Sponsoring, daran, dass kommerzielle Botschaften möglichst gut sichtbar sein sollten. Als inhaltliches Tool – also für Künstler/innen – wurde es nicht in erster Linie gedacht. realities:united haben unsere BIX von Anfang an in erster Linie als künstlerisches Tool gesehen.

ES: Ich meine nicht, dass unsere BIX-Projekte diesen inhaltlichen Mangel aufweisen. Wir docken die BIX-Projekte an das inhaltliche Programm an. Ich verstehe die BIX – wie realities:united auch – als ein Tool, um unser Tun in den Stadtraum zu erweitern. Und damit meine ich natürlich nicht, die Ausstellung oder eine Veranstaltung mittels Text anzukündigen. Es gab seit 2003 viele BIX-Projekte, die Teil einer Ausstellung waren – in dem Sinne, dass eine Künstlerin oder ein Künstler der jeweiligen Ausstellung eingeladen wurde, auch die BIX-Fassade zu „bespielen“. Des Weiteren gab es eine Reihe von Projekten, die das Medium BIX formal reflektierten und Site-specific-Werke produzierten. Daneben stehen einige interaktive Projekte, die Passantinnen und Passanten einluden mitzugestalten, was auf der Fassade sichtbar wird  – man findet das alles in unserem Webarchiv. Und trotz alledem gebe ich Onur Sönmez auch bei unserer BIX mit seiner Behauptung Recht, wenn er sagt: „there is a lack of content“. Denn welche dieser inhaltlichen und formalen Konzepte nehmen Passantinnen und Passanten wahr, wenn sie mit Einbruch der Dämmerung auf die leuchtende Fassade schauen?

BIX-Fassade, LichtTelegramm,, Foto: Universalmuseum Joanneum/N. Lackner

BS: Nun, die Passantin oder der Passant sieht zunächst etwas, das sie oder er dem eigenen Erfahrungshorizont entsprechend verortet. Und das fällt vermutlich sehr unterschiedlich aus. Wir wissen also nicht, wie viel von dem, was der Künstlerin oder dem Künstler wichtig ist, auch ankommt. Das ist aber bei anderen Kunstwerken letztendlich auch so. Was ich sehe, ist, dass auf der BIX keine Werbung läuft. Ich sehe auch, dass die Auflösung sagen wir mal „grob pixelig“ ist – inzwischen sind ja schon einige Punkte aus Altersgründen ausgefallen –, dass diese „Medienfassade“ ziemlich „outdated“ ist. Und das war sie ja absichtsvoll bereits 2003: geringe Auflösung und der Verzicht auf Farbe. Es wird mir eben kein mediales Spektakel geboten. Und das macht einen riesigen Unterschied. Die BIX sollte immer kommerziell unattraktiv sein, und das ist sie auch. Das macht sie aber für Künstler/innen umso spannender, weil die BIX ein Gegenüber ist, auf das man sich einlassen muss – ein Sparring-Partner für diejenigen, die dort etwas machen wollen. Das führt zu dem, was man sieht, und das ist nicht vergleichbar mit dem, was auf Medienfassaden üblicherweise läuft. Diese Erfahrung der Differenz ist wichtig.

BIX und Differenzierungsschwierigkeiten

ES: Ich rede gerne mit Menschen über die BIX-Fassade. Viele haben ein Bild von ihr im Kopf. Nicht wenige sind erstaunt darüber, dass es künstlerische Projekte sind, die wir an der Kunsthausfassade zeigen. Vor ein paar Monaten erschien die Studie „Signaling Smartness: Smart Cities and Digital Art in Public Space“, die untersuchte, inwiefern digitale Kunstwerke im öffentlichen Stadtraum als wesentliche Vorzüge einer Smart City anerkannt werden. Als Beispiel wurde die BIX herangezogen, es wurde sogar in Graz dazu empirisch geforscht. Selbst diese Wissenschaftlerin, die sich eingehend mit dem Kunsthaus beschäftigte, hatte Differenzierungsschwierigkeiten. Ihr gelang es nicht zu unterscheiden, was die BIX zur BIX macht. Das heißt, dass sie einerseits aus der Infrastruktur besteht (Küchenlampen hinter Kunststoffplatten auf der Fassade, Strom, eine Software), die realities:united konzipierten, und künstlerischen Arbeiten, die abwechselnd an der Fassade gezeigt werden. Ich echauffiere mich keinesfalls darüber. Ich habe Verständnis dafür und kann es sehr gut nachvollziehen, dass diese Differenzierung nicht wahrgenommen werden kann.

BS: Ist das nicht das Spannende? Dass die BIX selbst ein künstlerisch-architektonisches Projekt ist, das von anderen künstlerisch genutzt werden kann? Dass realities:united die Grundlagen so angelegt haben – keine Farbe, kein LED, keine hohe Auflösung –, dass tatsächlich alle, die mit der BIX arbeiten, immer wieder an diese Grundlagen herangeführt werden, sich damit befassen müssen? Das kommt ihrem Gedanken einer Grundlagenforschung, den sie sich für die BIX wünschten, schon sehr nahe.

ES: Dass realities:united auf die beste technische Umsetzung verzichteten, um die BIX möglichst unattraktiv für Werbezwecke zu machen, führte auch dazu, dass das, was auch immer an der BIX gezeigt wird, nicht erkennbar ist – außer Schrift, dafür braucht man aber ausreichend Zeit und Geduld, was im Stadtraum selten gegeben ist. Gegenständliches wird abstrakt. Abstraktes bleibt abstrakt. Der Auftrag von realities:united ist es, anhand der BIX zu untersuchen, wie ein Werbemedium wie eine Medienfassade künstlerisch und kommunikativ anders genutzt werden kann.

BS: Ich denke, dass diese Vorgabe reizvoll sein kann, weil es Einschränkungen gibt. Vor Kurzem kam mir ein Bild unter, bei dem ein Bildredakteur einer Zeitung das undeutlich erkennbare Wort „Danke!“ offensichtlich grafisch nachbearbeitet hat, sodass es deutlicher lesbar wurde. Man war offensichtlich unzufrieden mit der Leistung der BIX. Ich denke, es ist nötig, sich als Künstler/in mit den Einschränkungen zu befassen. Nur dann kann das Ergebnis spannend sein.

ES: Tatsache ist aber auch, dass die BIX doch immer wieder für Ankündigungen oder sogenannte „Botschaften“ verwendet wird. Häufig „unterbrechen“ diese Ankündigungen, zum Beispiel Laufschriften, künstlerische Projekte. Die Passantin oder der Passant, sollte sie oder er sich zwei Minuten Zeit nehmen, um vor der Fassade stehenzubleiben und mitzulesen, unterscheidet nicht, ob es eine Ankündigung oder ein künstlerisches Projekt ist. Ich glaube, dass es hier eine kontinuierliche Trennung braucht, das sind wir allen künstlerischen Projekten schuldig. Ganz gleich, ob Werbung oder Nicht-Werbung über die Fassade läuft: Wenn Passantinnen und Passanten nicht erkennen können, was zu sehen ist, was spielt es dann für eine Rolle? Wer schaut auf unserer Webseite nach, um zu erfahren, was auf der Fassade zu sehen ist? Interessiert es die Menschen überhaupt, was da oben läuft?

BS: Ich teile deine Einschätzung, dass Ankündigungen oder Botschaften auf der BIX, die keine künstlerische Arbeiten sind, dort keinen Platz haben sollten. Es ist ein Prozess, auf unsere Kooperationspartner einzuwirken, die BIX ausschließlich künstlerisch zu nutzen. Im einen oder anderen Fall waren wir durchaus schon erfolgreich. In den letzten Jahren haben wir die BIX wieder mehr in Richtung Kunstprojekte gezogen. Ich würde mir wünschen, dort nur Kunstprojekte laufen zu lassen.


BIX und Menschen

ES: Klaus Pröpster, der das Projekt Dein Name auf der Kunsthausfassade umsetzte, meinte, dass die BIX dann Aufmerksamkeit bekommt, wenn sie etwas mit den Menschen zu tun hat. Die Idee, Menschen einzuladen, ihren Namen auf die Fassade des Kunsthauses zu schreiben, ist super simpel. Das Projekt ist auf großes Interesse gestoßen. Die Zeitslots, die vergeben wurden, um seinen Vornamen über die BIX zu schicken, waren innerhalb weniger Tage ausgebucht. Ich mochte den Zuspruch und die Aufmerksamkeit, die dieses Projekt bekam. Es gab auch einen inhaltlichen Link zur damals aktuellen Ausstellung von Jun Yang, der unter anderem Identität, Künstlersubjekt, Einzigartigkeit, Authentizität thematisierte. Spätestens seit dem BIX-Projekt von Klaus Pröpster frage ich mich, was hat die BIX – was hat das Kunsthaus – mit den Menschen zu tun? Was können wir machen, damit sich die Menschen dafür interessieren, was auf der BIX – und damit am größten Medienscreen der Stadt – läuft?

Katia Huemer: Ich glaube, das Namensprojekt ist ein gutes Beispiel dafür, dass die einfachsten Ideen, gepaart mit einem interaktiven Element, auf der BIX am besten funktionieren. Das hat meiner Meinung nach mehrere Gründe: Zum einen, weil – wie du ja sagst – die Menschen nicht lange davor verweilen, um sich Kunstprojekte anzusehen, die meisten nehmen die Fassade im Vorbeigehen war. Wenn also nicht schnell und klar erkennbar ist, was da gerade läuft, beschäftigt sich niemand damit. Das andere ist eben die von realities:united so gewollte technische Simplizität – an/aus, hell/dunkel, große Pixel. Daraus ergibt sich ein schematisches Bild. Mehr kann die Fassade nicht und soll sie auch nicht können. Das Konzept hat gute Gründe, schränkt aber natürlich auch ein, denn ein komplizierter aufgebautes Bild kann nicht wahrgenommen werden, Farben und Ton gibt es auch nicht. Und drittens: Wer träumt nicht davon, sich einmal in irgendeiner Form groß und auffällig in den Stadtraum einzuschreiben?

Martin Grabner: Spannend und erwähnenswert ist doch, dass die BIX als das materiell statischste und immobilste Element des Kunsthauses jetzt, da alle Ausstellungen Corona-bedingt schließen mussten, der einzige physische Ort bleibt, an dem visuelle Kunst kommuniziert werden kann. Und gemeinsam mit den permanenten Klanginstallationen am Kunsthaus und den temporären Arbeiten von Bill Fontana einen multisensualen Kunstort im Stadtraum etabliert. Den einzigen derartigen Ort der Stadt.

BIX und Zukünftiges

ES: Ich blieb mit Onur Sönmez in Kontakt und habe ihn eingeladen, ein Projekt für die BIX zu machen. Seine erste Idee ist es, den Strom für die BIX mittels Sonnenenergie zu erzeugen. Das hätte zur Folge, dass die BIX nur dann leuchtet, wenn genug Strom produziert wurde. Diese Idee streift Themen wie Klimawandel und Lichtverschmutzung, aber auch die Selbstverständlichkeit von Licht in der Stadt. Mir gefällt die Idee. Tatsächlich ist es so, dass mein Kollege Andreas Graf, der die BIX technisch betreut, Anrufe erhält, wenn sie mal nicht an ist. Das heißt, es gibt die Erwartung, dass auf der Fassade etwas läuft. Wenn ich abends auf dem Schlossberg bin und auf die Stadt schaue, ist das Kunsthaus mit der leuchtenden BIX der Eyecatcher – ok, ich bin nicht ganz unvoreingenommen … Ist es den Menschen wirklich egal, was auf der Kunsthausfassade zu sehen ist? Was wäre, wenn wir ein halbes Jahr lang Zeitslots verkaufen würden, in denen die Menschen bestimmen könnten, was zu sehen ist? Mit den Einnahmen würden wir für die zweite Jahreshälfte neue BIX-Projekte finanzieren. Es wäre ein waghalsiges Projekt und trotzdem reizt es mich.

Onur Sönmez, Foto: Ines Handler

BS: Ich finde den Vorschlag von Onur Sönmez hervorragend, dass die BIX nur dann leuchtet, wenn genug Strom produziert wird, genau wegen der von dir erwähnten Selbstverständlichkeit, nicht nur von Licht in der Stadt, sondern auch der BIX selbst. Sie ist ein wenig wie ein Verwandter, mit dem man sich nie wirklich unterhalten hat, der aber fehlt, wenn er plötzlich nicht mehr zu den Familientreffen kommt. Da die BIX ja inzwischen saniert werden muss, und das ziemlich teuer wird, kann es gut sein, dass sie einmal von heute auf morgen dunkel bleibt. Deshalb gefällt mir auch deine Idee mit den Zeitslots. Vielleicht müssen wir sogar bald darauf zurückgreifen. Und wir könnten kommerzielle von künstlerischen Projekten zeitlich klar trennen. Reizvoll erscheint mir, dass kommerzielle Botschaften niemals wirklich überzeugend funktionieren werden – wegen der Einschränkungen, die realities:united eingebaut haben.


Kinshasa-Bayreuth

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Barber Pop

Barber Pop erweitert unseren Fokus auf populäre Kunst im Kongo um Positionen in anderen afrikanischen Ländern. Die gezeigten Werke kommen aus dem Bestand des Iwalewahauses und umfassen ein breites Spektrum: von Friseurschildern über Darstellungen von Erkrankungen, medizinischen Behandlungen, kriegerischen Konflikten bis hin zu Popmusik und Filmen aus Nollywood (das nigerianische Pendent zu Hollywood). Die vielen Friseurschilder (aus Barber Shops) in der Sammlung des Iwalewahauses waren im Übrigen titelgebend.

 

Die Friseurschilder aus Barber Shops

Mega Mingiedi

Die Ausstellung von Mega Mingiedi geht auf ein Stipendium zurück, das er im Rahmen von Congo Stars erhielt. Er arbeitete von Mitte Juni bis Mitte Juli als Artist in Residence am Iwalewahaus. Seine Einzelausstellung trägt den Titel Kinshasa-Bayreuth und besteht aus einer vor Ort entstandenen großformatigen Wandarbeit, Filmen sowie älteren Collagen aus der Sammlung des Iwalewahauses.

Die Verknüpfung zweier unterschiedlicher Welten

 

Mit Kinshasa-Bayreuth führt Mingiedi äußerst anschaulich vor Augen, wie sehr Teile der Welt heute miteinander verknüpft sind, auch wenn sie Tausende Kilometer voneinander entfernt sein mögen. Bilder, Werbeslogans, Busfahrkarten, Flaschenetiketten, Musik und dazwischen immer wieder Kommentare des Künstlers zirkulieren im virtuellen Netz zwischen Bayreuth und Kinshasa und verweben kulturelles Erbe, Politik, Migration und Konsum. Mingiedi macht darüber hinaus deutlich, dass es in dieser globalisierten Gegenwart reichlich Asymmetrien und Abhängigkeiten gibt, was Wohlstand, Perspektiven und Reisemöglichkeiten anbelangt. Eine sehenswerte Ausstellung, die durchaus nachdenklich stimmt!

 

Das Iwalewahaus

Das Iwalewahaus als Teil der Universität Bayreuth präsentiert wechselnde Ausstellungen mit zeitgenössischer außereuropäischer Kunst, vor allem aus afrikanischen Ländern. Das Haus hat den Auftrag, die Gegenwartskultur Afrikas zu erforschen, zu dokumentieren und zu lehren. Die Schwerpunkte sind neben bildender Kunst auch afrikanische Alltagskultur, Medien und Musik.

 

Fotos: Barbara Steiner

 

Ein Tag mit … Elisa Kniebeiß

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Teamleiterin Garten- und Baumpflege Abteilung Schloss Eggenberg & Alte Galerie, Referat Schloss und Park Eggenberg

Ich treffe Elisa Kniebeiß im Schlosspark Eggenberg, genauer gesagt im Planetengarten. Es ist noch früh, der Nebel hängt noch im Wald hinter dem Schloss. Das herbstliche Oktober-Orange der Eggenberger Bäume beginnt bereits den Blick auf Äste in kahlem November-Schwarz freizugeben. Sie ist mit ihrem Team mitten in der Arbeit, ein Stammgast des Parks hat sich zur Unterhaltung dazugesellt. „Erika pflanzen wir gerade nach, für die Baumscheiben, da sind wir heute beschäftigt“, erklärt sie, während sich der Besuch langsam wieder verabschiedet. Beschäftigt ist das Gartenteam jetzt im Herbst sowieso: Laub, Laub, Laub liegt ihnen buchstäblich bergeweise zu Füßen. Und das will natürlich weggeschafft werden, „damit es ordentlich ausschaut“ in dem bis ins kleinste Detail gestalteten Landschaftspark in Eggenberg. Dafür wird schon um 7 Uhr morgens angefangen, im Sommer noch früher.

Frischer Start und betagte Bepflanzung

Es ist Elisas erstes Jahr als Leiterin des achtköpfigen Gartenteams, seit Juni dieses Jahres ist sie mit von der Partie. Über das Schnuppern an der Uni, der bald entdeckten Leidenschaft fürs Gärtnern und der darauffolgenden Ausbildung im Botanischen Garten hat sie den Weg in den Schlosspark gefunden. „Das ist die Erfüllung für mich – wenn ich draußen im Garten sein kann, fühle ich mich wohl. Woran ich mich aber noch gewöhnen muss, sind die Bürotätigkeiten: Ich bin eher die Praktische als die Theoretische“, schmunzelt sie. Sichtbar wird das gleich: Nach einem Lieblingsplatz im Park gefragt, hat sie sofort eine Antwort parat, auch wenn hier so vieles wunderschön ist. Die sogenannte Skulpturenwiese neben dem Schloss hat es ihr angetan. „Die Bäume hier taugen mir voll. Ich kann gar nicht sagen, warum. Ich schaue da einfach so gerne hin!“ Beeindruckend sind sie tatsächlich, die hochgewachsenen Stroben, manche schon fast 200 Jahre alt. Hier stehen die ältesten Bäume des Parks. Das hohe Alter der Bäume macht sie auch anfällig für Krankheiten, Äste werden morsch und immer wieder müssen einige dieser Parkdinosaurier gefällt werden. Ein Anflug von Mitleid mit den alten Riesen schwingt in Elisas Stimme mit, als sie davon erzählt.

Heute werden die Baumscheiben mit Erika bepflanzt.

Tüfteln am Landschaftsgemälde

An der Skulpturenwiese entlang, vorbei am ehemaligen Wildgehege, führt der Weg durch ein schweres Tor in den Wirtschaftshof der Gärtner. Versteckt zwischen Parkmauer und Strauchwerk lagern hier aussortierte Parkskulpturen, Maschinen und Gärtnerwerkzeug neben dem Aufenthaltsraum und Büro des Gartenteams. Das Betreten des geheizten Gemeinschaftszimmers ruft dem nicht gartengeeichten Besucher sofort die herbstliche Kälte in den Fingerspitzen ins Bewusstsein. Bewundernd erzählt die Gartenleiterin von den Umbauarbeiten, die die Kollegen im Vorjahr hier durchgeführt haben. „Früher war das eine große, zusammenhängende Lagerhalle, eher ein kaltes Loch. Trennwände wurden hier eingezogen, Böden verlegt, Möbel reingestellt. Das kalte Loch wohnlich gemacht.“

Hier im Büro findet auch ein beträchtlicher Teil ihrer Arbeit statt: Beachtung der Blickachsen, Denkmalschutz, Naturschutz, historische Rekonstruktion – Platz für Lust und Laune gibt es nicht, hinter dem Erscheinungsbild des Landschaftsparks steckt sehr viel Vorbereitung und genaue Arbeit. Der Park wird streng nach Parkpflegewerk bepflanzt und gepflegt, um den historischen Charakter aufrecht zu erhalten. Wie in der Natur soll man sich hier fühlen, vom Menschen Geschaffenes, wie die Wege, sollte möglichst unsichtbar sein. „Wie ein Landschaftsgemälde – steht im Buch von Frau Dr. Kaiser!“, erklärt Elisa lachend. In dem Buch, das sie die letzten Monate über begleitet hat. Die Bewahrung und schrittweise Rekonstruktion eines historischen Schlossparks verlangt eben fundiertes Wissen über historische Bepflanzung, welche Bäume wo und in welcher Anzahl gesetzt werden dürfen etwa. Den Überblick behält sie mithilfe des Katasterplans: Jeder Baum ist hier genau markiert, nummeriert und eingetragen. Nichts wird dem Zufall überlassen: „So ein Schlosspark ist in Sachen Bürokratie schon etwas anderes als ein Privatgarten.“

Planung ist alles: der Katasterplan des Schlossparks

Verteidigung der Blumenwiesen

Zum Ausgleich vom Führen des herrschaftlichen Schlossparks betreut Elisa Kniebeiß dann gerne ganz unbürokratisch ihren eigenen kleinen Garten zu Hause. „Es sind beide meine Gärten“, strahlt sie stolz, ohne auf ein Augenzwinkern zu verzichten: „Sie müssen eben anders behandelt werden – wenn zu Hause das Laub liegt, ist mir das Wurscht.“ Die Lust am Garteln nützt sich aber nicht ab, solange die Energie da ist, wird weitergemacht. „Wenn die Sonne scheint und ich drinnen bin, fühle ich mich wie eingesperrt. Ich kann nicht lange drin sitzen.“ Raus in die Natur zieht es sie auch mit ihrem Hund, beim Geocachen oder beim Bogenschießen im Parcours gemeinsam mit ihrem Mann. „Dabei schießt man auf Kunststofftiere: Hasen, Bären, Zombies (lacht)“. Auch wenn es nach 3 Jahren Training noch nicht zur Abwehr der Zombieapokalypse reicht, hat der Eggenberger Park so zumindest eine wehrfähige Gartenleiterin für den Ernstfall.

Gegen 15 Uhr ist ihr heutiger Parkeinsatz beendet. Vielleicht wird der Garten daheim noch winterfit gemacht, eventuell aber auch einmal nur ferngesehen. Morgen wird es weitergehen mit dem Einwintern des Parks, in der dunklen Jahreszeit stehen dann noch viele Reparaturarbeiten in der Werkstatt an, bevor der Frühling wieder alles sprießen lässt. Zu wenig Arbeit wird es nicht geben. Gibt es denn einen Wunsch für die Zukunft? „Motivation im ganzen Team – der Schlosspark ist eine wunderschöne Arbeitsstelle. Und vielleicht, in ferner Zukunft, die Umsetzung einer oder mehrerer Wildblumenwiesen (lacht).“

Teamwork: Zu acht wird der Park ganzjährig in Form gebracht

Gartenleiterin Elisa Kniebeiß, wenn sie gerade nicht auf Zombiejagd ist.

 

Die ganze Stadt – Bauwelt Kongress 2019

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Der sehr gut besuchte Kongress, Foto: Bauwelt

Neue Allianzen

Die Veranstaltung widmete sich Forderungen nach neuen Zentralitäten, diskutierte Strategien für den Umgang mit Superverdichtung, ging möglichen Verbindungen zwischen Peripherie und Zentrum nach, rückte Magistralen in die planerische Aufmerksamkeit, ohne soziale Gleichheit, die vitale Rolle von Nachbarschaften, Selbstversorgung und den Umgang mit Energien und Ressourcen aus den Augen zu verlieren. Deutlich wurde während der beiden Tage, dass es heute sehr schwierig geworden ist, Stadt zu planen, einfach weil die Vorstellungen und Erwartungen von Planenden, Politik, Kommunen, Immobilienwirtschaft sowie Bürgerinnen und Bürgern sehr unterschiedlich ausfallen. Dies kam vor allem in den Vorträgen von Philipp Rode, Executive Director of LSE Cities, London, und Mike Josef, Planungsdezernent Frankfurt a. M., deutlich zum Ausdruck. Eine enorme wirtschaftliche Perforierung des öffentlichen Raums, neue mächtige Allianzen zwischen Kommunen, Fondsgesellschaften, privaten (mehr oder weniger) philanthropischen Stiftungen und Unternehmen sowie wechselseitige Abhängigkeiten machen die Situation nicht einfacher. Machtverteilungen, räumliche Gerechtigkeit und mögliche Aneignungen des öffentlichen Raums im Verständnis verschiedener Akteurinnen und Akteure stellen vor neue Herausforderungen und bedürfen neuer Allianzen.

Mike Josef, Planungsdezernent Frankfurt a. M., Foto: Bauwelt

„Top-down“ und „Bottom-up“

Beim Kongress zeigte sich, dass „Top-down“- und „Bottom-up“-Prozesse künftig verstärkt zusammen gedacht werden müssen: Auch wenn der Wunsch nach schnellerer Durch- und Umsetzung immer wieder auftauchte, wurde klar, dass die Zeiten autoritärer Planung in den meisten europäischen Ländern unwiederbringlich vorbei sind. Anregende Beispiele waren „Critical Care: Plädoyer für eine Stadt des Sorgetragens“, vorgestellt von Angelika Fitz (Architekturzentrum Wien) und „Public Space as Found – Vom Hof Vague zur Freien Mitte“ von StudioVlayStreeruwitz, ebenfalls Wien. Es zeigte sich, dass es transparent formulierte Rahmenbedingungen braucht, die Prozesse der Verständigung und Annäherung zwischen den verschiedenen Akteurinnen und Akteuren möglich machen. Für eine Gesellschaft, die zwar vielgestaltig und mehrstimmig  ist, aber dennoch Räume der Begegnung braucht.

Die Esso-Häuser brauchen dich – Flyer © Planbude / Christoph Schäfer 2017

Kunst und Stadtplanung

Mein Beitrag widmete sich partizipatorischen Kunstprojekten, die Stadtentwicklungsvorhaben begleiten. Im Unterschied zu den 1990er-Jahren sind Künstler/innen nun hellhöriger, wenn politische/ökonomische Interessen ins Spiel kommen. Die Sensibilisierung gegenüber potenziellen Einverleibungsversuchen künstlerischer Arbeit hat definitiv zugenommen. Künstler/innen setzen heute gezielt auf systemische Interventionen, suchen das direkte Gespräch mit Kommunen, Politik und Investoren und fordern klassische Planung auf verschiedenen Ebenen mit eigenen „Planungstools“ sehr kreativ heraus. Mitunter sehr erfolgreich, wie die Aktivitäten der PlanBude in Hamburg zeigen: Diese initiierte im Paloma-Viertel in Hamburg einen mehrjährig angelegten Bürger/innen-Beteiligungsprozess, der die Grundlage für den nachfolgenden städtebaulichen und hochbaulichen Wettbewerb bildete, also konkrete Effekte zeitigte.

Rotor Brüssel

Nach meinem Vortrag sprach Maarten Gielen von Rotor aus Brüssel. Wir bildeten sozusagen ein „Kapitel“ zum Thema Metabolismus, hier allgemein verstanden als „Umwandlung“, „Veränderung“. Rotor zeigt, dass Nachhaltigkeit beim Bauen möglich ist, und auch, wie überzeugend man Materialien recyclen kann. Forschen und Publizieren nehmen dabei einen ebenso wesentlichen Stellenwert ein wie das Bauen selbst. Den Abschluss unserer beiden Vorträge bildete eine Partnerdiskussion. Dabei kam die Frage auf, ob es naiv sei, an die Kraft zur (positiven) gesellschaftlichen Veränderung zu glauben, bedenkt man, dass Abhängigkeiten zwischen Kommunen und privaten Finanziers zugenommen haben und mächtige Player Richtlinien definieren, die das Gemeinwohl wenig bis gar nicht im Auge haben. Die beiden Tage betrachtend hatte ich den Eindruck, dass sich die Kräfte in einer Art prekären Balance halten, also zwischen jenen, die den Status quo fortschreiben wollen, und jenen, die sich eine Welt jenseits dessen, was ist, vorstellen können.

Partnerdiskussion mit Maarten Gielen und Barbara Steiner, Foto: Bauwelt

Kunst ⇆ Handwerk: Vom Kunsthaus Graz in die Galerie für Zeitgenössische Kunst Leipzig

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Eröffnung, vorne links im Bild: Olaf Holzapfel, Wandgestaltung/Raumkonzept: Modern Temperament, Foto: Barbara Steiner

Graz Leipzig

Konzept und Beteiligte entsprechen der Ausstellung im Kunsthaus Graz: Zeitgenössische Künstler/innen widmen sich dem Verhältnis und den wechselhaften Beziehungen von Kunst und Handwerk. Das Handwerk wird dabei als wesentlicher Bestandteil einer materiellen Kultur, kulturellen Identität und Gemeinschaft verstanden und darüber hinaus mit sozialen sowie ökonomischen Verhältnissen und Produktionslogiken in einer globalisierten Welt zusammen gedacht. Die Arbeiten zeigen ein Verständnis von Handwerk, das sich hin zu außereuropäischen Kulturen, zur modernen und zeitgenössischen Kunst, zu aktuellen Diskursen und zu digitalen Entwicklungen öffnet und Kulturtransfers über nationale Grenzen hinweg nachzeichnet. So weit zu den Gemeinsamkeiten.

Links: Plamen Dejanoff, The Bronze House, 2006-19, Wandgestaltung/Raumkonzept: Modern Temperament; Rechts: Antje Majewski, Panier de Poulet, 2017; Olivier Guesselé-Garai, Woven Line, 2017/2019, Foto: GfZK Leipzig/Alexandra Ivanciu

Räumlich entfaltet sich die Ausstellung auf komplett andere Weise, und das hat wesentlich mit dem Gebäude von as-if wien-berlin zu tun. Über die Raumzonen (es gibt keine abgeschotteten Räume) entfaltet sich ein relationales Gefüge zwischen den künstlerischen Positionen und Werken. Da sich das Gebäude über großformatige Fenster öffnet, dringt die Natur buchstäblich in den Innenraum ein. Am Beispiel von Olaf Holzapfels Reet-Installation oder von Plamen Dejanoffs Bronze House kann man sehen, auf welche Weise Künstler/innen mit Licht- und Schatteneffekten arbeiten. Modern Temperament (Oliver Klimpel/Till Sperrle) haben – auch anders als in Graz – ein Farbkonzept für die Wände entwickelt, das Anleihen bei verschiedenen Interieurs nimmt und einen gemeinsamen, gleichwohl jeweils auf die gezeigten künstlerischen Arbeiten abgestimmten Rahmen schafft.

Plamen Dejanoff, Wandgestaltung/Raumkonzept: Modern Temperament, Foto: GfZK Leipzig/Alexandra Ivanciu

Gleich und doch ganz anders

Es sind dieselben Künstler/innen, aber in drei Fällen nicht dieselben Arbeiten. Von Jorge Pardo wird eine Skulptur gezeigt, die dieser für die katholische Kirche St. Trinitatis in Leipzig anfertigte, die aber dort nie aufgestellt wurde. Der Christus am Kreuz erinnerte wohl zu sehr an eine weibliche Figur. Im Kontext einer Institution für zeitgenössische Kunst verliert sich diese religiöse Konnotation fast völlig: Man sieht in erster Linie eine abstrakte Skulptur. Und das entspricht auch genau Pardos Interesse, Objekte so anzulegen und zu präsentieren, dass diese je nach Ort mit sehr unterschiedlichen Bedeutungen aufgeladen werden können.

Jorge Pardo, Corpus, 2015, Foto: Barbara Steiner

Olaf Holzapfel, der in Graz riesige Wände aus Stroh aufstellte, entschied sich diesmal für das Naturmaterial Reet. Er hat einen offenen, aber begehbaren Raum geschaffen, der bereits von außen, wenn man auf das Gebäude zukommt, zu sehen ist. Und von Haegue Yang ist A Crated Route of Emergency. Escaping and Locking zu sehen. Ihre schwarzen Intermediates, die wir in Graz gezeigt hatten, gehen nämlich im Herbst in die Kestner Gesellschaft in Hannover. In der Galerie für Zeitgenössische Kunst wird gegenwärtig nur die „halbe Ausstellung“ aus Graz präsentiert, die „andere Hälfte“ wird in der Kestner Gesellschaft in Hannover gezeigt. Das mag ungewöhnlich anmuten, war aber von Anfang an beabsichtigt: Die Grazer Ausstellung teilt und konfiguriert sich damit an jedem Ort in spezifischer, an die Räume angepasster Weise. Es gibt sogar ein zweiwöchiges Zeitfenster und damit die Möglichkeit, Ende September/Anfang Oktober beide Teile zu besichtigen.

Was ist die BIX: BIX und Differenzierungsschwierigkeiten

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Elisabeth Schlögl: Ich rede gerne mit Menschen über die BIX-Fassade. Viele haben ein Bild von ihr im Kopf. Nicht wenige sind erstaunt darüber, dass es künstlerische Projekte sind, die wir an der Kunsthausfassade zeigen. Vor ein paar Monaten erschien die Studie „Signaling Smartness: Smart Cities and Digital Art in Public Space“, die untersuchte, inwiefern digitale Kunstwerke im öffentlichen Stadtraum als wesentliche Vorzüge einer Smart City anerkannt werden. Als Beispiel wurde die BIX herangezogen, es wurde sogar in Graz dazu empirisch geforscht. Selbst diese Wissenschaftlerin, die sich eingehend mit dem Kunsthaus beschäftigte, hatte Differenzierungsschwierigkeiten. Ihr gelang es nicht zu unterscheiden, was die BIX zur BIX macht. Das heißt, dass sie einerseits aus der Infrastruktur besteht (Küchenlampen hinter Kunststoffplatten auf der Fassade, Strom, eine Software), die realities:united konzipierten, und künstlerischen Arbeiten, die abwechselnd an der Fassade gezeigt werden. Ich echauffiere mich keinesfalls darüber. Ich habe Verständnis dafür und kann es sehr gut nachvollziehen, dass diese Differenzierung nicht wahrgenommen werden kann.

Barbara Steiner: Ist das nicht das Spannende? Dass die BIX selbst ein künstlerisch-architektonisches Projekt ist, das von anderen künstlerisch genutzt werden kann? Dass realities:united die Grundlagen so angelegt haben – keine Farbe, kein LED, keine hohe Auflösung –, dass tatsächlich alle, die mit der BIX arbeiten, immer wieder an diese Grundlagen herangeführt werden, sich damit befassen müssen? Das kommt ihrem Gedanken einer Grundlagenforschung, den sie sich für die BIX wünschten, schon sehr nahe.

ES: Dass realities:united auf die beste technische Umsetzung verzichteten, um die BIX möglichst unattraktiv für Werbezwecke zu machen, führte auch dazu, dass das, was auch immer an der BIX gezeigt wird, nicht erkennbar ist – außer Schrift, dafür braucht man aber ausreichend Zeit und Geduld, was im Stadtraum selten gegeben ist. Gegenständliches wird abstrakt. Abstraktes bleibt abstrakt. Der Auftrag von realities:united ist es, anhand der BIX zu untersuchen, wie ein Werbemedium wie eine Medienfassade künstlerisch und kommunikativ anders genutzt werden kann.

BS: Ich denke, dass diese Vorgabe reizvoll sein kann, weil es Einschränkungen gibt. Vor Kurzem kam mir ein Bild unter, bei dem ein Bildredakteur einer Zeitung das undeutlich erkennbare Wort „Danke!“ offensichtlich grafisch nachbearbeitet hat, sodass es deutlicher lesbar wurde. Man war offensichtlich unzufrieden mit der Leistung der BIX. Ich denke, es ist nötig, sich als Künstler/in mit den Einschränkungen zu befassen. Nur dann kann das Ergebnis spannend sein.

ES: Tatsache ist aber auch, dass die BIX doch immer wieder für Ankündigungen oder sogenannte „Botschaften“ verwendet wird. Häufig „unterbrechen“ diese Ankündigungen, zum Beispiel Laufschriften, künstlerische Projekte. Die Passantin oder der Passant, sollte sie oder er sich zwei Minuten Zeit nehmen, um vor der Fassade stehenzubleiben und mitzulesen, unterscheidet nicht, ob es eine Ankündigung oder ein künstlerisches Projekt ist. Ich glaube, dass es hier eine kontinuierliche Trennung braucht, das sind wir allen künstlerischen Projekten schuldig. Ganz gleich, ob Werbung oder Nicht-Werbung über die Fassade läuft: Wenn Passantinnen und Passanten nicht erkennen können, was zu sehen ist, was spielt es dann für eine Rolle? Wer schaut auf unserer Webseite nach, um zu erfahren, was auf der Fassade zu sehen ist? Interessiert es die Menschen überhaupt, was da oben läuft?

BS: Ich teile deine Einschätzung, dass Ankündigungen oder Botschaften auf der BIX, die keine künstlerische Arbeiten sind, dort keinen Platz haben sollten. Es ist ein Prozess, auf unsere Kooperationspartner einzuwirken, die BIX ausschließlich künstlerisch zu nutzen. Im einen oder anderen Fall waren wir durchaus schon erfolgreich. In den letzten Jahren haben wir die BIX wieder mehr in Richtung Kunstprojekte gezogen. Ich würde mir wünschen, dort nur Kunstprojekte laufen zu lassen.

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