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„So weitet sich die Welt …“ – Peter Roseggers Kinder auf Reisen

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„Einen Sohn habe ich, den zieht`s nach dem sonnigen Süden, wo er schon einmal im Lande der Pharaonen gelandet ist. Einen Schwiegersohn habe ich, den Marinär, der hat zweimal die Reise um die Welt gemacht und soll demnächst die dritte antreten. Sein Bruder kam erst vor wenigen Tagen aus Japan zurück, erzählt uns davon manchen Abend, ohne übrigens viel Aufhebens zu machen. So weitet sich die Welt und so engt sich der Erdball.“

Roseggers älteste Tochter Anna unternahm 1906 eine Schiffsreise nach Spitzbergen. Sie war das zweite Kind des Autors und seiner ersten Frau Anna Pichler. Wenige Tage nach ihrer Geburt am 4. März 1875 starb die Mutter an einer Bauchfellentzündung. Für Rosegger ein kaum zu verkraftender Schicksalsschlag. Jahre später hielt er fest:

„Naturgemäß ist es der ersehnte Erstgeborene, der den schwersten Stein im Brett hat, weil er Hirn und Herz der Eltern noch unbesetzt fand und sich darin das beste Plätzchen wählen und sichern konnte. Aber siehe, das Letztgeborene, es mag oft noch so unwillkommen gewesen sein, klopft nicht minder süß an das Vaterherz. Und ein Kind, dessen Leben mit dem der Mutter bezahlt werden mußte, wie rührend steht es da in seiner kleinen hilflosen Gestalt, still und bescheiden, eine lebendige Bitte um Verzeihung, daß sein Dasein das Teuerste gekostet hat. Mütter sagen, dasjenige Kind liebten sie am heißesten, für das sie am meisten gelitten hätten; so meinen vielleicht die Väter, jenes Kind sei ihnen am teuersten, welches am meisten gekostet hat.“

Anna brachte von ihren Reisen immer Andenken und andere Kleinigkeiten für die zu Hause gebliebenen Angehörigen mit. Ihren Bruder Sepp, damals schon Student der Medizin, überraschte sie einmal mit einem vollständigen menschlichen Skelett in einem Sack. Von ihrer Reise nach Spitzbergen stammt ein Souvenir, das heute im Rosegger-Museum in Krieglach zu sehen ist.

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Foto: Bianca Russ-Panhofer/UMJ

Anna reiste am 14. Juli 1906 nach Leipzig, um sich dort gemeinsam mit einer Freundin auf der „Prinzessin Victoria Luise“, dem ersten als Kreuzschiff gebauten Passagierdampfer der HAPAG (Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft), einzuschiffen. Rosegger kommentierte die Reiselust seiner Tochter in Heimgärtners Tagebuch wie folgt:

„Ich bin aus Mitteleuropa nicht hinausgekommen. Straßburg, Amsterdam, Rügen, Breslau, Budapest, Ragusa, Neapel und Mont Cenis stehen an den Grenzen der Welt, die ich gesehen habe. Der alte Bodenständler, der außerhalb seiner steirischen Berge und Wälder nicht drei Wochen lang leben kann – in seinen Kindern wächst er weit in den Raum, wie er durch sie in die Zeit, die Zukunft wächst. So soll ich nun durch die blauen Augen meiner heiteren Tochter das nördliche Eismeer, die Eisbären von Spitzbergen, den Rotschein der Mitternachtssonne schauen!“

Zwei Wochen später berichtete er:

„Heute sitzt sie in dem nebeligen Kessel der Adventbai, mitten unter Gletschern, deren blasse Wände von den abenteuerlich geformten Spitzen und Zinnen senkrecht niederfallen in das eisgesulzte Meer. Stellenweise starrt das schwarze Gestein hervor – baumlos und graslos, nur ein wenig bemoost, an den fruchtbarsten Stellen mager bestrüppt. Bewohnerschaft: Seehunde, Eisbären, Polarfüchse und Rentiere. Und Seemöven in den frostigen grauen Lüften. … Morgen wird das Mädel umkehren und so lange fahren und fahren nach dem sonnigen Süden, bis sie angelangt sein wird in dem grünen, lieblichen Garten der Steiermark. Und dann sind wir um dreißig Breitengrade größer geworden.“

Nach ihrer Rückkehr bat Rosegger seine Tochter, ihre Erlebnisse im Heimgarten zu veröffentlichen. Mit den Leserinnen und Lesern wollte Anna ihre Erfahrungen zwar nicht teilen, hielt diese jedoch für ihren Vater in einem Reisetagebuch fest. Auf der letzten Seite widmete sie der „Prinzessin Victoria Luise“ ein schwermütiges Gedicht. Schwermütig deshalb, weil das 1900 vom Stapel gelaufene Kreuzfahrtschiff bereits 1906, nur wenige Monate nach ihrer eigenen Reise, durch einen Navigationsfehler vor Jamaica auf Grund gelaufen und gesunken war.

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Anna Rosegger, Foto: UMJ

Von ihrer Reise nach Spitzbergen brachte Anna Teile eines Rentiergeweihs mit, das mit einfachen Ritzungen versehen ist. Darin versteckt sich ein kleines Messer. Dieses Souvenir befand sich bis vor Kurzem im Sterbezimmer des Dichters und wird nun im neuen Ausstellungsraum des Rosegger-Museums gezeigt.


Ein Stachelschwein, das begeistert! Wunder Tier Teil 12

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Im Jahr 1958 kam durch eine großzügige Schenkung des Philosophen und Universitätsprofessors Dr. Konstantin Radakovic unter zahlreichen Graphiken eine kleine Federzeichnung mit der Darstellung eines Stachelschweines in unser Kupferstichkabinett. Im Inventar wurde dieses Blatt als „Französisch, 18. Jahrhundert“ geführt. Wegen der exakten lateinischen Bildunterschrift Hystrix cristata Linn wurde bereits vermutet, dass die Zeichnung als Illustration für ein naturwissenschaftliches Werk gedient haben muss. Wer die Zuordnung vorgenommen hat, ist heute nicht mehr nachvollziehbar. Um sie zu untermauern  – oder doch auf eine andere Fährte zu gelangen –, wandte ich mich an die Expertin für französische Zeichnungen in der Albertina in Wien, Frau Dr. Claudia Ekelhart-Reinwetter, die mir dankenswerterweise wertvolle Hinweise gegeben hat: Sie bestätigte die stilistische Einschätzung und verwies mich auf Jacques de Sève (tätig um 1742–1788) und seine zahlreichen Tierdarstellungen.

Eine heiße Spur

De Sève schuf hauptsächlich Vorzeichnungen von Vierfüßlern für die sogenannte Histoire Naturelle von Georges-Louis Leclerc, Comte de Buffon. Die Histoire Naturelle war ein engagiertes Projekt von Leclerc und enthielt das gesamte naturwissenschaftliche Wissen dieser Zeit. Von 1749 bis 1804 erschienen insgesamt 36 Bände.

Die folgenden Recherchen zeigten, dass die Wiener Kollegin mich genau in die richtige Richtung geschickt hatte. Noch am selben Tag konnte ich den Druck zu unserer kleinen und so feinen Zeichnung finden – klein deshalb, weil sie in natura gerade einmal 7,6 x 6,2 cm groß ist. Der französische Antiquitätenhändler Sylvère Carlier von Talant nahe Dijon bot ein Blatt im Internet an, das unser Haus nun erwarb. Die Radierung des Stachelschweins befindet sich im 1782 erschienenen ersten Band der Encyclopédie Méthodique, einer aktualisierten Ausgabe der Histoire Naturelle.

Dass es sich tatsächlich um die Vorzeichnung des Druckes handelt, zeigt nicht nur die exakte Übernahme der Stachelstruktur und des Körpers, sondern auch die Wiedergabe der Nuss, die das Tier zwischen den Vorderpfoten hält, sowie der im Vordergrund hinzugefügte Holzzaun.

Anonym, Stachelschwein, Detail aus: Encyclopédie Méthodique. Histoire naturelle des Animaux, Paris 1782, Radierung, 19 x 25,5 cm, Alte Galerie, Inv.-Nr. 2016/1

Anonym, Stachelschwein, Detail aus: Encyclopédie Méthodique. Histoire naturelle des Animaux, Paris 1782, Radierung, 19 x 25,5 cm, Alte Galerie, Inv.-Nr. 2016/1

Die Zeichnung und der dazugehörige Druck sind zurzeit im Rahmen des Schwerpunkts „Wunder Tier“ in der Graphikvitrine der Alten Galerie ausgestellt. Nutzen Sie einen Besuch in der Alten Galerie, um an dieser kunsthistorischen „Detektivarbeit“ teilzuhaben  – nur noch bis 30. Oktober!

 

THE BIG DRAW GRAZ 2016 – Ein Nachbericht vom Zeichengedicht

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Auf die Plätze, fertig – ZEICHNEN!

Bei vielen unterschiedlichen Stationen konnten sich die Zeichenbegeisterten nach Lust und Laune gestalterisch austoben, ihrer kreativen Fantasie freien Lauf lassen und sich von unseren vor Ort anwesenden Künstlern, wie zum Beispiel Gerald Hartwig oder Roman Klug, inspirieren und unter die Arme greifen lassen. Einige Eindrücke vom „großen Zeichnen“ finden sich in unserer Galerie:

P.S.: Es ist noch nicht (ganz) vorbei!

Bis 13. November kannst du deine Daumenkino- oder Loop-Machine-Trickfilme beim BIG DRAW GRAZ-Filmwettbewerb einreichen. Das Screening dazu findet am 18. November um 19:30 Uhr statt.

Vielen Dank…

…an alle unsere Kooperationspartnerinnen und -partner (Andrea Fian, asynchrome, im-nu, musikprotokoll, Ortweinschule, Kulturreferat ÖH Uni Graz + Lukas Pürmayer, Oswald Seitinger, Roman Klug, uvm.) sowie an die Kuratorinnen und Kuratoren des BIG DRAW GRAZ: Gerald Hartwig (Zeichenstrich), Monika Holzer-Kernbichler, Wanda Deutsch und Barbara Thaler sowie das gesamte Team des Joanneums!

 

Landesaufnahme(n): Ein kultur- und zeitgeschichtlicher Streifzug durch das Fotoarchiv Gleisdorf

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Mag. Eva Lassnig, die derzeit als Karenzvertretung von Mag. Sigrid Meister das Museum und Stadtarchiv Gleisdorf leitet, erzählt:

„Das Museum im Rathaus (MiR) Gleisdorf ist heute vorrangig ein Ort der Begegnung mit Kunst und Kultur. Regionale und überregionale Künstlerinnen und Künstler finden im Kellergewölbe des Rathauses eine willkommene Ausstellungsplattform.

Ein fixer Bestandteil des Museums ist auch der sogenannte „Gleisdorfraum“. Ausgehend vom Jahre 0 bis in die Gegenwart kann man an riesigen Wandtafeln die Geschehnisse in Gleisdorf, Europa und der gesamten Welt nachlesen und miteinander vergleichen. Historische Ereignisse auf einen Blick! Die Besucherinnen und Besucher haben hier auch die Möglichkeit, sich via Info-Terminal über die Museumsgeschichte, das Archivgut oder die Objekte der Sammlung zu informieren.“

Foto: unbekannter Fotograf, Rathaus in Gleisdorf mit angebautem „Josefshaus“, undatiert;

Foto: unbekannter Fotograf, Rathaus in Gleisdorf mit angebautem „Josefshaus“, undatiert;

Im Stadtarchiv von Gleisdorf befinden sich ca. 5.000 Fotopapierabzüge und rund 3.000 Kunststoffnegative (Planfilme, Rollfilme, Kleinbildnegative). Der Großteil der Aufnahmen stammt von drei Berufsfotografen, die ab dem frühen 20. Jahrhundert in Gleisdorf und Umgebung tätig waren: Franz Begsteiger, Kurt Schmidt und Fotoatelier Wugganig. Aber auch zahlreiche Fotos sogenannter Knipser (Privataufnahmen) sind Bestandteil dieses Fotoarchivs, das bereits zur Gänze digitalisiert und inventarisiert werden konnte.

Kontakt:
MiR – Museum im Rathaus
Rathausplatz 1, 8200 Gleisdorf
Tel: +43 (3112) 2601-433
museum@gleisdorf.at
www.gleisdorf.at
www.facebook.com/museumimrathaus

Die Tiermalerin

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Die Retrospektive Norbertine Bresslern-Roth. Tiermalerin in der Neuen Galerie Graz zeigt zahlreiche Arbeiten der Künstlerin und stellt ihre Bilder zusammen mit Tierpräparaten, Fotografien und persönlichen Dokumenten in einen größeren Kontext, der nicht nur eine Betrachtung ihrer Kunst, sondern auch historischer, naturwissenschaftlicher und persönlicher Aspekte möglich macht.

Mit dieser Schau schließt sich auch der Ausstellungsreigen zum diesjährigen Tierschwerpunkt des Universalmuseums Joanneum.

Norbertine Bresslern-Roth. Tiermalerin
Neue Galerie Graz, Joanneumsviertel, 8010 Graz
Dauer: 26.10.2016–17.04.2017

Konrad Freys Haus in Hart bei Graz

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Der 82-jährige Architekt begann vor ein paar Jahren mit einem neuen Projekt: sein eigenes Wohnhaus in Hart bei Graz. Auf einem Nachbargrundstück zum vormaligen Wohnhaus, das zu groß geworden war, entstand ein Gebäude, das komplett aus standardisierten Architekturelementen errichtet ist – im Grunde genommen erhältlich in jedem Baumarkt. Freys Haus ist als Prototyp gedacht, der später auch anderen zur Verfügung stehen kann. Für mich war es faszinierend zu sehen, dass es sich um ein von der Nutzung her überlegtes und höchst durchdachtes, durch und durch ökonomisches Haus handelt, das auch ästhetisch überzeugt, selbst wenn dieser Aspekt vermutlich für Konrad Frey am wenigsten im Vordergrund steht.

Ich musste sofort an die französischen Architekten Lacaton & Vassal denken. Berühmt wurde ihr Tour Bois Le Prêtre in Paris. Sie hatten das in die Jahre gekommene 17-geschossige Wohnhochhaus mit einfachsten Mitteln umgebaut, wobei der ökonomisch bestechende Umbau mit weniger Kosten auskam, als der Abriss gekostet hätte, und allen alten Bewohnerinnen und Bewohnern die Möglichkeit gab, im Haus wohnen zu bleiben.

Ökonomisches, energieeffizientes, funktional durchdachtes und sozial verträgliches Bauen – das sind aktuelle Anforderungen an Wohnungsbauten. Konrad Frey begann sehr früh sich mit diesen Themen zu befassen. Dass er sich dem Einfamilienhaus widmet, nimmt die Sehnsucht vieler Menschen ernst, in einem eigenen, erschwinglichen, energieeffizienten Haus zu wohnen.

Foto: Konrad Frey

Foto: Konrad Frey

trigon 67

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Spektakulär war das Eingangsgebäude von Eilfried Huth und Günther Domenig: ein mit halbtransparentem Kunststoff überzogener, futuristisch aussehender Pavillon. Dieser bildete den Eingang zur Ausstellung Ambiente, in deren Zentrum Raumfragen standen. Das bereits 1951 errichtete Künstlerhaus wurde intelligent in das Raumkonzept integriert. Ein Parcours führte in und durch das Haus, wieder hinaus, über die Apsis zurück und erneut ins Freie, in den sogenannten Skulpturengarten. Damit veränderte sich die Raumwahrnehmung in Bezug auf den Ort des Geschehens komplett, ohne das Haus selbst großartig umzugestalten.

Faszination trigon 67

Aus heutiger Sicht formulierten die Künstler mit ihren Installationen ziemlich abstrakte Überlegungen zu Raumfragen. Das tut der Faszination von trigon 67 keinen Abbruch; in Gesprächen mit Kolleginnen und Kollegen aus anderen Einrichtungen tauchte diese Ausgabe von 1967 immer wieder als Bezugspunkt auf. So denkt etwa Günther Holler-Schuster, Kurator in der Neuen Galerie Graz, schon lange über eine Ausstellung zu trigon 67 mit Werken aus der Sammlung der Neuen Galerie nach. Markus Bogensberger vom Haus der Architektur arbeitet in einem Forschungsprojekt die Geschichte von trigon 67 auf, verbunden mit einem Aufruf an Studierende von heute. Wir alle – und dazu gehören auch Sandro Droschl und Christian Egger vom Künstlerhaus – Halle für Kunst & Medien – haben uns gefragt, in welcher Weise man Ansätze und Überlegungen zu trigon 67 aktualisieren könnte. Welche Formulierungen würden zeitgenössische Künstler/innen heute wählen, würden sich die abstrakten Überlegungen von trigon 67 konkretisieren? Von welchen Räumen sprechen wir überhaupt?

Ein Ergebnis unserer Treffen gibt es bereits: die Entscheidung, unsere Betrachtungen auf die trigon-Ausgaben 1969, 1971 und 1973 auszuweiten, da sich bereits in diesen Ausstellungen Vorstellungen von Raum bzw. vom Umgang mit Räumen ausdifferenziert hatten.

trigon 67, Pavillion Huth/Domenig, Foto: Eckart Schuster trigon 67, Pavillion Huth/Domenig, Foto: Eckart Schuster trigon 67, Pavillion Huth/Domenig, Foto: Eckart Schuster

 

Freie Kunst versus Auftragskunst

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Ich kenne einige Fotografinnen und Fotografen, die regelmäßig  im Auftrag arbeiten und sich so ihre selbst initiierten Projekte finanzieren. Manche Künstler/innen machen in ihrer Praxis überhaupt keinen Unterschied zwischen Aufträgen und selbst initiierten Projekten. So sind etwa die „Auftragsfilme“ von Isa Rosenberger – für das Skirball Center in Los Angeles ebenso wie für das Diözesanmuseum in Wien – von den selbst initiierten Projekten nicht zu unterscheiden. Die Künstlerin macht sich den jeweiligen Auftrag buchstäblich zu eigen. Ich habe Isa Rosenberger, Anna Meyer, Tristan Schulze, Škart, Oliver Hangl, Julia Gaisbacher und Arthur Zalewski beauftragt, sich im Rahmen der Ausstellung zum steirischen herbst 2017 mit Veränderungen von einst zu heute auseinanderzusetzen. Sie untersuchen mit Mitteln des Films, der Fotografie, Performance und Malerei, was aus bestimmten Ideen und damit verbundenen Haltungen geworden ist, wie sich gesellschaftliche Ansprüche verschoben haben und was bleibt. Im Grunde genommen nehmen die Künstler/innen eine kommentierende Rolle ein: Sie schauen mit zeitlicher und medialer Distanz auf die Arbeiten der Architekten.

Foto: Oliver Hangl, Montage Alte Poststraße, 2010, © Oliver Hangl,


steirischer herbst 2017

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Veronica Kaup-Hasler wollte frühzeitig sondieren, ob das Kunsthaus auch 2017 mit dem steirischen herbst kooperieren wolle. Es stellte sich schnell heraus, dass ihre Überlegungen hervorragend zu meinem ersten großen Ausstellungsvorhaben passen, bei dem das Kunsthaus selbst Ausgangspunkt ist – konkret das Gebäude der Architekten Peter Cook und Colin Fournier, das zwischen 2001 und 2003 realisiert wurde.

Riesenkaugummi

Im Grunde genommen wird das Haus als solches das größte Exponat dieser Ausstellung sein. Davon ausgehend möchte ich einen Blick zurück in die 1960er- und 1970er-Jahre werfen, eine Zeit, in der Cook und Fournier Überlegungen zu entwickeln begannen, die bis in die Gegenwart nachwirken und sich auch im Kunsthaus selbst spiegeln. Mit wem auch immer ich spreche, das Haus ist bekannt. „Friendly Alien“, „Riesenkaugummi“, „Seegurke“ – alleine die Vielzahl der Bezeichnungen lässt schmunzeln.

Mich interessiert bei dieser Ausstellung vor allem das Verhältnis von Idee und Umsetzung: Was wird aus Ideen, wenn diese auf einen engen Zeitrahmen, technische Begrenzungen, knappe Budgets, Funktionsansprüche treffen? Welche Rolle spielen Zufälle? Vor allem Zufälle sind oft entscheidender, als man denken mag. Die Entscheidung, dass die Haut des Gebäudes blau ist, verdankt sich zum Beispiel dem Zufall, wie mir Niels Jonkhans, Mitglied im Planungsteam, erzählte. Denn nur dieses Material war zu einem bestimmten Zeitpunkt erhältlich. Erst im Nachhinein argumentierte Cook mit dem Blau der Kuppel der Franziskanerkirche. Doch ich finde, obwohl einige Vorstellungen der Architekten nicht realisiert werden konnten, beflügelt das Kunsthaus nach wie vor die Imaginationen.

Architekturnetzwerke

In der Vorbereitung auf diese Ausstellung ist mir aufgefallen, dass es eine Reihe von direkten und indirekten Beziehungen zwischen Grazer Architekten und Cook und Fournier gab und gibt. Karla Kowalski erzählte mir, dass sie wegen Archigram nach London ging (Archigram wurde u. a. von Cook gegründet), Fournier war häufiger Gast bei Manfred Wolff-Plottegg in Graz und hielt sich aus privaten Gründen immer wieder in der Steiermark auf, Konrad Frey lebte fünf Jahre in London und kannte Cook sehr gut, Bernhard Hafner unterrichtete wie Cook an der UCLA in Los Angeles, Volker Giencke beteiligte sich als Mitglied an jener Jury, die über den Bau des Kunsthauses entschied. Auch wenn die Ideen und gestalterischen Ansätze der hier Genannten sehr unterschiedlich sind, ihre Einschätzungen von „gelungener Architektur“ höchst verschieden ausfallen, verbindet sie ein Wunsch: Gesellschaft mitzugestalten. Dieser Anspruch wirkt in vielen ihrer Projekte bis heute nach. Ihre Arbeiten möchte ich parallel zu Cook und Fournier zeigen.

Peter Cook: Konrad Frey: Vision_Revision_I

Peter Cook, Zeichnung, 1999, © Peter Cook

Peter Cook: Konrad Frey: Vision_Revision_I

Peter Cook, Zeichnung, 1999, © Peter Cook

Konrad Frey: Vision_Revision_II

Konrad Frey, Aufruf an alle Grazer, Rathaus Graz, 1966, Collage, © Konrad Frey/Archiv TU Graz

Eine Stipendiatin aus Zagreb

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Nicolaus Keller berichtete von einer neuen Initiative: Stipendiatinnen und Stipendiaten aus fünf Ländern sollten jeweils Zeit in einer österreichischen Kunstinstitution verbringen, sich dort mit Kunst vor Ort vertraut machen und dann in ihren Herkunftsländern ebenfalls vom österreichischen Staat finanzierte Ausstellungen kuratieren. Die Stipendiatinnen und Stipendiaten erhalten auf diese Weise Einblicke in die Kunstszene, müssen aber keinerlei Vorgaben folgen, was sie wo in welcher Weise zeigen werden. Ich habe mich für Kroatien/Zagreb entschieden und Jasna Jakšić gefragt, ob sie Lust hätte, einige Zeit im Kunsthaus Graz zu verbringen. Sie arbeitet als Kuratorin und Archivarin im Muzej suvremene umjetnosti Zagreb. Das Museum ist gegenwärtig einer von drei Kooperationspartnern von „translocal“, einem EU-Projekt des Kunsthauses Graz. Ich selbst war im Mai 2016 zu einem Vortrag im MSU eingeladen. Als ich noch in Leipzig lebte, war Zagreb weit weg, jetzt bin ich genauso schnell dort wie in Wien.

Jasna Jakšić und Radmila Iva Janković im Archiv, Foto: Bella Rupena

Jasna Jakšić und Radmila Iva Janković im Archiv, Foto: Bella Rupena

Schloss Trautenfels

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Besonders begeisterte mich das Zusammenspiel von zeitgenössischer Architektur und Schlossgebäude. Architekt Manfred Wolff-Plottegg hatte das Schloss anlässlich der Landesausstellung „Lust und Leid – Barock“ 1992 umgestaltet. Spannend ist, wie alte Gebäudeteile mit neuen Elementen in Beziehung gesetzt werden: Unverputztes Mauerwerk aus der Barockzeit trifft auf Beton, alte Eisen- auf Industriegitter, Stahlbleche und Neonröhren. Mich erinnerten die von Wolff-Plottegg verwendeten Materialien auch an den Bergbau und die Arbeit unter Tage.  Diese Assoziation mag meinem Wissen um den Stellenwert des Bergbaus in der Steiermark geschuldet sein.

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Schloss Trautenfels mit Pürgg, Foto: Ernst Reichenfelser

Umbau mit Humor

Dem Umbau fehlt es nicht am Wolff-Plottegg’schen Humor: Die sich automatisch öffnende und schließende Eingangsglastür in gezackter Form suggeriert den Eintritt in eine Wunderwelt. Die Schiebetür zur Toilette nimmt dies auf – nun jedoch in der Anmutung einer gezackten Steintür. Die Toilettenanlagen selbst setzen das Spiel mit Schrägen, Spiegeln, Öffnungen fort. Geheimnisvolle Gänge, unverputztes Mauerwerk erwecken den Eindruck, sich in unterirdischen Gewölben aufzuhalten. Doch damit nicht genug: Spülkästen, Wachbecken, Papierhalter, im Grunde genommen die gesamte Ausstattung, werden verdoppelt und verdreifacht und lassen den Toilettengang zu einer skurrilen Erfahrung werden.

Schloss Trautenfels, Foto: Barbara Steiner

Schloss Trautenfels, Foto: Barbara Steiner

Kontraste

Architekturinteressierten kann man Schloss Trautenfels nur empfehlen: Der Kontrast von Alt und Neu sensibilisiert sowohl für die Qualitäten der barocken als auch der zeitgenössischen Architektur; sie verstärken sich wechselseitig. Apropos Architektur: Auf dem Weg durch die Dauerausstellung kommt man am Badezimmer der letzten Schlossherrin vorbei. Gräfin Lamberg ließ sich in den im späten 19. Jahrhundert ein modernes Badezimmer einrichten. Auffällig sind die überaus farbenprächtig anmutenden Fliesen, die exotische Pflanzen, Papageien, Flamingos und Schmetterlinge zeigen. Schaut man aus dem Fenster, sieht man hingegen die Landschaft des Ennstals. Welch ein Kontrast!

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Schloss Trautenfels, Badezimmer, Foto: Barbara Steiner

Meine Reise nach Seoul

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Der Workshop

Bereits vor meiner Bestellung in Graz wurde der Workshop mit dem Goethe-Institut Seoul vereinbart. Konkret ging es um ein städtebauliches Projekt in HaeBangChon, einem Viertel in Seoul. Zusammen mit InYoung Yeo, der Leiterin des Space One, Professor Han von der Architekturfakultät und seinen Studierenden sollten wir verschiedene Optionen einer behutsamen Revitalisierung durchspielen, neue Wegführungen (vor allem zwischen zwei Parks) überlegen, aber auch auf die vorhandenen Qualitäten des Stadtteils achten. Die Verdrängung der jetzigen Bewohner/innen war zu vermeiden.

Wir – Jun als Künstler, Martin als Landschaftsarchitekt und ich als Kuratorin und Autorin – wurden eingeladen, um aus der Sicht von Außenstehenden Impulse in die bereits begonnenen Planungsprozesse einzubringen. Unser gemeinsamer Vortrag fand auf dem Areal des Shinheung Markts statt, auf einer eigens für Veranstaltungen errichteten offenen Plattform.

Das Marktgeschehen war in den letzten Jahren sehr zurückgegangen, viele der ehemaligen Marktstände mutierten zu Wohnungsaufgängen – mit Wohnflächen auf der jeweils darüber liegenden Etage. Die Lebendigkeit des Viertels droht durch Immobilienspekulation verloren zu gehen, wobei in dem Fall diejenigen spekulieren, die seit Jahrzehnten selbst dort wohnen und sich satte Gewinnspannen erhoffen.

Foto: Guen-Young Lee Foto: Guen-Young Lee Goethe Institut Korea, Foto: Guen-Young Lee

Der Workshop am Nachmittag desselben Tages wurde dann im Goethe-Institut abgehalten. Unser Ansatz unterschied sich erheblich von klassischen städteplanerischen Methoden, vermutlich schon alleine deshalb, weil wir vor dem Hintergrund verschiedener Herkunftsdisziplinen gemeinsam agierten und disziplinäre Konventionen gehörig durcheinanderbrachten. Unser Workshop zum Thema Infrastruktur war mit Absicht eher spielerisch angelegt. In drei Gruppen sollten „große“, „mittlere“ und „kleine“ Infrastrukturen überlegt und auf soziale und kulturelle Auswirkungen untersucht werden. Zur Visualisierung standen Papier und Stifte zur Verfügung. Uns interessierte es, möglichst viele Perspektiven auf HaeBangChon zu erhalten. Abschließend wurden die sehr unterschiedlichen Vorschläge zu kleinen Heften gebunden. Das Feedback war positiv – wir hörten, dass Studierende in Korea ansonsten in deutlich formalisierter Weise arbeiten. Unser Ansatz sei ungewohnt, aber anregend gewesen, und ja, man würde im nächsten Jahr gerne fortsetzen.

Die Buchpräsentation

Die Buchpräsentation bei ArtSonje war im Grunde genommen einem glücklichen Umstand geschuldet. Vor Kurzem erschien das von mir herausgegebene Buch „Creative Infidelities. On the Landscape Architecture of Topotek 1.“ Idee war von Anfang an, mehrere Buchpräsentationen an verschiedenen Orten, in unterschiedlichen räumlichen Settings zu machen und Gäste dazu einzuladen. Jun Yang hatte kürzlich für ArtSonje einen Raum gestaltet: „The Parallax Hanok“. Im Prinzip verwandelte er ein traditionelles koreanisches Wohnhaus (Hanok) in einen öffentlichen Raum mit mehreren, sich überlagernden Funktionen. Man kann dort nun Eintrittskarten oder Publikationen kaufen, etwas trinken,  Freunde treffen bzw. Veranstaltungen besuchen.

Artsonje-Buchpräsentation, Foto: Artsonje.JPG Foto: Artsonje Foto: Barbara Steiner

Beim „Parallax Hanok“ handelte sich also um den perfekten Ort für unsere Präsentation, und Jun war der ideale Gast. Sowohl Topotek 1 als auch Jun teilen ein Interesse an kulturellen Übersetzungsprozessen, wobei beide der Kopie einen eigenen Wert unabhängig vom Original zusprechen. Sowohl Jun wie auch Topotek 1 plädieren für eine nicht-hierarchische Beziehung zwischen Original und Kopie; Aneignungen und Neuinterpretationen, ja auch irrtümliche Nutzungen werden als Ausdruck eines kreativen Prozesses gewürdigt. „The Parallax Hanok“ nimmt seinen Ausgangspunkt bei der „Parallaxe“, um über Kopien als abweichende Interpretationen und Unterschiede nachzudenken. Als Parallaxe bezeichnet man die scheinbare Änderung der Position eines Objektes, wenn der Beobachter seine eigene Position verschiebt.

Der Besuch bei Haegue Yang

Foto: Barbara Steiner

Haegue Yang, im Hintergrund der Tempelberg, Foto: Barbara Steiner

Mit Haegue Yang hatte ich mich für den Sonntag verabredet: Zunächst trafen wir uns in ihrem Studio. Auf diese Weise bekam ich einen guten Einblick in Fertigungstechniken, etwa, wie Stroh geknüpft und mit anderen Materialien verbunden wird. Bis jetzt hatte ich die „Intermediates“ (große Strohskulpturen) stets im fertigen Zustand gesehen – wie etwa kürzlich in ihrer Ausstellung in der Kunsthalle Hamburg. Die Arbeitsweise ist sehr aufwendig und auch kraftintensiv; beeindruckend fand ich, wie viel im Studio mit verschiedenen Materialien (Natur- und Kunststroh), alten und neuen Knüpftechniken experimentiert wird. Doch Haegue Yang hat nicht nur die Produktion ihrer Arbeiten im Kopf, sondern sie denkt viel über Arbeitsabläufe, faire Bezahlung, generell das Miteinander im Studio nach.

Am Nachmittag besuchten wir gemeinsam das Seodaemun Gefängnis, in dem vor allem politisch Verfolgte während der japanischen Besatzungszeit inhaftiert waren. Heute ist es eine Gedenkstätte, die mit ihren Puppen in Folterkellern eher auf Gruseleffekte denn auf kritische Reflexion setzt. Gleich hinter dem Gefängnis, sehr versteckt hinter einer neuen, riesigen Wohnhausanlage, befindet sich ein Tempelberg.

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Tempelberg, Opfergaben für die Götter, Foto: Barbara Steiner

Haegue machte mich darauf aufmerksam, dass an diesem Ort rituelle Handlungen eher im privaten Rahmen ausgeübt werden. Skurril fanden wir beide das als Opfergabe dargebrachte, in Plastik eingeschweißte Stück Schweinefleisch. Ganz oben auf der Spitze des Berges, die von einem eigenwillig geformten Fels bekrönt ist, hat man einen fantastischen Blick auf Seoul.

P.S.: Haegue Yang ist im Übrigen nicht mit Jun Yang verwandt, es handelt sich einfach um einen sehr häufigen Namen im asiatischen Raum, so wie Steiner in Österreich.

Einmal Krakau, einmal Zagreb

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Seit einem Jahr leitet meine Kollegin Magdalena Ziółkowska den Bunkier Sztuki in Krakau. Der Bunkier, eigentlich „Kunstbunker“, ist ein zeitgenössisches Ausstellungshaus, dessen Name sich seiner Erscheinung verdankt: ein modernes Gebäude aus Beton inmitten der Stadt. Für diejenigen, die das pittoreske, alte Krakau suchen, ist es vermutlich eine Zumutung, für Liebhaber/innen zeitgenössischer Architektur hingegen eine Entdeckung.

Das Gebäude

Das Gebäude wurde Anfang der 1960er-Jahre errichtet und bezog einen Kornspeicher aus dem 18. Jahrhundert in die Konzeption mit ein. Lange blieb es das einzige moderne Gebäude in der Altstadt und wurde entsprechend kontrovers diskutiert. 2016, zum 50-jährigen Bestehen des Bunkier Sztuki, wurden die schmalen Fensterschlitze im oberen Gebäudeteil geöffnet und die Ausstellungsräume umgebaut. Magdalena Ziółkowska und ihr Team gehen offensiv mit dem Erbe um. Zurzeit läuft unter anderem eine Ausstellung von Anna Zaradny, in der sich die Künstlerin ebenfalls auf verschiedenen Ebenen auf die Zeit der Moderne und das Haus bezieht.

Exhibition Pavillon

Exhibition Pavilion: Grupa BudCud, photo: Jarosław Matla Exhibition Pavilion: Grupa BudCud, photo: Jarosław Matla Exhibition Pavilion: Grupa BudCud, photo: Jarosław Matla

Der Grund meines Besuchs: Ich war eingeladen, einen Vortrag über meine Pläne für das Kunsthaus Graz zu halten. Dieser fand im sog. „Exhibition Pavilion“ (Ausstellungspavillon) statt, gestaltet von BudCud (Mateusz Adamczyk, Agata Woźniczka). Dieser Raum im Raum erlaubt verschiedene Nutzungen und kann mit wenigen Handgriffen für unterschiedliche Zwecke adaptiert werden. Dort werden Workshops, Diskussionen, Seminare durchgeführt, die sich im Wesentlichen mit Fragen des Kuratierens, mit Ausstellungs- und Displaygeschichte befassen.

Rückblende

Es war nicht mein erster Besuch im Bunkier: Zum ersten Mal besuchte ich Krakau 2002, um an der Konferenz „Polyphony of Voices“ teilzunehmen, die Adam Budak, damals Kurator am Bunkier Sztuki, initiiert hatte. Danach ging er als Kurator an das Kunsthaus Graz. Magdalena Ziółkowska wiederum hatte ich 2006  im Van Abbemuseum in Eindhoven kennengelernt, als ich mit Charles Esche am Buch Mögliche Museen arbeitete. Seitdem haben sich unsere Wege immer wieder gekreuzt. Vielleicht sollte ich hier ergänzen, dass beide – der Bunkier Sztuki und das Van Abbemuseum in Eindhoven – auch künftige Partner in unserem geplanten EU-Netzwerkprojekt sein werden.

Ähnlichkeiten

Auch wenn der Aufenthalt sehr kurz war, konnte ich einerseits das Kunsthaus-Programm für 2017 vorstellen sowie das EU-Projekt besprechen und umgekehrt von Magdalena Ziółkowskas Plänen hören. Und sie hat viel vor: Kürzlich gab es einen Wettbewerb zur architektonischen Erweiterung des Bunkier Sztuki, ein Vorhaben, das einen behutsamen Umgang mit dem vorhandenen Gebäude vorsieht. Schmunzeln musste ich, weil die jetzige Situation jener im Kunsthaus Graz ähnelt. Auch im Bunkier gibt es ein äußerst erfolgreiches Café, und wie bei uns prallen mitunter die Interessen des Gastronomiebetriebes mit jenen der Kunstinstitution aufeinander. Mit dem Umbau des Bunkiers soll das Café an einen anderen Ort im Gebäude verlegt werden, in unserem Fall wollen wir die Küche, die sich nach wie vor im hinteren Gebäudeteil des Kunsthauses befindet, mit dem zur Annenstraße hin gelegenen Kunsthauscafé verbinden.

Anna Zaradny, Rondo Denoting Circle exhibition view, 2011, Rondo Denoting Circle exhibition, Bunkier Sztuki Gallery of Contemporary Art, 2016, photo: Grzegorz Mart / Studio FilmLove

Anna Zaradny, Rondo Denoting Circle exhibition view, 2011, Rondo Denoting Circle exhibition, Bunkier Sztuki Gallery of Contemporary Art, 2016, photo: Grzegorz Mart / Studio FilmLove

Zagreb

Zwei Tage später fuhr ich nach Zagreb, um Snjezana Pintarić, die Direktorin des Muzej suvremene umjetnosti (MSU), zu treffen. Das MSU ist von Graz kommend schnell zu erreichen, denn es liegt in „Novy Zagreb“ (Neues Zagreb), an der Kreuzung von Većeslava Holjevca und Avenija Dubrovnik, und nicht in der Altstadt, wo das Museum zuvor untergebracht war. Dieser neue Stadtteil war Ausdruck des modernen Jugoslawiens, mit breiten Straßen und Wohnblöcken. Wie in Graz das Kunsthaus, so wurde das MSU ebenfalls an einer Stelle errichtet, die städtebaulich entwickelt werden sollte. Den Beschluss dazu fasste man 1998, 2003 begann man zu bauen, eröffnet wurde das Haus 2010.

Mein Besuch in Zagreb hatte mehrere Gründe: Zum einen wollte ich mit Snjezana Pintarić über das Stipendium von Jasna Jakšić sprechen, die 2017 mehrere Wochen am Kunsthaus Graz verbringen wird, um sich Arbeiten von in Österreich lebenden Künstlerinnen und Künstlern anzusehen. Dieses Stipendium wurde vom österreichischen Außenministerium ins Leben gerufen. Jasna Jakšić ist Kuratorin und Archivarin am MSU. Zum anderen soll eine unserer kommenden Ausstellungen, Vision & Revision, 2018 in Zagreb gezeigt und durch Positionen aus dem ehemaligen Jugoslawien ergänzt werden. Es ist daran gedacht, dass diese Ausstellung den Auftakt eines künftigen Architekturschwerpunkts im MSU bildet. Snjezana Pintarić überlegt gerade eine eigene Architekturabteilung ins Leben zu rufen.

EU-Netzwerk

Zu guter Letzt drehten sich unsere Gespräche um das künftige EU-Netzwerkprojekt, an dem sich auch das MSU beteiligen wird. Binnen weniger Stunden besprachen wir die für uns wichtigen Punkte und Snjezana Pintarić zeigte mir bereits die für unsere Ausstellung vorgesehenen Räume. Es blieb darüber hinaus noch Zeit für ein Treffen mit Jasna Jakšić und Radmila Iva Janković. Die beiden wollen sich das Stipendium teilen, und das finde ich wiederum großartig, denn dies heißt: doppelte Expertise. Nach einem Kaffeehaus-Besuch in unmittelbarer Nachbarschaft zum Museum fuhr ich wieder zurück nach Graz. An einem Tag hin und her zu fahren ist gut möglich, auch wenn noch ein Stück Autobahn fehlt. Länger als nach Wien dauert die Fahrt jedenfalls nicht.

MSU Zagreb, Foto: Damir Fabijanić MSU Zagreb, Foto: Damir Fabijanić MSU Zagreb, sculpture by Ivan Kožarić, Foto: Damir Fabijanić MSU Zagreb, Foto: Damir Fabijanić

Die Hölle hinter der Idylle – überraschendes Recycling in der Antoniuskirche

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Beispiele aus der Alten Galerie oder der Neuen Galerie Graz haben bereits gezeigt, dass manche Kunstwerke bei genauerer Betrachtung eine überraschende „Vorgeschichte“ offenbaren. So verhält es sich auch mit der „Rantener Krippe“ aus der Sammlung des Volkskundemuseums, auf deren gemaltem Hintergrund eine idealisierte Landschaft des steirischen Malers Johann von Lederwasch (1755/56­–1826) zu sehen ist. Blickt man auf die Rückseite dieses vierteiligen Gemäldes, schlägt die Stimmung drastisch um: Zu sehen sind dort Fragmente eines „Höllensturzes“ aus der Zeit der Gegenreformation, der höchst eindringlich die drohenden Konsequenzen einer Abkehr vom katholischen Glauben darstellt. Wie kam es dazu?

Vorderseite des Krippenhintergrundes vor der Restaurierung, Foto: UMJ

Vorderseite des Krippenhintergrundes vor der Restaurierung, Foto: UMJ

„Deß luthers falsche lehr hat mich pracht all her“

Die Spurensuche führt uns zurück in das 16. Jahrhundert, und zwar in die Gemeinde Ranten im Bezirk Murau: Dort wirkte von 1553 bis 1600 der lutherische Pfarrer Martin Zeiller senior, der bei keinem Geringeren als Philipp Melanchton studiert hatte. Dieser wiederum zählte zur geistigen Elite der europäischen Reformation. Zeillers 1589 in Ranten geborener Sohn Martin junior war in der Barockzeit ein sehr aktiver Autor, und auch Zeiller senior war ein engagierter Reformator: Er ließ an der Rantener Kirche drei protestantische Fresken anbringen (Deesis, Leiden des Hiob, Gegenüberstellung des Alten und Neuen Testaments), welche nach der Vertreibung der Protestanten aus der Steiermark im Zuge der Gegenreformation mit einer ausdrucksstarken „Hölltafel“ abgedeckt wurden. Der darauf abgebildete Höllensturz zeigt die personifizierten Darstellungen der sieben Todsünden und mehrere Figuren, die diese Laster verdeutlichen. Auch Pfarrer Zeiller wurde mitsamt seiner Frau auf diesem angsteinflößenden Gemälde verewigt: Er hält ein aufgeschlagenes Buch in der Hand, in dem zu lesen ist: „Deß luthers falsche lehr hat mich pracht all her“.

: Fotomontage der erhaltenen Teile (heutige Rückseite) nach Reinigung und Festigung, Fotomontage: UMJ/N. Lackner

Fotomontage der erhaltenen Teile (heutige Rückseite) nach Reinigung und Festigung, Fotomontage: UMJ/N. Lackner

Zerschnitten und wiederverwertet

Fast 200 Jahre später musste die „Hölltafel“ aufgrund des Toleranzediktes von Joseph II. (1781) abgehängt werden und wurde zunächst in die Kirche verbracht. 1810 wurde das Gemälde auch von dort entfernt und gelangte in die Werkstatt des Malers Johann von Lederwasch, der mit der rund 300 Jahre alten Leinwand nicht besonders zimperlich umging: Er zerschnitt das Gewebe in zwei ungleich große Stücke, die er für sein vierteiliges Landschaftsgemälde in der „Rantener Krippe“ weiterverwendete. Diesem Umstand verdanken wir es, dass auf der Rückseite des Trägergewebes zwei – wenn auch beschnittene – Teile des Höllensturzes erhalten sind. Damit Lederwasch seinen vierteiligen Krippenhintergrund vervollständigen konnte, musste er noch zwei weitere, allerdings rückseitig unbemalte Leinwände ergänzen. Fast möchte man heute meinen, dass die historisch interessante Rückseite dieses Krippenhintergrunds im Vergleich zur dekorativen Vorderseite „wertvoller“ ist! Fest steht jedenfalls, dass Viktor von Geramb die „Rantener Krippe“ vor 100 Jahren für das Hirten- und Krippenliedersingen in der Antoniuskirche in die Sammlung aufgenommen hat. Aus Anlass dieses Jubiläums wurde der Krippenhintergrund nun erstmals restauriert und kann bei den Jubiläumskonzerten am 14., 16. und 18.12.2016 wieder bestaunt werden. Die Restaurierung des Hintergrundes erfolgte durch das Referat Restaurierung: Paul-Bernhard Eipper, Julia Hüttmann, Barbara Molnár-Lang, Ivana Sambolic, Anna Bernkopf, Kseniya Chernenko, Sarah Grünberger, Evgeniia Sannikova, Carla Helmrich, Kristina Ozimic, Melitta Schmiedel. Die Krippenfiguren wurden bereits 1996 durch Günther Diem und Christine Gerber restauriert.

Vorderseite des Krippenhintergrundes nach der Restaurierung, Foto: UMJ

Vorderseite des Krippenhintergrundes nach der Restaurierung, Foto: UMJ

Landesaufnahme(n) – eine virtuelle kulturhistorische Wirtshausrallye durch eine südsteirische Fusionsgemeinde

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Aus der Marktgemeinde St. Veit in der Südsteiermark stehen diesmal Aufnahmen von teils noch bestehenden, aber auch von bereits längst „abgekommenen“ Gastronomiebetrieben in den ehemaligen Gemeinden St. Veit am Vogau, St. Nikolai ob Draßling und Weinburg am Saßbach im Blickpunkt.

Foto: Postkarte, Schlauer A., Sauerbrunn „Sulzegg an der Liebe“ mit Restauration (heute aufgelassen), um 1910; Foto: Ausschnitt einer Postkarte (vom Gasthaus verlegt), unbekannter Fotograf, Gasthaus zum „guten Tropfen“ in Priebing bei Weinburg am Saßbach (heute Wirtshaus zu Reblaus), um 1920;

Als Musterbeispiel einer Fusionsgemeinde (Gemeindestrukturreform 2015) ist man bemüht, auch hinsichtlich eines Fotoarchivs bzw. einer gemeindegeschichtlichen Dokumentationsstelle, in Zusammenarbeit mit privaten Sammlern gemeinsame Wege zu gehen. Neben der schrittweisen Digitalisierung einzelner Bestände soll natürlich auch auf eine fachgerechte Lagerung und Verpackung der analogen fotografischen Objekte geachtet werden.

Außen- und Innenaufnahmen von Gaststätten, oftmals von Gastwirten zu Werbezwecken als Postkarte selbst verlegt (übrigens ein beliebtes Sammlermotiv!), lassen sich beinahe in jedem steirischen Gemeindearchiv finden. Als Orte des leiblichen Genusses, der privaten Kommunikation und Unterhaltung, aber auch als (vereins-)politische Versammlungsstätten sowie aufgrund ihres spezifischen Interieurs sind sie kultur- und zeitgeschichtlich besonders interessant.

Foto: Privataufnahme, Kartenrunde um Gastwirt Franz Peer in Weinburg am Saßbach (Der Traditiongsathof wurden in 1980er Jahren abgerissen), um 1930; Foto: Privataufnahme, Weinburger Dorfburchen „feiern“ vor dem „Einrücken“ in Franz Peer‘s Gasthof, um 1940; Foto: unbekannter Fotograf, Maskenball beim Gasthaus Kerschbaum „Kirchenwirt“ in St. Veit am Vogau, 1930; Foto: Foto Bauer, Gastzimmer des Gasthauses Sixt in Siebing, 1970 Foto: unbekannter Fotograf, Szene im Gastgarten des Gasthofs Frisch (siehe Titelbild) in St. Veit am Vogau, um 1940

Wer sich auf die Suche nach regionalhistorischen Fotografien begibt, ist ohnehin gut beraten, sich auch in den örtlichen Wirtshäusern umzusehen. Hier stößt man nicht selten auf lokalhistorisch wertvolle Bilddokumente, gerahmt und verglast, quasi als „Dauerausstellung“ in den Gaststuben präsentiert. Aus konservatorischer Sicht muss hierzu freilich angemerkt werden, dass aufgrund meist ungünstiger klimatischer Bedingungen, wie Temperaturschwankungen oder Tabakrauch, die historischen Originalaufnahmen besser durch Reproduktionen ersetzt werden sollten.

Der Charme der späten 1950er, 1960er und 1970er Jahre – Konditorei & Cafe Sepp Kaiser in St. Veit am Vogau

Foto: unbekannter Fotograf, Festtafel für eine Primizfeier im Gasthofs Frisch (siehe Titelbild) in St. Veit am Vogau, undatiert Foto: unbekannter Fotograf, „Tortenflitzer“ (Fiat Multipla) des Konditormeisters Sepp Kaiser zur Mehlspeisenzustellung, 1958 Foto: Ausschnitt einer Postkarte (Foto Bauer), Blick ins Cafe Kaiser, 1963 Foto: unbekannter Fotograf, Kegelbahneröffnung im Cafe Kaiser, 1966 Foto: unbekannter Fotograf, Verkaufsraum Konditorei –Cafe Kaiser, um 1970 Foto: unbekannter Fotograf, Verkaufsraum mit Espressomaschine Konditorei –Cafe Kaiser, um 1970

Die @kulturfritzen zu Besuch im BRUSEUM

Die @kulturfritzen zu Besuch in der Neuen Galerie Graz

Buchpräsentation: „Die Mur in Graz. Das Grüne Band unserer Stadt.“

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Von Eintagsfliegen, Huchen und Flatter-Ulmen

Die von etwa 120 Personen besuchte Präsentation bot einen Einblick in die Vielfalt von Themen, Fotos sowie Autorinnen und Autoren. Das Buch beleuchtet unterschiedliche Aspekte der Mur: Kulturhistorische Betrachtungen finden sich ebenso wie Spotlights auf Sport- und Freizeitmöglichkeiten, den Wasserdienst der Feuerwehr oder die Brückenquartiere von Obdachlosen. Schwerpunkt des Buches ist allerdings die Tier-, Pflanzen- und Pilzwelt in und entlang der Mur.

Die Fauna und Flora an und in diesem mitten durch die zweitgrößte Stadt Österreichs ziehenden Fluss ist beachtlich. Geschützte Tiere wie Huchen, Würfelnatter oder Fledermäuse finden sich zwischen Flatter-Ulmen, Surf-Wellen und Murnockerln.

Es ist bemerkenswert, dass der größte lachsartige Fisch – der Huchen – am Fuße des Schlossberges eine selbst reproduzierende Population bildet. Er benötigt längere barrierefreie Fließstrecken, in denen sich sowohl ruhigere Gewässer für Jungtiere befinden (z.B. im Strömungsschatten größerer Felsblöcke oder von Wurzeln) als auch fließende Gewässer, in den sie ihre Beute fangen können.

Sogar die streng geschützte Würfelnatter findet sich mitten im Stadtgebiet am Murufer. Der Lebensraum dieser ungiftigen Schlange sind strukturreiche, saubere Fließgewässer mit Flachwasserzonen, in denen sie kleine Fische fängt. Darüber hinaus benötigt sie eine mindestens 10 m breite Uferböschung. Es konnte festgestellt werden, dass die Würfelnatter entlang der Mur wandert. Ein Staubecken würde dazu führen, dass der Untergrund mit einer dicken Schicht aus Feinsediment bedeckt würde, an dem die Schlange keinen Halt mehr findet, um auf ihre Beute zu lauern – abgesehen davon, dass diese Beutefische das dann steile Ufer meiden würden.

Die meisten der Autorinnen und Autoren, die an diesem Abend zu Wort kamen, gingen auf das geplante Kraftwerk in Puntigam ein. Teils sehr emotional bekräftigten sie, dass das Kraftwerk und die dadurch zu einem Staubereich veränderte Mur den Lebensraum zahlreicher Tier- und Pflanzenarten zerstören würde. Abgesehen von den Tausenden Bäumen, die abgeholzt werden müssten.

Der Herausgeber Johannes Gepp ging unter anderem auf die Bedeutung der Flussuferbäume ein. Jeder der durchschnittlich 65 Jahre alten 20.000 Bäume entlang der Mur im Grazer Stadtgebiet besitzt ein Kronendach, das 125 Jungbäumen entspricht. Aufgrund der Flussnähe haben sie eine höhere Verdunstung als andere Stadtbäume und tragen damit – und durch die Beschattung – zur Kühlung der Umgebung bei. Ihr Laub und das der Sträucher bindet Feinstaub und leistet dadurch einen wichtigen Beitrag zur Verbesserung der Luftqualität. Wird die für das Murkraftwerk notwendige Schlägerung von 8.000 Bäumen durchgeführt, wird es Jahrzehnte dauern, bis dieser Standard wieder hergestellt werden kann.

Ich möchte diesen kurzen Bericht mit den Worten von Romana Ull abschließen, die ihrer Hoffnung Ausdruck verlieh, dass dieses Buch nur ein Zwischenbericht über die reichhaltige Fauna und Flora inmitten von Graz ist, und nicht schon in wenigen Jahren ein Blick auf eine unwiederbringlich verlorene Landschaft.

Zur Kritik am Kraftwerksbau sei auch auf diesen Artikel der Tageszeitung „Die Presse“ verwiesen: Alles im grünen Bereich?

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Alle Fotos wurden freundlicherweise vom Naturschutzbund Steiermark zur Verfügung gestellt, Fotos: Zeschko, Krok, Podlipnig, Gebhartd

Buchtipp:

Gepp J. (Hrsg) 2016: Die Mur in Graz. Das Grüne Band unserer Stadt. Freya Verlag, 272 Seiten
ISBN: 987-3-99025-293-2

Der Kongo und die Steiermark

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Im Juli 2016 hatte ich meine Stelle als Leiterin des Kunsthauses angetreten und musste sofort mit den Planungen für 2017 beginnen. Das ist eigentlich zu kurzfristig für große Ausstellungen. Diese benötigen bedeutend mehr Vorlauf. Das führte zu der paradoxen Situation, dass ich seit Herbst 2016 gleichzeitig an Projekten für 2017 und 2018 arbeite.

Eines der Vorhaben für 2018 ist eine Ausstellung kongolesischer Kunst. Holger Kube-Ventura, der Direktor der Kunsthalle Tübingen, fragte mich, ob das Kunsthaus sich an einer Kongo-Ausstellung beteiligen wolle. Ende 2016 könne man diese im BOZAR in Brüssel sehen. Die Werke stammen aus dem berühmten Musée Royal de l´Afrique centrale in Tervuren, ebenfalls Belgien.

Ich erinnerte mich an das Gespräch mit Kurt Jungwirth und suchte nach weiteren Verbindungen der Steiermark zum Kongo bzw. zu afrikanischen Ländern. 1964 wurde das Afro-Asiatische Institut in Graz gegründet, ein Ort der Begegnung für Studierende aus Afrika, Asien, Lateinamerika und Österreich. Eine konkrete Verbindung zum Kongo findet sich in der Person von Fiston Mwanza Mujila, ehemaliger Stadtschreiber und Autor des inzwischen berühmten Buchs tram 83. Er lebt immer noch in Graz. Des Weiteren gibt es eine sehr aktive afrikanische Community, die Graz bereichert.

Congo Art Works“

Kurz vor Weihnachten reiste ich mit meinem Kollegen Günther Holler-Schuster, der auch für das Kunsthaus als Kurator tätig ist, nach Belgien, um die Ausstellung Congo Art Works im BOZAR anzusehen und mit Christine Bluard, Bambi Ceuppens und Sammy Baloji zu sprechen. Günther Holler-Schuster kennt kongolesische Kunst sehr gut; Bambi Ceuppens und Sammy Baloji hatten die Ausstellung kuratiert und Christine Bluard koordiniert die Kooperationen des Musée Royal de l´Afrique centrale.

Ausstellungsansicht, Detail, Foto: Barbara Steiner

Die Ausstellung selbst war großartig – zum einen wegen der Werkauswahl, zum anderen aber auch aufgrund der Präsentation der Arbeiten. Man konnte die wesentlichste Funktion kongolesischer Kunst – sehr anschauliches, mitunter plakatives Kommunizieren über gesellschaftliche Situationen – sehr gut nachvollziehen: von der Kolonialzeit, der Erschießung Lumumbas bis hin zu mythologischen Erzählungen und Alltagsereignissen.

Bestimmte Themen und Motive tauchen immer wieder auf; sie wurden variiert, wie etwa die Geschichte von einem Holzfäller, der sich vor einem Löwen auf den bereits halb gefällten Baum flüchtet, auf dem ihn eine giftige Schlange erwartet. Im Fluss, ganz in der Nähe des Baumes, schwimmt ein Krokodil mit aufgerissenem Maul. Es bleibt nicht mehr und nicht weniger, als auf Gottes Hilfe zu vertrauen.

Manche der kongolesischen Künstler – wie etwa Cheri Samba – sind schon längst auf dem Kunstmarkt angekommen. Ihre Werke erzielen Höchstpreise. Doch die Ausstellung baut nicht auf große Namen, sondern zeigt eine beeindruckende Bandbreite kongolesischer Kunst. Die Begegnungen mit den Exponaten waren fast intim – dies wurde durch die kabinettartigen Räume des BOZAR unterstützt – die Hängung der Arbeiten folgte dem Prinzip der Dichte.

Ausstellungsansicht, Foto: Barbara Steiner

Ausstellungsansicht, Detail, Foto: Barbara Steiner

Ausstellungsansicht, Detail, Foto: Barbara Steiner

Die Gespräche mit Christine Bluard, Bambi Ceuppens und Sammy Baloji verliefen sehr anregend; im April oder Mai 2017 wollen wir uns wieder in Tervuren treffen, um die Werkauswahl für Tübingen und Graz zu treffen. Zusätzlich planen wir mit Holger Kube-Ventura, Künstler/innen aus dem Kongo einzuladen in unseren Institutionen zu arbeiten. Günther Holler-Schuster möchte in den nächsten Monaten noch potenzielle Leihgaben aus österreichischen Sammlungen kongolesischer Kunst sondieren. Fiston Mwanza Mujila ist übrigens mit Sammy Baloji verwandt. Auch das stellte sich bei unserem Besuch in Brüssel heraus.

Brüssel, Foto: Barbara Steiner

Brüssel, Foto: Barbara Steiner

Landesaufnahme(n): Straden und der „Dschungel-Express“ – eine tragische Eisenbahngeschichte aus dem südoststeirischen Vulkanland

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So ist auch dieser Beitrag zur Gleichenberger Bahn entstanden. Die Historikerin und Amtsleiterin der Marktgemeinde Straden, Dr. Christa Schillinger, hat recherchiert und erzählt ein Kapitel lokaler Eisenbahngeschichte aus dem südoststeirischen Grabenland (heute Vulkanland). Gottfried Aldrian vom Technischen Eisenbahnmuseum in Lieboch (TEML) wurde hierzu in seinem Archiv fündig und steuerte interessante fotografische Dokumente bei:

Bereits im Jahr 1865 wurden aus wirtschaftlichen Interessen erste Bemühungen zur Errichtung einer Eisenbahn für die Oststeiermark unternommen.

Es ging zum einen um die Verbindung von Hartberg ins Raabtal, zum anderen um die Weiterführung durch das „Grabenland“ ins Murtal und in die Windischen Bühel. Während der Ausgangspunkt Hartberg unumstritten war, ritterten im Raabtal die Städte Feldbach und Fehring um die Bahnlinie. Im Süden konkurrierten die Städte Radkersburg und Pettau/Ptuj.

Photochromiekarte, Albin Sussitz (Graz), Vogelschau ins „Grabenland“ und untere Murtal zwischen Mureck und Radkersburg, 1913/14, Archiv MG Straden

Photochromiekarte, Albin Sussitz (Graz), Vogelschau ins „Grabenland“ und untere Murtal zwischen Mureck und Radkersburg, 1913/14, Archiv MG Straden

1873 wurde die Raaberbahn oder Ungarische Westbahn eröffnet. Die Südbahn zwischen Spielfeld und Radkersburg ging 1885 in Betrieb. Damit waren die zwei Hauptachsen gegeben, es kam aber in der Folge zu verschiedenen Initiativen für unterschiedliche Lokalbahntrassen.

Eine wichtige Rolle spielte dabei der Kurort Gleichenberg und der Mineralwasserversand der Johannisbrunnen-Heilquelle in Hof bei Straden.

Postkarte (Lithografie), Kunstanstalt Karl Schwidernoch, Wien-Leopoldstadt, Straden - Johannisbrunnen, 1898, Archiv MG Straden

Postkarte (Lithografie), Kunstanstalt Karl Schwidernoch, Wien-Leopoldstadt, Straden – Johannisbrunnen, 1898, Archiv MG Straden

Die Grenznähe sprach damals gegen die Trassenführung Fehring–Radkersburg. 1886 wurde daher in Feldbach bereits die 30 Kilometer lange „Talbahn“ Feldbach–Gleichenberg–Unterpurkla vorgestellt. Im Gebiet der heutigen Marktgemeinde Straden waren Haltestellen in Stainz bei Straden, Hof-Johannisbrunn und Radochen vorgesehen.

Postkarte, Blick auf Straden in Richtung Bad Gleichenberg, um 1965, Archiv MG Straden

Skizze zur geplanten Erweiterung der Gleichenberger Bahn, Technisches Eisenbahnmuseum Lieboch (TEML)

1890 begannen die technischen Vorarbeiten für eine normalspurige Lokalbahn von der Station Feldbach der ungarischen Westbahn über Gleichenberg zur Station Purkla der Linie Spielfeld–Radkersburg. Dazu gab es aber starke Widerstände des Fuhrgewerbes, die die Strecke bedienten und neben den Kurgästen im Sommer auch Mineralwasser und die Post beförderten.

Es bildeten sich in weitere Folge örtliche oder regionale Eisenbahnausschüsse, die von 1907 bis 1909 vor Ort sogenannte „Eisenbahntage“ mit Begehungen und Enteignungsverhandlungen abhielten. Daran nahmen Vertreter der Bezirksvertretungen der Gemeinden und der Landesregierung sowie Abgeordnete teil, die naturgemäß von unterschiedlichen Interessen geprägt waren. Der Mühlenbesitzer Rupp in Halbenrain war trotz Verwandtschaft gegen die Bestrebungen des Kaufmannes Friedl in Straden, die Bahnlinie in Purkla an die Südbahn anzuschließen.

Postkarte, Johannisbrunnen (Füllgebäude mit Servitutsbrunnen), um 1960, Archiv MG Straden

Postkarte, Johannisbrunnen (Füllgebäude mit Servitutsbrunnen), um 1960, Archiv MG Straden

Postkarte, Purkla mit Bahnstation, Foto Bund (Radkersburg), um 1965, Archiv MG Straden

Postkarte, Purkla mit Bahnstation, Foto Bund (Radkersburg), um 1965, Archiv MG Straden

Die untersteirischen Vertreter des Landtages und der Besitzer des Schlosses Poppendorf, Stadler von Wolffersgrün, verlangten neben der Erschließung des „fruchtbaren Stradener, Poppendorfer und Gnaser Tales sowie Gleichenberg“ auch die der Windischen Bühel über St. Leonhard/Lenart.

Die Bewilligung für den Streckenabschnitt Feldbach–Gleichenberg–Radkersburg erfolgte kurz vor Ausbruch des Ersten Weltkrieges. Der erste Bauabschnitt verband den Bahnhof Feldbach mit dem Kriegsgefangenenlager in Mühldorf bei Feldbach.

Nach Kriegsende 1918 waren nicht nur die untersteirischen Pläne vom Tisch, sondern auch die Weiterführung von Gleichenberg nach Purkla. Landtagsbeschlüsse zur Weiterführung der begonnenen Arbeiten scheiterten an der Finanzierung. Der Bahnbau wurde schließlich im Rahmen einer Völkerbundanleihe zur Belebung der Wirtschaftsstruktur und Senkung der Arbeitslosenzahlen bewilligt, wobei aber nicht auf das bestehende Projekt zurückgegriffen wurde.

KB008061,Wurm Franz (Feldbach), Feldbach: Spatenstich zum Bau der Gleichenberger Bahn durch Bundespräsident Michael Hainisch, 1926, Multimediale Sammlungen/UMJ

KB008061,Wurm Franz (Feldbach), Feldbach: Spatenstich zum Bau der Gleichenberger Bahn durch Bundespräsident Michael Hainisch, 1926, Multimediale Sammlungen/UMJ

Parteipolitische Überlegungen führen schließlich zum Bau der sogenannten „Gnaser Schleife“, eine Verlängerung der Strecke von 8 auf 21 Kilometer. Eine wesentliche Rolle spielten dabei der Landes- und Bundespolitiker Ing. Franz Winkler, eng mit Gleichenberger Interessen verbunden, sowie der Abgeordnete Hans Roth aus Obergnas.

Bahnbauarbeiten: aus Festschrift 75 Jahre Steiermärkische Landesbahn Feldbach-Bad Gleichenberg 2006, S. 11, Fotograf Franz Hoppichler (Bad Gleichenberg)

Bahnbauarbeiten: aus Festschrift 75 Jahre Steiermärkische Landesbahn Feldbach-Bad Gleichenberg 2006, S. 11, Fotograf Franz Hoppichler (Bad Gleichenberg)

unbekannter Fotograf, Bauarbeiten an der Gleichenberger Bahn, TEM Lieboch

unbekannter Fotograf, Bauarbeiten an der Gleichenberger Bahn, TEM Lieboch

unbekannter Fotograf, Bauarbeiten an der Gleichenberger Bahn, TEM Lieboch

unbekannter Fotograf, Bauarbeiten an der Gleichenberger Bahn, TEM Lieboch

Leider fanden dabei die geologischen Untersuchungen von Dr. Artur Winkler-Hermaden, dem Besitzer von Schloss Kapfenstein, wenig Beachtung. An der Gemeindegrenze Trautmannsdorf–Bad Gleichenberg wurde am 31. Mai 1927 mit den Bauarbeiten begonnen, die von schweren Mängeln in der Bauaufsicht gekennzeichnet waren. Dort ereignete sich am 29. November 1927 durch Rutschungen ein schwerer Unfall, bei dem 12 Arbeiter verschüttet wurden. Acht Arbeiter kamen dabei ums Leben, darunter auch zwei Männer aus der Pfarre Straden.

unbekannter Fotograf, Unglück beim Bau der Gleichenberger Bahn, 1927, TEM Lieboch

unbekannter Fotograf, Unglück beim Bau der Gleichenberger Bahn, 1927, TEM Lieboch

unbekannter Fotograf, Unglück beim Bau der Gleichenberger Bahn, 1927, TEM Lieboch

unbekannter Fotograf, Unglück beim Bau der Gleichenberger Bahn, 1927, TEM Lieboch

unbekannter Fotograf, Unglück beim Bau der Gleichenberger Bahn, 1927, TEM Lieboch

unbekannter Fotograf, Unglück beim Bau der Gleichenberger Bahn, 1927, TEM Lieboch

Franz Gangl aus Wieden-Klausen und Grassl Anton aus Radochen waren auch Mitglieder der 1926 gegründeten Freiwilligen Feuerwehr Wieden-Hart. Am dortigen Rüsthaus befindet sich noch heute eine Gedenktafel. Die angeklagten Ingenieure konnte kein Verschulden nachgewiesen werden. Sie wurden freigesprochen.

Gedenktafel an der Unfallstelle, rechts Gedenktafel der FF Wieden-Hart, Fotos Christa Schillinger

Gedenktafel an der Unfallstelle, rechts Gedenktafel der FF Wieden-Hart, Fotos Christa Schillinger

Schon damals war klar, dass aufgrund von Kostenüberschreitungen durch Sicherungsarbeiten in Erdrutschzonen eine Weiterführung undenkbar war.

Am 15. Juni 1931 konnte die eingleisige, elektrifizierte Strecke über Gnas und den Frachtenbahnhof Maierdorf nach Gleichenberg eröffnet werden. Auf ihrer Streckenlänge von 21 km überwindet sie Steigungen bis zu 42 Promille. Sie ist damit nicht nur steiler als die Semmeringbahn, sondern zählt zu den steilsten Adhäsionsstrecken in den Alpenländern mit einer Fahrgeschwindigkeit von 50 Kilometern pro Stunde. Von der Bevölkerung auch „Dschungel-Express“ genannt, führt die Gleichenberger Bahn (Steiermärkische Landesbahn) über Hügel und Täler, durch Felder, Wiesen und Wälder des Vulkanlands.

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