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Zwischen Tausenden Dübeln und Detailarbeit

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Wie laufen die Vorbereitungen bis zur Eröffnung? Sind Sie zufrieden?
BK: Wir sind exakt im Zeitplan. Gott sei Dank laufen die Arbeiten wunderbar und in Teilbereichen sind wir dem Zeitplan sogar voraus, was immer gut ist.

Was dürfen sich die Besucher/innen von der Ausstellung erwarten?
BK: Was die Besucher/innen sich erwarten können, ist auch und vor allem das, was sie selbst daraus machen. Es hat auch damit zu tun, wie bereit sie sind, sich darauf einzulassen. Wir geben ein breites Menü vor: Wir versuchen, die Kunstwerke auch als Zeitzeugen oder Zeitdokumente zu präsentieren. Sie sind ja nicht auf einer Kunstinsel entstanden, sondern Objekte ihrer Zeit: Sie erzählen, sind Propagandainstrumente, sie sind auch Protest oder Anklage der Künstler, zeigen Positives und Negatives. Sie geben faszinierende Einblicke in diese drei Jahrhunderte großer Umstellungen.

Welche großen Umstellungen beherrschen die Frühe Neuzeit?
BK: Es ist eine Zeit, die von der festgefügten religiösen Welt des Mittelalters bis zur Aufklärung an die Schwelle der Moderne führt. Das ist eine große Periode der Umstellung in der Philosophie, im täglichen Leben, im wissenschaftlichen Forschen, auch im Alltag und in Bezug auf technische Erfindungen. Es ist eine Zeit ständiger Kriege, eine Zeit, die von Hunger und Elend ebenso geprägt ist wie von einer großen Klimaumstellung – wie auch unsere Zeit, was einen guten Anknüpfungspunkt ergibt. Im 16. Jahrhundert bis ungefähr zur Mitte des 18. Jahrhunderts gibt es eine sogenannte kleine Eiszeit, in der das Wetter verrückt spielt, es kühlt extrem herunter und es gibt lange, eisige Winter. Durch diese Umstellungen kommt es – wie in unserer Zeit – zu besonderen Wetterextremen und Naturkatastrophen: Vulkane brechen aus, die Sommer verkürzen sich, die Winter werden immer länger, das heißt, die Ernten werden immer schlechter. Die Wetterkapriolen verstärken so die Leiden einer Bevölkerung, die von Krieg und Hunger schon genug belastet ist.

All das ist ein sehr explosives Gebilde und spiegelt sich auch in der Kunst wider. Wir versuchen mit den Gemälden und Skulpturen, die uns zur Verfügung stehen, diese Geschichte zugänglich zu machen. Darum war es eine Idee der Kuratie, nicht chronologisch, sondern thematisch zu hängen.

Hängekonzept finden: Die Idee der Kuratie war es, nicht chronologisch, sondern thematisch zu hängen.

 

Welche Vorteile hat eine thematische Hängung für die Besucher/innen?
BK:
Das hat viele Vorteile, denn als Besucher/in muss ich mich so nicht auf jedes Bild extra neu einjustieren und schauen: „Wo bin ich?“, sondern ich weiß zumindest, in welchem Umfeld ich mich befinde und kann bewusst darauf schauen. Ich kann auch bei den Raumtexten nachlesen, mich in vielen Räumen hinsetzen, die Hörstationen benutzen oder mir auch ein eigenes Bild machen.

Welche großen Herausforderungen stehen Ihnen bis zur Eröffnung noch bevor?
BK: Ein Museum ist ein Ort, auf den man sich einlassen muss. Eine Schwierigkeit für die Gestalter/innen und die Kuratorinnen und Kuratoren ist es, dieses „Sich-Einlassen“ zu bewirken. Das funktioniert nur, wenn ich die Besucher/innen emotional abholen kann, wenn ich sie neugierig mache, sie berühren kann. Wenn mir das nicht gelingt, werden sich wenige Menschen wirklich darauf einlassen – und das ist immer die Herausforderung.

Sie sind Kuratorin und Gestalterin. Was waren die wichtigsten Schritte von der Planung der Ausstellung bis hin zur Eröffnung, die schon bald bevorsteht?
BK: Man muss sehr früh mit der Planung beginnen, denn das Ausstellungskonzept, aus dem die Gestaltung resultiert, muss fertig sein, bevor man überhaupt an die Gestaltung und an den Aufbau herangeht. Wir, das heißt Gastkurator Ulrich Becker, meine Kolleginnen aus der Alten Galerie und ich, haben uns überlegt, welche Themen wir darstellen können und wie wir die gut 20 wunderbaren Leihgaben, die wir bekommen haben, besonders in den Vordergrund rücken können. Davor wird überlegt, welche Themen man befüllen kann. Dann schaut man, welche Kunstwerke es dazu gibt und versucht, einen passenden Raum dafür zu finden ¬– das ist oft schwierig mit Groß- und Kleinformaten. Und im Anschluss muss man noch versuchen, diese einzelnen Themen zu einer funktionierenden Geschichte zusammenzufügen, damit die Abfolge auch stimmt.

Wie sieht die Raumplanung konkret aus?
BK:
Unser Ausgangspunkt war es, die zwei Seiten der Frühen Neuzeit zu zeigen: einerseits die positive Seite von Renaissance und Barock mit ihrer Pracht und Lebenslust, ihrer Neugierde und Festkultur und andererseits die Realität des Alltags, die meist ganz anders aussah. Es gab sie natürlich, die Augenblicke des höfischen Glanzes und einer einmaligen Festkultur, die bevorzugt in Kunstwerken festgehalten wurden und deshalb unsere Vorstellung von dieser Zeit bestimmen. Es gab aber auch die negativen Seiten wie Hunger, Elend und Kälte, die unheilbaren Krankheiten, unfassbare sanitäre Verhältnisse und Krieg. Wir wollen eben diese gegensätzlichen Seiten zeigen und den beiden großen „Stars“, unseren kostbarsten Bildern, den zwei Brueghels, einen besonderen Platz geben. Und nachdem diese zwei Bilder – „Triumph des Todes“ und die „Kirmes“ – diese beiden Pole perfekt wiedergeben, eröffnen sie die Ausstellung im Eingangsraum. Und in den darauffolgenden 15 Räumen widmen wir uns unterschiedlichsten Themen dieser Zeit.

Für die beiden “Stars” der Ausstellung mussten eigene Klimavitrinen gebaut werden.

Monitoring der Klimapuffervitrinen

Wer hat die Planung des Projekts durchgeführt?
BK: Das waren Ulrich Becker, Christine Rabensteiner, Karin Leitner-Ruhe und ich. Wir haben Anfang Juni 2018 damit begonnen und insgesamt sechs Klausurtage gebraucht, um das Rohkonzept aufzustellen. Dann habe ich begonnen, alles in Form zu bringen. Dazwischen gab es aber noch viele kleine Fragen und Anpassungen: ob beispielsweise ein Objekt vorher noch restauriert werden muss oder nicht, ob es restauriert werden kann, ob es Platz hat etc. Dann ging es in die Umsetzungsphase, vor der alles mit dem gesamten Team besprochen wird, wie zum Beispiel Ablauf, Timing und Logistik, was wir bauen müssen und können, welche Veränderungen es in der Sicherheitstechnik braucht, wo wir neues Licht benötigen, wie wir die Klimavitrinen für die beiden Brueghels bauen etc. Da stand sehr viel Detailarbeit auf der Agenda, bevor es richtig losging.

Dann haben wir begonnen, die alte Hängung abzunehmen, die Leihgaben der Thyssen-Bornemisza-Stiftung für den Rücktransport vorzubereiten, vieles kam auch in unsere Depots zurück. Alle Kunstwerke durften ja im Winter aus klimatischen Gründen die Ausstellungsräume nicht verlassen, also mussten die Bauarbeiten gestaffelt durchgeführt und die Objekte jeweils in sichere Räume verbracht und dann wieder verlegt werden. Das braucht eine sehr exakte Logistik. (siehe Bericht zum Umbau)
Dann mussten wir gefühlte 1 Million Licht- und Farbproben machen und Tausende Dübel aus den Wänden holen, bevor wir neu streichen konnten. Daneben haben wir die Raum-, Klebe-, Hör- und Katalogtexte inklusive der Übersetzungen konzipiert.

Es werde Licht: Auch die Beleuchtung musste bis ins Detail geplant werden.

Daneben galt es die Raum-, Klebe-, Hör- und Katalogtexte inklusive der Übersetzungen zu konzipieren.

Wie kam es überhaupt zur Neuaufstellung?
BK: Die kam im Zuge der Leihgabe der Kaiserschild-Stiftung zustande, von der wir 2017 insgesamt 30 „Niederländer“ erhalten haben. Die vorherige Dauerausstellung war auch thematisch ausgerichtet, deshalb konnte man nicht einfach die neuen Leihgaben dazuhängen oder andere Objekte austauschen. Außerdem mussten wir unsere Leihgaben der Thyssen-Bornemisza-Stiftung nach 15 Jahren retournieren. Deshalb haben wir sozusagen alles „neu mischen“ müssen. Das war der eigentliche Auslöser für die Neuaufstellung.

Welcher Teil der Ausstellung gefällt Ihnen persönlich am besten? Haben Sie einen Favoriten?
BK: Das darf ich nicht haben. Das ist wie bei einer Mutter, die kein Lieblingskind hat (lacht). Nein, natürlich habe auch ich Favoriten, aber für mich sind immer jene Kunstwerke die spannendsten, die große Geschichten erzählen, die sehr viel Interpretation zulassen und mehrere Ebenen haben.

Können Sie abschätzen, wie viele Stunden Arbeit in der Neuaufstellung stecken?
BK:
Nein, ich bin keine Statistikerin. Viele Menschen hier sind seit Juni 2018 mit diesem Projekt beschäftigt, also viele Tausende Stunden stecken hier drinnen. Ich bin froh, dass wir ein so großartiges Team von Handwerkern und Technikern im Haus haben. Ohne sie wäre das alles nicht möglich. Sie haben hier unglaubliche Dinge entwickelt und mitgedacht, ich bin selig, denn ohne ein solches Team kann man so etwas nicht auf die Beine stellen.

Was ist das Wichtigste für den Erfolg der Ausstellung?
BK:
Der erste Eindruck, der von einem Raum vermittelt wird, ist der wichtigste. Denn das ist der Augenblick, in dem die Besucherin, der Besucher entweder berührt wird oder nicht. Wenn der erste Eindruck nicht funktioniert, dann ist es sozusagen vorbei, dann ist die Ausstellung fad. Die Räume müssen sich auch ein bisschen in ihren Stimmungen unterscheiden, erstens, um ihre Botschaft besser zu vermitteln und zweitens, um das Gehirn zu stimulieren. Denn wenn es nicht ständig einen kleinen Wechsel gibt und ein neuer Anstoß kommt, wird den Besucherinnen und Besuchern langweilig. Es gibt viele wichtige Dinge, die man berücksichtigen muss.

Endspurt: Am 25.4. eröffnet die Neuaufstellung der Alten Galerie “Zwischen Tanz und Tod. Episoden der Frühen Neuzeit”.

 

 

Fotos: Paul Schuster und S. Furgler


Klanglicht Connected

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Für knappe 20 Minuten wurde unter der Leitung von Gabriella & David Dokter von URBAN FISH TANK mit mehr als 30 Freiwilligen und einigen Hundert Passantinnen und Passanten vor dem Haus ein Muster aus Bewegungen lebendig.

Zu den maschinenhaften Sounds von Franz Pomassl und der rhythmischen Lichtarbeit von Peter Kogler bewegten sich 12 weiß gekleidete Akteurinnen und Akteure synchron und luden Passantinnen und Passanten ein, sich ebenfalls in das sich ständig verändernde Bewegungsraster einzugliedern und dafür ein Exemplar aus der limitierten Kogler-Schal-Edition entgegenzunehmen. Gemeinsam fügte man sich zum Raster, überwand dabei sämtliche Hindernisse wie Fahrräder, Sitzgelegenheiten, Stufen etc. Am Raster aus 12 Punkten und 12 Menschen machte URBAN FISH TANK das Publikum zum Teil der Form. Mögliche Verbindungen wurden erfahrbar, aus Punkten wurden Linien – aus Linien wurden schnelle, mechanische, präzise Rhythmen. Reproduziert, programmiert, geheimnisvoll und verbunden. 12 Elemente – 12.479.001.600 Kombinationsmöglichkeiten …

Insgesamt wurden sowohl am sonnigen ersten wie auch am etwas regnerischen zweiten Abend weit über 300 Schals vergeben – sogar einige mehr haben teilgenommen, sich getraut und schelmisch ins bewegte Bild des menschlichen Räderwerks gestürzt, gelacht, getanzt und manchmal auch etwas erstaunt und überrascht einfach mitgemacht!

Vielen Dank an alle Beteiligten, an den Sponsor Legero Con-Tempus, der diese partizipative Arbeit für das Klanglicht möglich machte!

Spezieller Dank gilt auch Peter Kogler, der mit der großzügigen Schenkung der Gestaltung des Schals nun für viele Menschen dieses Klanglicht auch im Nachhall und in der Erinnerung außergewöhnlich werden lässt. Es wird ein Spaß werden, den Schal als Zeichen der unendlichen singulären Bewegungsmöglichkeiten und multiplen Treffpunkte der Klanglicht-Connected-Partizipierenden in den kommenden Wochen, Monaten und Jahren ab und zu wiederzusehen!

Übrigens: Einige wenige Schals gibt es im Kunsthaus-Shop noch zu kaufen! In gewissem Sinne kann man also auch heute noch mitmachen …

Fotos: Universalmuseum Joanneum/J.J. Kucek

“There is a lack of content. In many cases they install them and then what?”

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Das Kunsthaus und die Energie Graz laden den 4. Jahrgang der Film- und Medienklasse der Ortweinschule ein, neue Projekte für die BIX-Medienfassade zu entwickeln.

Die Schüler/innen der Film- und Medienklasse im Kunsthaus Graz. Foto: Ines Halder

Seit Februar verlegen die Schüler/innen mit ihren beiden Lehrern Jona Hoier und David Reischl ihren Unterricht ca. einmal im Monat ins Kunsthaus Graz. Dort erwarten sie jedes Mal andere Gäste, die von ihren Erfahrungen mit der BIX-Fassade berichten und wertvolle Impulse für ihre eigenen Vorhaben geben. Die geladenen Gäste sind Designer/innen und Künstler/innen wie Onur Sönmez, Katharina Diem, Zalán Szakács, Tristan Schulze, die Kuratorin Katrin Bucher Trantow sowie Philipp Töscher als Medienexperte der Energie Graz.

Foto: Ines Halder

Foto: Ines Halder

Foto: Ines Halder

Die Energie Graz unterstützt diese Kooperation finanziell und inhaltlich und knüpft damit an die Tradition erfolgreicher BIX-Kooperations-Projekte wie „Werde Lichtpate!“ oder „Dein Name auf der Kunsthausfassade BIX“ an.

Ziel der Kooperation ist es, neue Projekte für die BIX-Medienfassade anzustoßen, die im Oktober 2019 zu sehen sein werden. Fragen, die in den vorbereitenden Workshops behandelt werden, kreisen darum, was auf der Fassade zu sehen sein soll, welche neuen Wege der Kommunikation mithilfe der Medienfassade möglich wären und welche Rolle die BIX-Medienfassade im Stadtraum von Graz einnimmt.

Foto: Ines Halder

Foto: Ines Halder

Foto: Ines Halder

Vielerorts werden Medienfassaden, die an Einkaufszentren, Bürogebäuden, Hotels, aber auch Kultureinrichtungen installiert werden, mit immer denselben Videos oder Animationen bespielt. Vergleichbar wäre dies mit einem Bildschirmschoner, der angeht, sobald die Nacht anbricht und die Menschen ihre Büros verlassen haben. Vielen Medienfassaden fehlt schlichtweg der Inhalt, worauf auch das einführende Zitat vom Mediendesigner Onur Sönmez verweist.

Onur Sönmez beim Workshop am 12.4. im Kunsthaus Graz. Foto: Ines Halder

Das Kunsthaus Graz versucht mit Kooperationen wie diesen, die Wahrnehmung der Medienfassade am Kunsthaus Graz zu schärfen. Die Zusammenarbeit soll die Schüler/innen anregen, nach den Potenzialen des Kommunikationsmediums BIX zu fragen und die Kunsthausfassade mit jungem Elan und frischen Ideen herauszufordern.

Ústí nad Labem

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Nicht viele kennen vermutlich Ústí nad Labem, auch wenn sie vielleicht schon mit dem Zug von Dresden nach Prag an der tschechischen Stadt vorbeigekommen sind. Im April war ich anlässlich eines Vortrags über das Kunsthaus an der dortigen Jan-Evangelista-Purkyně-Universität eingeladen. 2006 hatte ich längere Zeit in Ústí nad Labem verbracht, als ich eine Ausstellung zu Architektur als Aufforderung zum Handeln (Archit-Action!) in der Emil Filla Galerie kuratierte.

Foto: Barbara Steiner

Die Stadt, an der Elbe gelegen, hatte sich im 19. Jahrhundert zu einer bedeutenden Industriestadt entwickelt. Zu Landwirtschaft und Weinanbau kamen Webereien, Farbenhersteller, Papierfabriken und zahlreiche Kohlebergwerke in der Umgebung. Die Transformationen setzten sich im 20. Jahrhundert fort: wechselnde Staatszugehörigkeiten und Regime, Zuwanderung und Abwanderung, Wohlstand und Niedergang der Industrien, all das kann man im Stadtbild nach wie vor ablesen.

House of Arts

1991 wurde die Jan-Evangelista-Purkyně-Universität gegründet, die mit ihren Studierenden die Stadt prägt. Mit dem Leiter der Fakultät für Kunst und Design, Michal Koleček, bin ich seit 2003 in Kontakt. Am Beispiel Ústí nad Labems kann man sehr gut sehen, wie viel Positives im Bildungs- und Kulturbereich durch die Unterstützung von EU-Mitteln erreicht werden konnte und kann. Jüngstes Beispiel ist etwa eine Mensa der Universität aus der Zeit des Sozialismus, für die man lange Zeit keine Verwendung finden konnte, bis diese in ein „Haus der Kunst“ (Ústí nad Labem House of Arts Faculty of Art and Design Jan Evangelista Purkyne University) umgebaut wurde. Im Moment ist dort eine empfehlenswerte Ausstellung von Adéla Matasová zu sehen, einer 1940 in Prag geborenen Künstlerin. Die Fakultät ist Betreiber des Kulturzentrums. Das Programm konzentriert sich auf die Präsentation künstlerischer Positionen und Themen, die mitteleuropäische Kunst geprägt haben oder prägen. Kunst-, Forschungs-, Bildungs- und Publikationstätigkeiten werden, in enger Verzahnung zur Lehre, dabei kombiniert.

Adéla Matasová, House of Arts, 2019, Foto: Jáchym Myslivec

 

Emil Filla Galerie

Besonders beeindruckt war ich von einer sehr sorgfältig kuratierten Ausstellung, die Studierende des kuratorischen Masterlehrgangs in der Emil Filla Galerie umgesetzt hatten: A CO NÁM ZBÝVÁ TEĎ? (Und was ist jetzt?) zeigt die gesellschaftlich um sich greifende Skepsis der Gegenwart aus der Sicht tschechischer Künstler/innen der jungen Generation. Die ausgestellten Arbeiten sprechen von Ängsten und Unsicherheiten, die den gesellschaftlichen Wandel begleiten, jedoch nicht klar fassbar sind. Die Räumlichkeiten, vor allem das weitgespannte tonnenartige Gewölbe aus Holz der Emil Filla Galerie, die seit einigen Jahren in einem älteren Industriegebiet der Stadt angesiedelt ist, wären auch ohne Ausstellung einen Besuch wert.

Foto: Jiří Dvořák

Wörtnik

Adéla Bierbaumer, eine junge Künstlerin, schenkte mir ein Buch, das sie kürzlich fertiggestellt hatte. Es heißt Wörtnik und ist ein illustriertes Wörterbuch, das den Ähnlichkeiten in den Sprachen Deutsch und Tschechisch auf den Grund geht – wie etwa „Arbajt“/„Arbeit“ oder „Dort“/„Torte“. Manches erschließt sich erst über die Aussprache, wie etwa „Fajnšmekr“/„Feinschmecker“ oder „Šíf“/„Schiff“. Mein Lieblingsverb ist „sekýrovat“/„sekkieren“, ein Wort, das auch viele Deutsch Sprechende nicht verstehen, sofern sie nicht aus Ostösterreich kommen.

Adéla Bierbaumer, Wörtnik, 2019 Foto: Stephan Schikora

Biennale di Venezia

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Die diesjährige Biennale di Venezia, geleitet von Ralph Rugoff, steht unter dem Motto: „May you live in interesting times.“ Übersetzen könnte man dies so: „Mögest du in interessanten Zeiten leben.“ Es sind Umbruchszeiten, in denen vieles von dem, was lange gültig schien, erschüttert wird, Selbstverständliches verschwindet und Orientierung in einer komplexer werdenden Welt zunehmend schwierig erscheint. Die Biennale reagiert darauf, der Grundton ist melancholisch, es dominiert eine von Schwermut , Schmerz,Traurigkeit oder Nachdenklichkeit geprägte Gemütsstimmung. Ruinen, Fragmente, Dystopien – jedoch kein Kopf-in-den-Sand-Stecken, keine Weltflucht. Eher spürt man ein Innehalten, eine kritische Reflexion des Ist-Zustands der Welt und eine Sensibilisierung gegenüber Ressourcenverschwendung, Ausbeutung und gesellschaftlichen Asymmetrien.

Haris Epaminonda, VOL. XXVII. 2019 Foto: Barbara Steiner

Foto: Barbara Steiner

Warteschlange, vor den französischen und englischen Pavillons. Foto: Barbara Steiner

Ghana und Litauen
Gewinner des diesjährigen Biennale-Pavillonpreises ist Litauen. Der Beitrag Sun & Sea (Marina) hat die Form einer Oper und ist eine bissige Kritik zum Freizeitverhalten und Klimawandel. Bis zuletzt war auch der ghanaische Pavillon im Rennen. Der erste Auftritt des westafrikanischen Landes auf der Biennale wurde von der Fachwelt sehr positiv wahrgenommen. Sechs Künstler – El Anatsui, Ibrahim Mahama, Felicia Abban, John Akomfrah,  Selasi Awusi Sosu und nd Lynette Yiadom-Boakye – zeigen ihre Arbeiten in von Lehmmauern begrenzten, ellipsenartig angelegten Räumen. Dass Ghana letztendlich nicht ausgewählt wurde, soll damit zu tun haben, dass die meisten Künstler/innen inzwischen in westlichen Großstädten leben. Der Goldene Löwe für den besten Künstler ging an den US-amerikanischen Filmemacher Arthur Jafa für sein Video The White Album. Den Preis für sein Lebenswerk erhielt der ebenfalls in den USA lebende Jimmy Durham.

Der österreichische Pavillon

Im österreichischen Pavillon werden Arbeiten von Renate Bertlmann gezeigt. Sie ist die erste Künstlerin, die den Pavillon alleine bespielen darf. Für viele Jahrzehnte war Bertlmann nur einem kleinen kunstinteressierten Kreis bekannt, nun ist sie in vielen Ausstellungen präsent, demnächst auch in der am 25.5. eröffnenden Niederösterreichischen Landesgalerie in Krems. Bertlmann ist eine feministische Künstlerin der ersten Stunde, und das zeigt die Ausstellung deutlich. Kuratorin, Felicitas Thun-Hohenstein, und Künstlerin haben sich für eine sehr reduzierte, klare Präsentation entschieden, unterstützt von der klugen Architektur des StudioVlayStreeruwitz. Sie haben dem von Josef Hoffmann 1934  errichteten Pavillon eine zweite, dünne Schicht verpasst, die sich subtil, aber bestimmt über den Ausgangsbau legt. Großformatige Wandtapeten, die Skizzen performativer, älterer Arbeiten zeigen, heben das Werk Bertlmanns auf eine konzeptuelle Ebene.

Im Hof ist eine neue Installation der Künstlerin zu sehen, die zwischen „Kitsch“ und „starkem feministischem Statement“ kontrovers diskutiert wurde und eine der am häufigsten abgebildeten Arbeiten im Netz ist: 312 Rosen aus Muranoglas, jede verschieden, bergen scharfe Klingen in sich. Mir ist die Verbindung von Schönheit und Aggression im Jahr 2019 zu binär gedacht und auch zu plakativ, auch wenn Bertlmann bereits vor 50 Jahren mit scharfen Klingen gearbeitet hat. In einer ihrer Performances trat sie mit einer bedrohlichen Prothese auf: aus künstlichen Brüsten ragten Skalpelle. Die nährende Brustwarze wurde so zur verletzenden Waffe. Die damalige Notwendigkeit einer solchen Drastik ist für mich durchaus nachvollziehbar, in unserer Gegenwart,  in der es gar nicht genügend drastische Setzungen geben kann, sieht es für mich jedoch anders aus.

Der Schriftzug an der Fassade „Amo ergo sum“ („Ich liebe, also bin ich”) – eine Bertlmannʼsche Abwandlung von Descartesʼ „Cogito ergo sum“ („Ich denke, also bin ich“) – hat für mich überzeugende transformatorische Kraft. Wie die architektonische Intervention im Inneren legt sich eine weitere Schicht über das Gebäude und lässt den repräsentativen Gestus Hoffmans hinter sich.

 

Happy birthday, Ma’am – Queen Victoria zum 200. Geburtstag

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Als Victoria am 28. Juni 1838 in Westminster zur Königin von England; Schottland und Irland gekrönt wurde, konnte niemand ahnen, dass aus dem nicht eben beeindruckenden, fast zu Tode bemutterten und in einer Welt von Intrigen aufgewachsenen Kind einmal die Repräsentantin einer bis 1901 währenden Epoche werden sollte, wie sie die Welt nicht gesehen hatte. Das Einsammeln von Titeln war schon damals ein bevorzugter Sport unter Hochgestellten. 1877, die viktorianische Epoche war längst in vollem Gang, kam die flugs erfundene Kaiserwürde von Indien dazu, die ihr der Chefarchitekt der neuen britischen Weltmacht – der ebenso geschmeidige wie schmeichelkundige Premierminister Benjamin Disraeli – verschafft hatte.

Längst wissen wir, dass auf der viktorianischen Ära äußerst düstere Schatten lagen, wie man vor allem von Charles Dickens lernen kann, nicht zu reden von den vielen Krisen und (Kolonial-)Konflikten einer Zeit, in der vieles sehr modern war, nur nicht die Arbeitsbedingungen der unteren Bevölkerungsschichten. Als aber 1897 das 60. Regierungsjubiläum (Diamond Jubilee) anstand, sollte kein Schatten das festliche Bild trüben. Den in großer Zahl zusammengeströmten Gratulanten war nur allzu bewusst, dass sie gemeinsam mit der geliebten Jubilarin über ein Sechstel der Erdbevölkerung geboten.

Unzweifelhaft und in ihrer Wirkung kaum zu überschätzen sind jene Impulse, die in dieser Ära Industrie, Kunst und Wissenschaft erfahren haben. Das lag nicht zuletzt an Victorias Gatten, Albert von Sachsen-Coburg-Gotha (1819–1861, seit 1857 Prinzgemahl), von ihr liebevoll my dearest Albert genannt. Auf ihn geht die legendäre Weltausstellung in London zurück, die erste ihrer Art, die im ebenso legendären Crystal Palace gezeigt wurde. Vom 1. Mai bis zum 15. Oktober 1851 zählte man über 6 Millionen Besucherinnen und Besucher. Selbst Dickens war das einfach too much. Aber der Reformer Albert hatte begriffen, dass in der Kapitale der führenden Industrienation der Welt Kunst und Handwerk ein fixes gemeinsames Haus brauchten. Schon ein Jahr später wurde das Victoria and Albert Museum gegründet, noch heute das bedeutendste seiner Art weltweit. Und damit nicht genug: Science Museum und Natural History Museum kamen dazu, an der passenderweise Exhibition Road genannten Straße entstand ein erstes „Museumsquartier“ modernen Stils, das in dieser Form keine andere Metropole aufzuweisen hatte.

Wie Victoria die Mutter des Empire war, so ist das „V&A“ die Mutter aller „Kunstgewerbemuseen“, wie sie im deutschen Sprachraum lange Zeit offiziell hießen. Dazu zählen das Oesterreichische Museum für Kunst und Industrie in Wien, das MAK, wie auch das Culturhistorische und Kunstgewerbemuseum in Graz, eben die Kulturhistorische Sammlung im Museum für Geschichte.

Gewebtes Bild mit Darstellung der britischen Königsfamilie: Victoria und Albert mit ihren fünf ältesten Kindern, 1851, nach einem Gemälde von Franz Xaver Winterhalter, KHS, Inv.-Nr. 7076

Der Rummel um die Royals und dazu passende Gadgets sind keine Erfindung unserer Tage. Ein mit dem Bild der Royal Family geschmücktes Baumwollgewebe in der Kulturhistorischen Sammlung zeigt, dass man mit hübschen Familienbildern schon damals zu werben verstand: Victoria und ihr „Engel“ Albert haben ihre fünf ältesten Kinder fast wie zu einem Picknick um sich versammelt, darunter der Prince of Wales, der künftige Edward VII. (1841–1910, Nr. 1) und Gegenspieler Wilhelms II., seines deutschen Neffen, wie auch dessen Mutter Victoria (1840–1901, Nr. 2), die Princess Royal. Wobei alle gespielte Ungezwungenheit nicht darüber hinwegtäuschen kann, dass man sich wie zu einem quasi-offiziellen Fototermin eingefunden hat. Unbestrittener Meisterregisseur solcher Szenen aus der Welt der upper class war der deutsche Porträtmaler Franz Xaver Winterhalter, der zur selben Zeit auch den Hof Napoleons III., die Schokoladenseite des 1870 untergegangenen Second Empire, verewigte – wenigstens in Öl.

Auf Winterhalter geht auch die Komposition unseres gewebten Bildes zurück. Es ist kein Kunstwerk wie die Bildnisse des Meisters, aber ein interessantes Dokument einer Epoche, die in vielem den Weg in die industrielle Moderne gewiesen hat – mit allen Licht- und Schattenseiten. Times are changing.

Zwei Tage Performance-Programm im Kunsthaus

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Die drei Vertreter/innen der Universitäten, Rosemarie Brucher (Zentrum für Genderforschung, KUG), Sabine Flach (Institut für Kunstgeschichte, Karl-Franzens-Universität) und Anselm Wagner (Institut für Architekturtheorie, Kunst und Kulturwissenschaften, TU), kamen vor einigen Monaten auf uns zu, um eine Kooperation zur Frage der „Performativität“ anzuregen, ein Thema, das sie als „KUWI Graz“ für gemeinsame Lehrveranstaltungen und Vorträge ausgewählt hatten und im Bereich der Bildenden Kunst hochaktuell ist.

Gemeinsam entwickelten wir ein zweitägiges Programm, das versuchte, ein möglichst breites Spektrum performativer Formate abzudecken: von klassischer Performance Art (Ron Athey & boychild), über ein sich den Sozialen Netzwerken bedienendes Stück (Barbis Ruder), einem Konzert (Klitclique), installativ-interaktiven Arbeiten (Franz Reimer, Flora Neuwirth), einer Durational Performance (Michikazu Matsune), Lecture Performances (Navardias & Deutinger, Milica Tomic & Kollektiv) bis hin zu einer One-to-One Performance (Georg Kroneis) und künstlerischen Respondenzen auf „historische“ Arbeiten (durchgeführt von Studierenden der Schauspielklasse an der KUG).

Das Ergebnis war ein (arbeits-)intensives, aber unglaublich spannendes Wochenende. Danke an alle Beteiligten, insbesondere an Nico Noriller und Magdalena Kermann von unserem Veranstaltungsmanagement für ihren engagierten Einsatz und an Urchi, unseren unverzichbaren Tontechniker, den nichts so leicht aus der Ruhe bringt. Und einen großen Dank an Alexandra Trost, die als Organisatorin, Künstler/innenbetreuerin, Schnittstelle, Aufbauhelferin, Troubleshooterin und schließlich sogar als Teil der Performance von Athey und boychild unaufhaltsam im Einsatz war.

Michikazu Mazune beim Bemalen seiner fruchtigen Globen. Foto: Katia Huemer

Michikazu Mazune beim Bemalen seiner fruchtigen Globen. Foto: Katia Huemer

Requisiten von Barbis Ruder – inklusive Rakete für die Weltraum-Bestattung des alten Kunsthaus Logos. Foto: Katia Huemer

Barbara Steiner und Flora Neuwirth bei der Performance von Barbis Ruder. Foto: Katia Huemer

Studierende der Schauspielklasse an der KUG, bei ihrer Performance in der Needle. Man beachte das 5. Fenster von links in der dritten Reihe von oben. Foto: Katia Huemer

Magdalena Kosch und Viet Anh Alexander Tran respondierten auf eine Arbeit von Urs Lüthi aus dem Jahr 1973. Ort der Performance: Lastenaufzug. Foto: Katia Huemer

Kurze Tresen-Pause für Alex. Foto: Katia Huemer

Max Wegscheidler, träumend (oder traumatisiert) von Klitclique. Foto: Katia Huemer

Roman Grabner nutzt die Selfie-Time mit Barbis Ruder. Foto: Katia Huemer

Rosemarie Brucher und ihre Studierenden bei der Ablaufbesprechung der Respondenzen in der Anlieferung. Foto: Katia Huemer

Logo-Bestattung mit Barbis Ruder. Trauerrednerinnen: Katrin Bucher Trantow und Katia Huemer. Foto: Dirk Baumann

Von Krötenstechern bis zur Pfingstluckn – südsteirische Pfingstbräuche einst und jetzt

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So fallen heutzutage meist nur mehr „Zuagroaste“ den Streichen der „Pfingstbuam“ zum Opfer, wobei im ersten Jahr noch „höflicherweise“ in großen Lettern vor der Hauseinfahrt auf diese „Ehrenschuld“ hingewiesen wird.

Mancherorts findet man noch Spuren des pfingstlichen Treibens auf den Landstraßen. Mit Kalkfarbe werden Liebschaften oder andere lokale Geschehnisse des letzten Jahres in Schrift und/oder Bild auf dem Asphalt „offengelegt“. Und es war nicht der Heilige Geist, dessen Hochfest Christinnen und Christen zu Pfingsten feiern.

„Pfingstluckn“ und „Wagenzieher“

Bis in die 1980er-Jahre war noch eher das direkte Kassieren des Pfingstobolus üblich. Die Burschen zogen in Gruppen von Hof zu Hof und verlangten lautstark mit dem Ruf „Sind die Wagen gʼschmiert“ nach ihrem „Trinkgeld“ oder die Bewohnerinnen und Bewohner kredenzten ihnen gleich vor Ort Wein, Bier, Most oder Schnaps. Blieb ihre Aufforderung ungehört, wurde eifrig „ausgezogen“. Die nächtliche Kreativität bei den Pfingststreichen kannte keine Grenzen, manchmal wurden sogar die des Gesetzes überschritten. Unabdingbar war jedoch, dass ein „Pfingstbua“ das 14. Lebensjahr erreicht haben musste, der Eintritt in die „Pfingstlucknmündigkeit“.

Postkarte „Herzliche Pfingstgrüße“, postalisch gelaufen 1932, Privatbesitz Walter Feldbacher

Postkarte „Fröhliche Pfingsten“, postalisch gelaufen 1902, Privatbesitz Walter Feldbacher

Eine ortskundliche Stoffsammlung der Volksschule Weinburg am Saßbach aus dem Jahre 1954 – ebenfalls in der Pfarre St. Veit am Vogau gelegen –  für den damals zuständigen Bezirksschulrat berichtet:

Die Jugend verbindet mit Pfingsten wieder die scherzhafte Sitte „Pfingstluckn zu machen, so bekränzt man einen Langschläfer das Fenster mit Brennnesseln oder kitzelt ihn damit aus dem Bett. Mit Sägespäne zeichnet man den Weg eines verliebten Paare nach. Von einem gern gesehenen Mädchen trägt man die Blumenstöcke weg, einem stolzen Mädchen stellt man eine männliche Strohfigur („Pfingstlotter“) vor das Fenster. Geizigen Bauern stellt man den Fuhrwagen in den Graben oder gar aufs Dach („Wagenziehen“), ihre Melkeimer finden sich auf einem Mast wieder.

„Blitzkrautbuschen“

Ein anderer hier in diese Jahreszeit gehörender, aber beinahe vergessener Brauch ist das Binden der „Sonnwendbuschen“ aus Blumen und Heilkräutern wie Arnika, Margeriten und Johanniskraut.

So wurden in Weinburg am Saßbach noch in den 1950er-Jahren um den Johannitag (24. Juni) das Johanniskraut auf den Feldrainen gesucht und deren Stämmchen in Form eines Andreaskreuzes den Sommer über ins Fenstergitter als Schutz vor Unwetter und Blitz gesteckt.

Beim Brotbacken hat man beim Anheizen des Backofens das Feuer mit „Blitzkrautbuschen“ (Johanniskraut) entfacht. Da diese Blitzkrautbuschen aber nicht durch kirchliche Segnung geschützt waren, versuchte der Schlossbenefiziat Moritz Schwarzl bereits zu Ende des 19. Jahrhunderts diesen Brauch als „heidnische Unsitte und Aberglauben“ abzuschaffen.

„Pfingslucknritt“

Ein für uns heute wahrlich skurril anmutendes Spektakel offenbarte sich jeweils am Pfingstsonntag in St. Veit am Vogau in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Der Jurist und Autor mehrerer kulturhistorischer Publikationen Anton Schlossar (1849–1942) beschreibt dies in seinem Werk „Cultur- und Sittenbilder aus Steiermark“ (1885):

Zu Wagendorf bei St. Veit am Vogau in Mittelsteiermark wurde zu jener Zeit der „Pfingstlucknritt“ der Halter- und Ochsenbuben (Viehalter) abgehalten, an welchem sich später auch angesehene Bauernsöhne gern beteiligt haben sollen.

Bei diesem uns heute skurril erscheinenden Festzug wurden Rang und Rolle der Reiter durch den Zeitpunkt ihres morgendlichen Eintreffens auf der Gemeindeweide bestimmt, wobei der letzte eben der sogenannte „Pfingstluckn“ war.

Am Pfingstsonntag zeigte sich das ganze Dorf in Aufregung. Jeder Bauer gab gerne ein Pferd für den Zug her. Voran ritt der Fahnlführer, hinter ihm die Krötenstecher mit Helm und Schwert und einem langen Spieß auf welchem Frösche und Kröten steckten, dann die „Stababkehrer“ mit großen Besen, welche sie beim Vorbeireiten in Wasser tauchten und damit die Leute bespritzten, die „Klaubauf“ griffen auf, was ihnen in die Hände fiel und warfen es zwischen die Zuschauer. Zuletzt kam der „Pfingstluckn“ ganz mit grünen Birkenreisern umflochten und bekränzt auf den schlechtesten Gaul geritten.

Der Zug lenkte in das nahe St. Veit am Vogau und stellte sich in Reih und Glied nahe der Pfarrkirche auf, als die Leute vom Kirchgang heimkehrten. Hier schleuderten die Krötenstecher die Frösche und Kröten in die Menge und jeder machte Possen seinem Namen entsprechend. Der Maulabwischer etwa fuhr den Leuten mit dem Besen übers Gesicht. Dann ging es wieder zurück ins Dorf, wo der Fuchstanz aufgeführt wurde.

Die herrschaftlichen Beamten und Honoratioren befanden sich ebenfalls unter den zahlreichen Zuschauern. So wurde dem Brauch schließlich dadurch ein Ende bereitet, dass einmal ein Krötenstecher einige dieser Persönlichkeiten mit Kröten bewarf.

Im Jahre 1847 wurde der „Pfingstlucknritt“ in St. Veit am Vogau behördlich verboten. Das Spiel der Dorfbuben soll jedoch noch einige Zeit an dieses Schauspiel erinnert haben.

Dieses vorchristliche Brauchtum geht ursprünglich auf ein Fest zur Begrüßung des Sommers zurück. Das Bloßstellen einer Person, die dieses Fest verschlafen hat, kann in Beziehung zum germanischen Gott Donar gesehen werden, der als Donnergott (naturgemäß) auch als Wetter- und Vegetationsgottheit verehrt wurde. Auch der Fuchstanz – so war der rothaarige Fuchs dem Donar heilig, da er an seinen roten Bart erinnert – sowie die Donnerkröten stehen in diesem Zusammenhang. Der mit grünen Birkenzweigen geschmückte „Pfingstluckn“ könnte als der nun endgültig besiegte Winter gedeutet werden.

Birkenzweige finden sich auch häufig neben Maiglöckchen, Maikäfern und Fröschen – letztere oftmals personifiziert – als Motive für die zwischen ca. 1900 und 1960 besonders im deutschen Sprachraum beliebten Pfingstgrußkarten.

Postkarte „Fröhliche Pfingsten“, postalisch gelaufen 1912, Privatbesitz Walter Feldbacher

Postkarte „Gesegnetes Pfingstfest“ – „Waffenbrüder“ Österreich-Ungarn und Deutschland, postalisch gelaufen 1914, Privatbesitz Walter Feldbacher


Museum spielt Quartett!

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Anstatt internationale Museumsbauten oder einzelne Kunstwerke in Quartettfamilien anzuhäufen, dreht sich hier alles um eine Bereicherung des persönlichen Ausstellungsbesuchs. Das Museum, die Kunstpräsentation, das Original und das Sammeln sind nur ein paar der Themen, die sich in diesem Spiel als Quartettfamilien vorstellen.

Foto: Antonia Veitschegger

Die Spielkarten laden uns auf eine Entdeckungsreise durch Kunstausstellungen aller Art ein: Werden die Objekte hinter Glas, an der Wand hängend oder anders präsentiert? Wie würde ein Kunstwerk in einem anderen künstlerischen Medium wirken? Finden wir Signaturen in der Ausstellung? Mit welchem Kunstwerk der Ausstellung könnten wir uns vorstellen zu leben?

Mit inhaltlichen Anregungen im Gepäck, lässt sich der eigene Blick auf das museale Rundherum schärfen – neue Zugänge zum Museum, seinen Ausstellungen und den gezeigten Objekten tun sich auf.

Was für ein vielseitiger Ort so eine Kunstausstellung ist! Sind die Beine schon müde, lässt sich hier mitunter auch ein Plätzchen finden, um gemütlich eine Runde Quartett zu spielen …

Lust bekommen? Im Moment liegt unser Quartett in der Ausstellung Zu viel ist nicht genug! Die Schenkung „Sammlung Artelier“ in der Neuen Galerie Graz zum Spielen und Entdecken bereit.

“1809” und andere Napoleonica aus der kulturhistorischen Sammlung

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Das Blatt

Ein nächtliches Theatrum belli: Der Schauplatz ist in Grundzügen klar erkennbar, ebenfalls die vergeblichen Sturmangriffe der Belagerer. Wichtig ist aber nicht nur der Ausgang des Gefechts, in dem sich Major Hackher und seine Truppe behaupten können. Was zählt, ist der dramatische, spektakuläre Effekt – abgesehen von der alles in allem topografisch getreuen Wiedergabe.

Nächtliche militärische Aktionen, Gefechte, Belagerungen und Brände waren ein beliebtes Sujet der Zeit, besonders wenn Zerstörungen zu sehen sind. Faszination mischt sich mit Schrecken, es ist eine Variante des „Erhabenen“, man spricht vom „Kanonenfieber“. Bekannt ist die Schaulust, die Goethe ergreift, als er 17 Jahre früher, im September 1792, das legendäre Artilleriegefecht von Valmy als Augenzeuge erlebt. Er wird später von einer historischen Wende, „einer neuen Epoche der Weltgeschichte“ schreiben.

Auch für den anonymen Grazer Grafiker ist der Anschein der Augenzeugenschaft wichtig: Er will ein spektakuläres Ereignis in Szene setzen, als sei er – wie der Dichter bei Valmy – persönlich dabei gewesen. Auch gilt es, die Leistung der Belagerten zu würdigen, die unter starkem Beschuss standhielten – wobei stillschweigend unterschlagen wird, dass schwere Belagerungsartillerie erst gar nicht zum Einsatz gekommen ist.

Die Technik

Schabkunst, auch Mezzotinto genannt, ist eine grafische Technik, die auf dem Aufrauen der Kupferplatte durch ein Wiegemesser beruht und eine samtene, weichzeichnende Wirkung hervorruft, die an Gemälde erinnert. Sie wird im 17. Jahrhundert in Deutschland erfunden, erlebt aber ihren Höhepunkt in England, wo sie im 18. Jahrhundert eine beliebte Reproduktionstechnik darstellt. Einen bedeutenden Bestand vor allem englischer Schabkunstblätter aus dem 18. Jahrhundert, der vor einigen Jahren in einer Ausstellung zu sehen war, besitzt das Kupferstichkabinett der Alten Galerie. Die dort erreichte Perfektion geht dem Grazer Blatt deutlich ab, was aber seinen historischen Zeugniswert keinesfalls mindert.

Historischer Kontext

Wie kaum ein anderes militärgeschichtliches Ereignis ist die Belagerung des Grazer Schlossberges zu einem steirischen Mythos geronnen, als hätte eine kleine Grazer Besatzung – wie Erzherzog Karl bei Aspern – den „Unüberwindlichen“, also Napoleon, überwunden.

Kriegsentscheidend ist dieser Abwehrerfolg nicht. Schon die Gefechte in der Steiermark verlaufen zugunsten der Franzosen. Napoleon selbst führt vor den Toren Wiens, bei Wagram, die Entscheidung herbei. Im Frieden von Schönbrunn muss Österreich empfindliche Gebietsverluste hinnehmen und den Sieger als künftigen Schwiegersohn des Kaisers akzeptieren. Die Heirat mit der Habsburgerin Marie-Louise 1810 gibt Napoleon die – letztlich vertane – Möglichkeit, seine militärische Hegemonie durch Begründung einer eigenen Dynastie zu nobilitieren und so nachträglich zu legitimieren.

Der Triumph Napoleons scheint überwältigend, ist aber nicht fleckenlos: Trotz aller im Kampagnenjahr 1809 errungenen Siege – in Süddeutschland und Österreich – wiegt die Bilanz des Kampfes gegen Erzherzog Karl und dessen reorganisierte Armee überaus schwer, vor allem bei Aspern und Wagram. Die Verluste sind sehr hoch, aber zum Fälschen gibt es die bulletins, die amtlichen Verlautbarungen. Fake News sind keine Erfindung unserer Zeit.

Hinzu kommt das nicht minder belastende Trauma durch den desaströs verlaufenden Spanienfeldzug von 1808, verstärkt durch den zeitweise bedrohlichen Aufstand in Tirol: Beide Erhebungen sind Volkskriege, die von allen Beteiligten mit größter Härte ausgefochten werden. Und vor aggressiven Volkskriegern, die sich nicht an die Regeln halten, hegt Napoleon seit jeher große Furcht, ein Gefühl, das er übrigens mit seinen gekrönten Gegnern teilt.

Unter dem Druck der Ereignisse wandeln sich Napoleons Armeen spürbar: Um die Lücken wieder aufzufüllen, die der permanente Krieg in seine Reihen reißt, sieht er sich mehr und mehr gezwungen, auf die Truppen der Vasallen, der Rheinbundstaaten, zurückzugreifen.

Napoleon selbst ist in Graz nicht anwesend. Auf einen leichten Sieg hoffend, hat er die Belagerung seinen Untergebenen überlassen. Dabei ist gerade die Belagerungskunst sein ureigenes Metier: Als gelernter Artillerieoffizier hat er seine ersten Lorbeeren vor Toulon 1793 geerntet, als er zur Einnahme des britisch besetzten Mittelmeerhafens beiträgt. Aber all das wird überstrahlt vom Italienfeldzug 1796/97, womit der noch nicht 30-Jährige seinen Ruf als Meister des Bewegungskrieges begründet. Belagerungen stören da nur, sie sind zeitraubend, kostspielig und verlustreich, dazu traumatisch, nicht selten für beide Seiten.

Auch Wien muss 1809 eine Beschießung erdulden – Anlass für eine Reihe zeitgenössischer, sehr dramatisch gehaltener Darstellungen, geprägt durch heranfliegende, rotglühende Artilleriegeschosse und nächtliche Brände.

Noch ist es Napoleon gewöhnt, dass man ihm, dem Sieger, demütig die Schlüssel der Stadt überreicht, mit oder ohne Belagerung. Nur wenige Jahre später, während des Russlandfeldzuges von 1812, wird sich das auf bestürzende Weise ändern.

Napoleonica allgemein

Seit über 200 Jahren sind Napoleonica ein eigenes Sammelgebiet. Napoleon selbst hat seit Beginn seiner Laufbahn ständig an der eigenen Legende gestrickt. Er ist nicht nur ein Meister des Krieges, sondern auch der Selbstvermarktung; er bleibt das auch bis zum Exil von St. Helena, wo er sein berühmtes „Vermächtnis“ diktiert, um die eigene Rolle für die Nachwelt ein für alle Mal festzuschreiben. Man wird sich noch lange an ihm abarbeiten.

So sind es eben nicht nur die unübersehbaren, noch heute stehenden Monumente, Triumphbögen und Siegessäulen, die seinen Ruhm verewigen sollen. Eine wahre Flut von Kleinobjekten, von Devotionalien, begründet den Kult aufs Neue bzw. trägt ihn weiter. Die hier gezeigte Eisenguss-Büste ist recht grob, stellt aber deswegen ein authentisches Zeugnis für die quasi-religiöse Verehrung dar.

Porträtbüste Napoleons, Eisenguss, wohl Mariazell, um 1810, KHS, Foto: Universalmuseum Joanneum/V. Delic

Pfeifenköpfe sind beliebte Gesinnungsausweise: Napoleon, „Weltgeist zu Pferde“ und Gegner der alten, später als Träger der Restauration auftretenden Mächte, wird zu einer Art Freiheitssymbol, wiewohl er erwiesenermaßen ein Despot ist. Ungewöhnlich ist die Szene, die ihn als Verwundeten zeigt. Ein großes Historienbild bzw. ein danach erstellter Stich sind die Quelle für jenen Moment, wo er auf dem Feldzug von 1809 vor Regensburg zum ersten und einzigen Male in seinem Soldatenleben verwundet wird. Napoleon lässt die Verletzung nur kurz behandeln, um bald darauf den Sturm auf die Stadt zu leiten – mit viel gravierenderen Folgen für alle Beteiligten, als dies in Graz der Fall gewesen ist.

Pfeifenkopf mit Darstellung der Verwundung Napoleons vor Regensburg, 1809, KHS, Foto: Universalmuseum Joanneum/V. Delic

Nicht minder aufschlussreich ist die Perspektive der Gegner. Ein wohl in Berlin gefertigtes Tintenzeug aus Eisenguss in Form eines fiktiven klassizistischen Sarkophags wird vom legendären Hut Napoleons bekrönt, dem bicorne. Innen, am Boden des Sarkophags, ist eine Darstellung des Korsen zu sehen, ganz so wie er 1821 in Uniform und Feldherrenmantel auf St. Helena bestattet wurde.

Ein dauerhaftes, der Verehrung gemäß überdimensioniertes Grab erhielt Napoleon erst 1840, als der Leichnam nach Paris überführt und im Invalidendom zentral beigesetzt wurde. Initiator ist Louis-Philippe, der sich der Ruhmlosigkeit seines eigenen Bürgerkönigtums bewusst war. Es brauchte einen großen Helden für die kleinen Leute, in Frankreich wie anderswo auch. Der Mythos wirkt bis heute.

Beliebt waren auch sogenannte Schraubmedaillen, wie sie in Augsburg hergestellt wurden. Kettenartig zusammenhängende Papierbilder zeigen in schematischer Form Siege der drei alliierten Monarchen, die bald die „Heilige Allianz“ bilden werden, im letzten Feldzug gegen Napoleon 1814, bevor die legendären Hundert Tage, Napoleons überraschende Rückkehr auf den Thron, ein erneutes Eingreifen erfordern, das zur Entscheidung von Waterloo führt. Die Überwindung des lange für unbezwingbar geltenden Napoleon wird zum Befreiungswerk emporstilisiert, aber eine Befreiung im staatsbürgerlichen Sinne ist das nicht. Die Restaurationszeit ist nun am Wort.

Kultur trifft Picknick im Grünen

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An ausgewählten Standorten des Universalmuseums Joanneum werfen wir im Sommer die Picknickdecken aus und laden von Mai bis Oktober zu einem einzigartigen Mix aus Natur und Kultur. Der Österreichische Skulpturenpark, das Rosegger-­Geburtshaus, die Schlösser Stainz und Eggenberg laden zu Themenführungen mit anschließendem Picknick in den anliegenden Parks und Gärten. Dabei gibt es in Picknickkörben regionaler Anbieter ausgewählte Spezialitäten zu entdecken.

Skulpturenpark

Im Österreichischen Skulpturenpark in Premstätten gibt es auf sieben Hektar über 70 Skulpturen zu entdecken. Eine Führung durch den Park gleicht einem Spaziergang, der mit einem Picknick genau den richtigen Abschluss findet. Quer durch den Park wird dem Wechselspiel zwischen Natur und Skulptur nachgegangen und über die Landschaftsarchitektur und die Entstehung des Parks gesprochen. Das Hotel Ramada wartet mit zwei verschiedenen Picknickkörben in den Varianten „Steirisch“ und „Vegetarisch“ auf.

Picknick im Skulpturenpark (c) Region Graz – Tom Lamm (26)

Rosegger-Geburtshaus

Der rund dreißigminütige Fußmarsch hinauf zum Geburtshaus stimmt auf die Genussreise ein und die Führung „Eierkuchen, Sterz und Grubenkraut“ macht mit Einblicken in die bäuerliche Ernährung zu Roseggers Lebzeiten und die Lieblingsspeisen des „Waldbauernbuben“ Appetit. Gestillt wird dieser mit Picknick-Körben in den Varianten „Brettl-Jause“, „Vegetarisch“ oder „Backhendl“ von Catering Königshofer.

Geburtshaus von Peter Rosegger, Foto:UMJ/KH Wirnsberger

Schloss Stainz

Die Führung „Alles zum Thema Jagd“ im Jagdmuseum Schloss Stainz vermittelt Wissenswertes über die Wurzeln der Jagd in Österreich. Danach werden die Picknickdecken unter den Kastanien- und Nussbäumen vor der alten Schmiede und dem Zehentspeicher des Schlosses ausgebreitet. Passend zum Thema Jagd stellt die Genussmanufaktur Lukashof Bio-Picknickkörbe – entweder eine „Jäger-Jause“ mit Wildspezialitäten oder eine „Veggie-Jause“ mit Produkten aus regionaler Landwirtschaft – zusammen.

Innenhof Schloss Stainz, Alexander Rauch / studio brighten

Schloss Eggenberg

Zwischen zwei Führungen kann man im Schloss Eggenberg wählen, bevor es zum Picknick im idyllischen Schlosspark geht. Bei der Führung „Schloss Eggenberg im Rokoko“ kann man die Prunkräume erkunden, in denen Wandbespannungen von den Freizeitbeschäftigungen der Schlossbewohner/innen und -gäste zeugen, die sich nach einer Partie Tarock gerne zum Picknick im Garten einfanden. Den „Garten im Wandel“ entdeckt man beim Rundgang durch den 400 Jahre alten Landschaftspark, an dessen Ende man sich zum Picknick niederlassen kann. Für diesen Anlass packt das Café Pavillon einen steirischen oder italienischen Picknickkorb. Letzteren gibt es auch in vegetarischer Variante.

Österreichisches Freilichtmuseum Stübing

Bei einer Führung durch das zentrale Freilichtmuseum Österreichs erfährt man spannende Geschichten über das Bauen, Wohnen, Arbeiten, Feiern – kurz: das Leben der bäuerlichen Bevölkerung von einst. Im Anschluss kann man es sich inmitten der wunderschönen Naturlandschaft im Schatten der historischen Bauernhäuser gemütlich machen und ein Picknick mit einer Bauernjause wie anno dazumal, in den Varianten “Bretteljause” oder “Vegetarisch” genießen.

oefm_Stuebing_Picknick_Foto_Harry_Schiffer

Alle Daten und Informationen zu den Picknickangeboten des Universalmuseums Joanneum gibt es auf unserer Webseite und bei Tourismus Steiermark.

Franz Josef Böhm – Chronist des Mürztales.

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Der Kaiser und sein Jagdschloss

Als professioneller Fotograf erwirtschaftete Böhm den Großteil seines Einkommens durch Atelieraufnahmen. Er wagte sich jedoch auch in die Landschaft hinaus und zu bedeutenden Ereignissen, und zwar mit einer Ausrüstung, die am Beginn des 20. Jahrhunderts nicht so handlich, kompakt und leichtgewichtig war wie heute und auch nicht einfach im Auto verstaut werden konnte, um direkt zum Ort des Geschehens zu fahren.

Kaiser Franz Josef I. kam mit dem russischen Zaren Nikolaus II. Ende September 1903 nach Mürzsteg, um die politische Situation am Balkan zu besprechen und einen Konsens über ein gemeinsames Vorgehen in der Krisenregion zu finden. Böhm erhielt den Auftrag, den Aufenthalt der Monarchen fotografisch festzuhalten. Die politischen Gespräche wurden immer wieder unterbrochen, um der kaiserlichen Jagdleidenschaft zu frönen und ein paar Gämsen zu erlegen. In nur zwei Jagdtagen erlegten – laut kaiserlichem Leibjäger und Verwalter des Jagdschlosses – der Kaiser, der Zar und der damalige Thronfolger Franz Ferdinand 37 Stück Gamswild. Böhm hielt mit seiner Kamera vor allem die Jagdausflüge der hohen Herren fest.

Kaiser Franz Josef I. und Zar Nikolaus II. passieren 1903 in der Kutsche das Tor des Jagdschlosses. c Multimediale Sammlungen, Foto: Franz Josef Böhm

Das politische Ergebnis des Treffens, die sogenannten „Mürzsteger Beschlüsse“, zeigten im Nachhinein betrachtet jedoch kaum Wirkung.

Erzherzog Karl Franz Josef, später als Karl I. letzter österr. Kaiser, bei der Auerhahnjagd im Jahr 1910, mit Jäger und Treiber beim Abstieg von der Pretulalpe. c Multimediale Sammlungen, Foto: Franz Josef Böhm

Franz Josef I. soll im Lauf seines Lebens an die 55.000 Stück Wild erlegt haben. Die Leidenschaft des Kaisers entsprach ganz der klassischen Freizeitgestaltung des Adels, denn nur dieser konnte sich die kostspieligen Jagdreviere auch leisten. Franz Josef standen gleich mehrere Jagdgebiete zur Verfügung, das kaiserliche Revier in Neuberg an der Mürz, in dem Hofjagden im Frühjahr und Herbst stattfanden, galt in der Monarchie als eines der schönsten. So ließ sich Kaiser Franz Josef 1869 ein Jagdhaus, das als großbürgerliches Landhaus vom Wiener Architekten-Duo August Schwendenwein und Johann Romano entworfen wurde, errichten, das er aus seinem Privatvermögen bezahlte. 1886 wurde ein Park rund um das Anwesen hinzugefügt und zeitgleich eine Wasserleitung eingebaut. 1879 wurde das Gebäude zum ersten Mal durch den Anbau des Nordwesttraktes erweitert.

Mürzsteg mit dem kaiserlichen Jagdhaus im Hintergrund um 1900, bevor es erweitert wurde. c Multimediale Sammlungen, Foto: Franz Josef Böhm

Bis zum zweiten Ausbau im Jahr 1903 war es als bescheidenes Anwesen angelegt, seither heißt es auch offiziell „Jagdschloss Mürzsteg“. Das Gebäude mit seiner steilen Dachlandschaft und schindelverkleideten Fassade im Obergeschoss zieren seither drei mehrgeschossige Türme und ein Erker.

Mürzsteg mit dem fertig umgebauten kaiserlichen Jagdschloss im Hintergrund. c Multimediale Sammlungen, Foto: Franz Josef Böhm

Das Jagschloss beherbergte 6 Gästezimmer, einen Speisesaal, ein Billardzimmer und Appartements für hochrangige Gäste. c Multimediale Sammlungen, Foto: Franz Josef Böhm

Nach dem Ersten Weltkrieg wurde das Schloss enteignet, die Repräsentationsräume wurden zu einem Museum umgewandelt und der restliche Teil des Gebäudes an Sommergäste vermietet. Im Zweiten Weltkrieg stand es dann meist leer. Im März 1945 diente es als Versteck für die ungarische Stephanskrone, die von Ferenc Szálasi nach Absprache mit Hitler im Bunker des Schlosses untergebracht wurde, um sie vor der anrückenden Roten Armee zu verstecken. Kurze Zeit später wurde die Krone per Lastwagen über Mariazell nach Mattsee gebracht und dort versteckt. Seit 1947 steht das Schloss nun dem jeweiligen Bundespräsidenten der Republik Österreich als Sommersitz zur Verfügung. Heute steht das Gebäude unter Denkmalschutz und ist aus Sicherheitsgründen nicht mehr zu besichtigen.

Kaiser Franz Josef war mit den 1903 entstandenen Aufnahmen von Franz Josef Böhm sehr zufrieden und verlieh ihm aus diesem Anlass den Titel des „Hof- und Kammerphotographen“.

Rückseite einer Kabinettkarte (auf Karton fixierte Fotografie im Format von ca. 10 x 15 cm) des Hof- und Kammerfotografen Franz Josef Böhm. c Multimediale Sammlungen, Foto: Franz Josef Böhm

Die Aufnahmen dieser Jagdgesellschaft verschafften dem jungen Fotografen auch eine gewisse überregionale Berühmtheit. Kunden aus Wien und Graz kamen nach Mürzzuschlag, um sich vom Fotografen des Kaisers ablichten zu lassen.
1906 erhielt Böhm auch von Zar Nikolaus II. für die übersandten Bilder der Hofjagd von 1903 den Titel „Hofphotograph Seiner Majestät des Kaisers von Russland“ verliehen, den er nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges jedoch wieder ablegte. Das Diplom schickte er an die Bezirkshauptmannschaft.

Das Kaiserhaus beauftragte Böhm immer wieder, Fotografien anzufertigen. So fotografierte er im Februar 1908 Erzherzogin Marie Josefa und ihre Söhne Erzherzog Karl Franz Josef und Erzherzog Max bei der Ausübung des Wintersports am Semmering: Erzherzog Max als Skiläufer und Erzherzog Karl Franz Josef mit Anhang auf einem Bobsleigh. Laut Zeitungsberichten musste Karl Franz Josef auf das Schifahren verzichten, weil er sich zuvor ein Bein gebrochen hatte. Acht Monate später erhielt Böhm für die Fotografien von Erzherzog Karl Franz Josef eine „prachtvolle Brillant-Busennadel“ und ein Anerkennungsschreiben durch die Kammervorstehung überreicht.

Franz Salvator von Österreich-Toskana bei der Auerhahnjagd im Jahr 1905 mit Jäger und Treiber. Der Schwiegersohn des Kaisers war häufiger Jagdgast in Mürzsteg. c Multimediale Sammlungen, Foto: Franz Josef Böhm

Erzherzog Karl Franz Josef mit Resa Hansy, der Frau des Kurhausdirektors am Semmering, und weiteren Begleitern als Steuermann auf einem Bobsleigh im Jahr 1908. c Multimediale Sammlungen, Foto: Franz Josef Böhm

Abgesehen von diversen Verleihungen und kaiserlichen bzw. erzherzoglichen Geschenken war für Böhm die Veröffentlichung der Aufnahmen in diversen Zeitschriften wie „Sport & Salon. Illustrierte Zeitschrift für die vornehme Welt“, die die wintersportlichen Unternehmungen der Erzherzöge – vor allem jene Erzherzog Karl Franz Josefs – genauestens kommentierten, lukrativ. Durch solche Publikationen wurde Böhm auch außerhalb der Region bekannt.

Franz Josef Böhm schreitet 1905 eine Strecke erlegten Wildes ab. Im Hintergrund ist ein Teil des Jagdschlosses Mürzsteg zu sehen. c Multimediale Sammlungen, Foto: Franz Josef Böhm

Kunst selbst entdecken – mit dem Mitmachsack

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Kunst braucht dich: Sie will erfahren werden. Die unterschiedlichen Erfahrungen, die wir mit Kunstwerken machen, legen erst ihre vielen Facetten und Qualitäten frei. Jede Begegnung mit einem Kunstwerk ist in diesem Sinne kostbar.

Mit diesem leichten Gepäck bist du bestens für deine persönliche Entdeckungsreise im Museum ausgerüstet: Im „Mitmachsack“ findest du ein Begleitheft mit Fragen, Vorschlägen und Anregungen sowie besondere Gegenstände, die du während deiner Ausstellungstour gebrauchen kannst. Auch um selbst kreativ zu werden, genügt ein Griff in den „Mitmachsack“: Stifte und Klemmbrett zum Zeichnen sind schon vorbereitet!

In der Ausstellung Wer bist du? Porträts aus 200 Jahren entdeckst du geheime Gedanken der Dargestellten. Du machst dich auf die Suche nach eindrucksvollen Posen oder verhaltenem Lachen und findest das versteckte Gesicht in einer Stadtansicht.

Den „Mitmachsack“ kannst du dir an der Information im Joanneumsviertel gratis zu deinem Eintrittsticket für die Dauer deines Museumsbesuchs ausborgen.

Viele Begegnungen warten auf dich – mach mit und lass dich überraschen!

Bei SUPERFLEX in Kopenhagen

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Ein Umspannwerk für die Produktion von Kunst

Vor Kurzem hat die Künstlergruppe ihr neues Studio bezogen, ein ehemaliges Umspannwerk in der Nyborggade. Der Ort ist an sich schon sehr beeindruckend, doch das Investment, Industrieräume entsprechend den Bedürfnissen eines Künstlerstudios zu adaptieren, ist es nicht minder. Nun gibt es reichlich Platz für Büros, Archiv, Bibliothek, Lagerflächen und für die Projektentwicklung. Sogar ein eigenes Kino ist geplant.

 

Das Studio von SUPERFLEX im Umspannwerk, Foto: Barbara Steiner

 

Gegründet 1993

Als Künstlergruppe von Bjørnstjerne Christiansen, Jakob Fenger und Rasmus Nielsen 1993 gegründet, führte Superflex in den letzten Jahren mehrere Großprojekte durch – wie etwa Superkilen in Kopenhagen (mit BIG und Topotek1) und One Two Three Swing für die Tate Modern. Letztgenanntes ist nun am Dora Observatorium in Seoul nahe der nordkoreanischen Staatsgrenze zu sehen. Als Donald Trump Kim Jong-un an der Grenze der beiden koreanischen Staaten traf, wurde One Two Three Swing im nationalen Fernsehen zusammen mit dem politischen Ereignis gezeigt und fungierte sogar als Metapher, die unbeweglichen Beziehungen zwischen Nord- und Südkorea in Bewegung zu setzen. Zeitgleich zur nächsten Biennale in Venedig (2021) wird Superflex im Auftrag von TBA21 Academy Deep Sea Minding, ein groß angelegtes künstlerisches und wissenschaftliches Forschungsprojekt, umsetzen, das sich mit den Folgen des Klimawandels und dem Anstieg des Meeresspiegels befasst.

 

Studio SUPERFLEX, l. Mikael Brain, Director of Development and Production & r. Bjørnstjerne Christiansen, Künstler / Foto: Barbara Steiner

 

Superflex und der Kunstbetrieb

Die Gruppe stand dem Kunstbetrieb von Anfang an skeptisch gegenüber. Zunächst war das Verhältnis oppositionell, heute könnte man es eher im Sinne einer wechselseitigen Herausforderung beschreiben. Superflex bewegt sich in dem von der Gruppe kritisierten Terrain, ohne sich deshalb ökonomischen Mechanismen und Machtverhältnissen in einer globalisierten Welt zu unterwerfen. Diese werden exponiert, mitunter übersteigert oder demontiert. Mit künstlerischen „Tools“ bietet Superflex auch Alternativen zu bestehenden ökonomischen Modellen und Machtverhältnissen.

Das Unternehmen Superflex

Im Laufe der Zeit hat sich die Organisationsform verändert: Stand der Name Superflex zunächst synonym für die drei Gründer, so fungiert dieser nun als eine Art Metakonstruktion. Heute arbeiten insgesamt fünfzehn Personen für Superflex, letztendlich auch Bjørnstjerne Christiansen, Jakob Fenger und Rasmus Nielsen. Die personelle Zusammensetzung (mit Malene Natascha Ratcliffe als Studio Director, Mikael Brain als Director of Development and Production und vielen anderen) und die neuen Produktionsanforderungen manifestieren sich nicht zuletzt auch räumlich im neuen Studio in der Nyborggade.

In den Zisternen Kopenhagens

Unter dem Frederiksberg im Herzen des Søndermarkenparks in Kopenhagen

befinden sich die sogenannten „Zisternen“ (dänisch: Cisternerne). Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an versorgten sie die dänische Hauptstadt mit Trinkwasser. Sie konnten bis zu 16 Millionen Liter sauberes Wasser aufnehmen. 1933 stellte man deren Funktion als Trinkwasserspeicher ein und 1981 wurden sie schließlich entwässert. Heute gehören sie zu den Frederiksberger Museen und werden für Kunstausstellungen und andere Veranstaltungen genutzt, bei denen die spezielle Atmosphäre des Ortes eine zentrale Rolle spielt. 2019 wurde SUPERFLEX eingeladen, in den Zisternen eine Ausstellung zu machen. Sie erzeugt ein düsteres Bild der menschlichen Zukunft.

 

Rundgang in der Zisterne, Foto: Barbara Steiner

 

Das Ende der Menschheit

Die Besucher/innen betreten zunächst einen Umkleideraum. Dort muss man Gummistiefel anziehen, dann wird man in die Unterwelt der Zisternen entlassen, die Superflex teilweise wieder fluten lassen haben. Die Besucher/innen waten durch mehrere Zentimeter tiefes Wasser und durchschreiten eine düster anmutende Klanglandschaft, die aus einer überarbeiteten Version des Justin-Timberlake-Hits Cry Me A River von 2002 besteht.

 

UNFCCC Replika Toiletten, Foto: Barbara Steiner

 

So tastet man sich durch die dunklen Zisternen, bis man auf überflutete Toilettenanlagen trifft, eine exakte Kopie der Vorstandstoiletten des Bonner Hauptsitzes der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC). Sie erscheinen als Mahnmal des menschlichen Konsums und des globalen Kampfes gegen die dadurch verursachten Schäden. Kurz darauf trifft man auf die LED-Lichtinstallation It is not the End of the World, die an eine Werbe- oder Informationswand erinnert. Der Satz schlägt uns eine neue Rolle bei der zukünftigen Entwicklung unseres Planeten vor: unsere Abwesenheit.

 

IT IS NOT THE END OF THE WORLD: ein Aufruf an unsere Abwesenheit im Weltklimageschehen, Foto: Barbara Steiner

 

Es ist nicht das Ende der Welt

Während unseres verhältnismäßig kurzen Aufenthaltes auf der Erde haben wir einen enormen Fußabdruck im gesamten Ökosystem hinterlassen, der durchaus mit großen Naturkatastrophen vergleichbar ist. Innerhalb weniger Generationen wird der globale Meeresspiegel um mehrere Meter ansteigen. Das Ende der Menschheit beginnt sich abzuzeichnen. Aber man kann dies durchaus als Neuanfang für den Planeten sehen. Wir werden nicht gebraucht, damit dieser weiterbesteht. Die Ruinen der Menschheit transformieren sich zur Infrastruktur für die zukünftigen nicht-menschlichen Bewohner der Erde –  so das von Superflex angedeutete Szenario. Als ich im Vorfeld dieser Ausstellung von Superflex’ Plänen für die Zisternen hörte, dachte ich, dass dies vielleicht zu sehr die Anmutung eines Fun Parks haben könnte – à la „wir spielen (unverbindlich) Weltuntergang.“ Doch die Ausstellung berührt und macht nachdenklich, vielleicht weil man sich in den großen, spärlich ausgeleuchteten Hallen sehr allein, klein und unbehaglich fühlt.

Franz Josef Böhm – Die Nordischen Winterspiele von 1904

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Die Skipioniere Max Kleinoschegg und Toni Schruf auf ihren „Bretteln“, o. J., Multimediale Sammlungen, Foto: Franz Josef Böhm

Zunächst noch als „narrischer Brettlrutscher“ bezeichnet, gelang es Toni Schruf in wenigen Jahren den Skisport in Mürzzuschlag zu etablieren und dieser trat, so erzählt die Geschichte, von hier aus seinen Siegeszug um die Welt an. Schon bald wurden in Mürzzuschlag die ersten Skiwettbewerbe abgehalten. Die Sommerrodel oder das Wurfkegelspiel Schmirageln – in anderen Gegenden auch als Schmarrageln oder Schmarakeln bekannt – auf Eis einzuführen, gelang dem stets nach Unterhaltung für seine Gäste suchenden Schruf jedoch nicht.

Toni Schruf auf der von ihm entwickelten Sommerrodel, deren Verbreitung sich jedoch nicht durchsetzte, 1931, Multimediale Sammlungen, Foto: Franz Josef Böhm

Hingegen konnte er 1904 die „Nordischen Spiele“, die drei Jahre zuvor das erste Mal in Stockholm ausgetragen worden waren, nach Mürzzuschlag holen. Er beauftragte seinen guten Freund, den Mürzzuschlager Fotografen Franz Josef Böhm, die Winterspiele fotografisch festzuhalten.

Vom 31. Jänner bis zum 2. Februar 1904 wurden also die „2. Nordischen Spiele“ in Mürzzuschlag durchgeführt. Während in Stockholm die Bewerbe im Eislauf klar im Vordergrund standen, kamen nun sämtliche Wintersportbewerbe zum Zug: Schneeschuhlaufen (Skifahren), Skispringen, Eisschnell- und Eiskunstlauf, Eishockey, Eisstockschießen, Rodeln, Snorekjöring/Skikjöring, Hörnerschlitten- und Gasselfahrten.

Toni Schruf beim Schmiraggeln, 1930, Multimediale Sammlungen, Foto: Franz Josef Böhm

Für die Bewerbe wurden eigene Spielstätten angelegt: eine Sprungschanze am nördlichen Abhang des Ganzsteines, eine Rennbahn und eine Schlittenbahn. Auf der „Grünen Insel“ wurde auf einer 3.700 m² großen Wiese der Eislaufplatz errichtet. Darauf befand sich ein aus Eisblöcken errichteter Eispalast, der als Labestation für Schaulustige diente, die dort mit warmen Getränken und Erfrischungen versorgt wurden. Ein großer Teil der Besucher/innen kam mit der Südbahn aus Wien, Graz etc. angereist. Die k. und k. priv. Südbahn setzte Sonderzüge ein und gewährte sogar eine 50%ige Fahrpreisermäßigung für den Besuch der Spiele.

Nordische Spiele: Franz Josef Böhm vor dem Eispalast, 1904, Multimediale Sammlungen, Foto: Franz Josef Böhm

Am ersten Tag des Bewerbes fand laut Grazer Volksblatt bei „prächtigem Skiwetter“ der Schneeschuhdistanzlauf über 20 km statt. Die Strecke führte von der Pretulalpe über den Bettelbauer zur Rodelbahn. Der Sieger Josef Wallner legte die Strecke in 1 h 31 min zurück.

Es folgten die Hörnerschlittenfahrten der Herren und der Holzknechte auf der Wasserleitungswiese (Pernreit). Beim Herren-Bewerb wurden je zwei Fahrgäste, beim Holzknecht-Bewerb je Schlitten ein Kubikmeter Scheitholz transportiert. Auch das Preisrodeln wurde am ersten Tag durchgeführt. Nach dem Rennen nutzten vor allem „zahlreiche schneidige Mädchen und Damen“ die Gelegenheit, auf der Bahn zu rodeln. Das Grazer Volksblatt regte daraufhin an, beim nächsten Mal auch Mehrsitzer-Bewerbe für beiderlei Geschlechter auszuschreiben, aber natürlich nach „Herren- und Damenbesatzung getrennt“.

Nordische Winterspiele: Die Hörnerschlittenfahrt der Herren, 1904, Multimediale Sammlungen, Foto: Franz Josef Böhm

Am Ende des ersten Tages fand das „Wettspringen auf Schneeschuhen“ am Ganzsteinhang statt. Die eigens dafür errichtete Sprungschanze entsprach in ihrer Bauweise dem Holmenkollbakken (Norwegen), auf dem bereits 1892 die ersten Bewerbe durchgeführt wurden.

Der beste Springer der damaligen Zeit, Wilhelm Wettergreen aus Norwegen, durfte nur außer Konkurrenz starten. Der Sieger des Bewerbes, Paul Pichler aus Wien, erreichte eine Weite von 12,06 m, der Norweger sprang mit 23,92 m fast die doppelte Weite.

Die Presse berichtete gerne und ausführlich über den Stargast aus Norwegen: „Wettergreen war wieder der Held des Tages und was er heute zeigte, waren zum Teile förmliche Akrobatenkunststücke. Er führte einen Sprung nur mit einem Ski bewaffnet aus, bleib beim Aufsprung stehen, setzte den rechten Fuß hinter den linken auf den Ski, sauste wie der Blitz nach abwärts und mit kühnem Telemark-Schwung bremste er inmitten der fliegenden Fahrt.“ (Prager Tagblatt Nr. 33 vom 2. Februar 1904)

Nordische Spiele: Der Norweger Wilhelm Wettergreen gehörte zu den besten Skispringern seiner Zeit, 1904, Multimediale Sammlungen, Foto: Franz Josef Böhm

Am zweiten Tag fanden zunächst die Kinder- und Jugendbewerbe im Schneeschuhlaufen und Rodeln statt. „[…] Der Vormittag gehörte den Jugendspielen. Wohl anderthalb Hundert Schulkinder zogen mit dem Rodelschlitten und 60 weitere mit den Bretteln bewaffnet hinter der Stadtkapelle her. Die Leistungen und die Gewandtheit der Kleinen waren förmlich verblüffend und lassen wohl ahnen, daß die heutige Jugend einst dieselbe Sicherheit auf dem Schneeschuh erreichen wird, wie die Norweger, die auch heute durch Wettergreens Produktionen verblüfften.“ (Prager Tagblatt)

Nordische Winterspiele: Die Teilnehmer/innen der Kinder- und Jugendbewerbe im Rodeln und Schneeschuhlauf, 1904, Multimediale Sammlungen, Foto: Franz Josef Böhm

Anschließend fanden die Rodelbewerbe wie das Gasselfahren für Traber und Gebrauchspferde, bei dem der Schlitten mit mindestens einer Person von einem Pferd gezogen wurde, Fiaker-Schlitten- und Bauernschlitten-Wettfahrten und das Snorekjöring statt.

Am dritten Tag wurden die Eislaufbewerbe, geleitet vom Wiener Eislaufverein mit Schnell- und Kunstlauf, sowie „der in Steiermark zum ersten Mal gezeigte Kampf zwischen Mannschaften ‚um den Ball am Eise‘ (Eis-Hockey-Spiel)“ (Grazer Volksblatt Nr. 52, 3. Februar 1904) abgehalten. Eisläufer aus Wien dominierten die Bewerbe, lediglich das Eishockeyspiel wurde von der Mannschaft aus Prag gewonnen.

Nordische Spiele: Der Eislaufplatz auf der „Grünen Insel“, 1904, Multimediale Sammlungen, Foto: Franz Josef Böhm

Trotz des großen sportlichen Erfolgs und der zahlreichen Besucher/innen, die nach Mürzzuschlag kamen, war das finanzielle Defizit der Veranstaltung enorm. Die langfristige Auswirkung der Nordischen Spiele zeichnete sich in der Gründung vieler Wintersportvereine ab. Der Skilauf nahm in den weiteren Jahren deutlich zu, jeden Sonntag führte die Südbahn einen Sonderzug nach Mürzzuschlag, in dem Skier als Reisegepäck mitgeführt werden durften. 1905 sprang Alois Skazel, einer der ersten Berufsskilehrer Österreichs, dann sogar 24,7 m von der Ganzsteinsprungschanze und stellte mit diesem Sprung den neuen mitteleuropäischen Rekord auf. 1907 organisierte Heinrich Pokorny, Skilehrer und Wintersportbegleiter in Mürzzuschlag, mit Unterstützung Toni Schrufs den ersten norwegischen Schikurs unter der Leitung des norwegischen Lehrers Rasmus Dahl im Auersbachgraben.

Am Norwegischen Skikurs in Mürzzuschlag nahmen auch zahlreiche Frauen teil. In den darüber berichtenden Zeitungen wurden sie, im Unterschied zu den teilnehmenden Männern, sogar namentlich erwähnt, 1907, Multimediale Sammlungen, Foto: Franz Josef Böhm

Aufgrund immer häufigeren Schneemangels in der Region blieben die Touristen im Winter aus und auch Wettbewerbe konnten nicht mehr durchgeführt werden. In der Folge verlagerte sich der Skitourismus in Gegenden mit ausreichendem Schneevorkommen.


Schritt für Schritt zu “Tanz und Tod”

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Zu den Leihgaben, die seit diesem Frühjahr die Schausammlung der Alten Galerie bereichern, gehört ein kostbares Gemälde des flämischen Künstlers Sebastiaen Vrancx, der zu den wichtigen Zeugen einer dramatischen Epoche gehört. Das in steirischem Privatbesitz befindliche Werk stellt aufgrund seiner hohen Qualität und des vorzüglichen Erhaltungszustandes eine ideale Ergänzung des Eggenberger Universums dar. Das Werk ist in der Ausstellung im Bereich Der endlose Krieg zu sehen.

Lagebesprechung in Zeiten des Dreißigjährigen Krieges: Ein Trupp von Reitern hat sich um seinen Anführer geschart, um dessen Befehle entgegenzunehmen. Zusammen mit den im Bild verstreuten, am Wege rastenden Infanteristen bilden sie eher eine lockere, informelle Gruppe denn eine strenge Formation. Der Krieg scheint fern, doch zeigen eigens postierte Soldaten an, dass Wachsamkeit geboten ist. Auch besteht kein Zweifel daran, dass der befehlshabende Offizier uneingeschränkte Autorität genießt, wie das weiße Streitross sowie die zentrale Position im Bild anzeigen.

Der Umstand, dass der Kommandeur an seine Soldaten das Wort richtet, knüpft an die antike Tradition der adlocutio an, der anspornenden Rede des Feldherrn an die versammelten Truppen. Deutlich wird, dass zum Berufsbild des frühneuzeitlichen Militärs nicht nur körperlicher Einsatz, sondern auch rationales Kalkül sowie die Fähigkeit gehören, sich mit den Untergebenen rechtzeitig abzustimmen. Gemäß dem humanistischen Bildungswissen der Zeit lassen sich diese Verhaltensmuster auf die antiken Gottheiten Mars und Minerva übertragen: Während Mars für die Tugend der Tapferkeit, fortitudo, steht, repräsentiert Minerva Klugheit und Voraussicht, prudentia, vor allem dann, wenn es gilt, taktische Vorteile zu nutzen und die günstige Gelegenheit, den kairos, zu ergreifen.

Ausstellungsansicht “Zwischen Tanz und Tod”, Foto: UMJ/N. Lackner

Der Antwerpener Maler Sebastiaen Vrancx ist zusammen mit seinem Landsmann Pieter Snaeyers ein Hauptvertreter des Militärgenres in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts. Beide Künstler zeichnen sich durch eine typisch flämische, überaus figuren- wie detailreiche Erzählweise aus, die in der Tradition des „Wimmelbildes“ steht, wie es schon Pieter Bruegel der Ältere und seine Nachkommen gepflegt haben. Während Snaeyers mit seinen großformatigen, kartografisch aufgefassten Schlachtenpanoramen im Dienst der Habsburger berühmt geworden ist, nimmt Vrancx, der auch Hauptmann der Antwerpener Bürgerwehr war, regelmäßig die inoffizielle Seite des Krieges mit all ihren Brutalitäten in den Blick: eine wahrhafte Bildenzyklopädie des Schreckens und damit ein Spiegel des Zeitalters.

Wer seinen Benz liebt, der schiebt!

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Ein Highlight rollt an

Die Vorbereitungen für die Sonderausstellung laufen bereits auf Hochtouren: „Mit den kuratorischen Arbeiten sind wir eigentlich so gut wie fertig, nun ist das Gestaltungsteam der FH Joanneum gefragt“, erklärt Co-Kurator Johannes Maier, kurz bevor das Highlight der Schau – ein 1:1-Nachbau des sogenannten Benz-Patent-Motorwagens Typ 3 – in einem LKW aus Stuttgart anrollt. „Dies war das erste fahrtüchtige Automobil der Welt und mit dem Nachfolgemodell Typ 3 machte Bertha Benz, die Frau des deutschen Ingenieurs und Automobilpioniers Carl Benz, 1888 die erste Fernfahrt“, erzählt Kurator Helmut Eberhart. „Und auf ihrer knapp 100 Kilometer langen Reise von Mannheim nach Pforzheim musste sie natürlich auch tanken. Und zwar bei der Stadtapotheke in Wiesloch, die später als erste ‚Tankstelleʻ der Welt bekannt wurde“, stellt Eberhart den Zusammenhang zur bevorstehenden Ausstellung her.

Mit zweieinhalb Pferdestärken voraus

Und wie es der Zufall so will, dürfen die Mitarbeiter/innen der Ausstellung gleich hautnah erleben, wie gut das Modell des Dreiräders auf den Grazer Straßen rollt: Denn nicht etwa das erste Automobil der Welt, sondern die Größe des 12-Tonners, der das kostbare Modell aus Stuttgart hertransportierte, macht „Probleme“. „Der LKW ist zu groß, um den Benz direkt vor der Eingangstür abzuladen, deshalb müssen wir ihn das letzte Stück schieben“, erklärt Maier. Gesagt – getan: Zu viert rollen Helmut Eberhart, Johannes Maier, Martina Edler und Nikolaus Vodopivec den von Mercedes geliehenen Nachbau des ersten Automobils schließlich ins Volkskundemuseum.

 

 

Versteckte Orte im Universalmuseum Joanneum – Mit Bernd Moser Unterwegs im „Alten Joanneum“

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Der erste Weg auf unserer Suche nach versteckten oder ungewöhnlichen Orten führt uns direkt in den Innenhof des Naturkundemuseums. Wohl die wenigsten Besucher/innen, die diesen Platz überqueren, kennen die Bedeutung dieses Ortes für unser Museum: „Hier begann alles. Erzherzog Johann hat hier 1811 das Joanneum mit dem Auftrag gestiftet, Zeugnisse der Natur, Kunst und Kultur des Landes zu sammeln und zu erforschen, um damit die geistige und technologische Entwicklung der Steiermark aktiv zu fördern“, erzählt Bernd Moser.

Eine Büste des berühmten Mineralogen Friederich Mohs erinnert an die frühen wissenschaftlichen Leistungen unserer Institution. „In seiner Zeit als Professor am Joanneum entwickelte Mohs etwa die nach ihm benannte Mohs’sche Härteskala“, erklärt er weiter und schreitet hinaus zur Raubergasse, um die Fassade des 1670 bis 1674 erbauten Lesliehofs genauer zu betrachten.

Hier findet sich das erste versteckte Detail, das wahrscheinlich nur eingeweihte Besucher/innen und Mitarbeiter/innen auf Anhieb bemerken: „Man kann hier genau den um 1825 realisierten Zubau erkennen“, schildert er. „Er wurde im Stil des Originals ausgeführt, wenn man aber genau hinschaut, erkennt man, dass viele aufwendige Details vereinfacht und manche Verzierungen weggelassen wurden“, so Moser, der uns nun zwar nicht zu einem versteckten Ort, dafür aber zu seinem Lieblingsplatz im ganzen Joanneum führt – und zwar in die historische Mineraliensammlung im zweiten Stock des Naturkundemuseums.

Eine Statue Friederich Mohs’ erinnert an die frühen wissenschaftlichen Errungenschaften des Joanneums.

Hier hat 1811 alles begonnen.

Nächster Halt: die Schatzkammer der Naturkunde

„Was viele nicht wissen: Es gibt nur sehr wenige Plätze auf der Welt, an denen wie hier eine Originalsammlung auch noch am Originalort steht“, verrät der Grazer begeistert, während sein Blick über die Kostbarkeiten der Sammlung schweift. Und nicht nur die Sammlung selbst, die in 36 Vitrinen mehr als 700 Mineralarten mit mehr als 3500 Objekten aus der ganzen Welt beherbergt, sondern auch der Typus der Aufstellung ist eine Rarität: „Wir haben hier noch eine Systematik nach Tschermak, die auf das späte 19. Jahrhundert zurückgeht“, schildert Moser, der im Universalmuseum Joanneum selbst zu den Urgesteinen zählt, immerhin ist er hier schon seit 1985 im Dienst.

Was viele nicht wissen: Der Typus der systematischen Aufstellung der Mineraliensammlung im UMJ ist eine Rarität.

Urgesteine: Bernd Moser ist schon seit 1985 im UMJ im Dienst.


Schillerndes Ambiente

Eine Seltenheit ist auch das vornehme Ambiente, das die Sammlung hier umgibt. Denn sowohl im Stucksaal, der im 18. Jahrhundert als Musiksaal genutzt wurde, als auch im angrenzenden Raum, der vermutlich einst als Billardsaal diente, befindet sich bis heute das Originalmobiliar Erzherzog Johanns, das er aus Schönbrunn mitgebracht hatte. Ein weiteres Highlight sind die kunstvoll verzierten Kachelöfen, die in beiden Räumen in den Ecken thronen: „Um Schmutz zu vermeiden, wurden diese von hinten beheizt“, verrät Moser und führt uns über einen kleinen angebauten Balkon zu einem gut versteckten Ort im Naturkundemuseum, zum ehemaligen „Heizkämmerchen“.

Gut versteckt: der Zugang zum Heizraum

Über den Balkon geht’s ins ehemalige Heizkämmerchen.

Barocker Dachboden

Am steilen Weg nach oben zum nächsten versteckten Ort, dem Dachboden, erzählt Bernd Moser, woher sein Interesse und die Begeisterung für Mineralogie stammen: „Schon als Kind habe ich es geliebt, die Natur zu erkunden. Ich kannte jeden Steig, jeden Weg und jeden Fleck am Grazer Schlossberg“, schwelgt Moser in Erinnerungen. „Außerdem hat die einzige Volksschulfreundin meiner Großmutter für einen Mineralogieprofessor gearbeitet, der hat mein Interesse daran wohl entfacht – und auch die vielen Besuche des Basaltsteinbruchs bei Klöch in der Südoststeiermark, während die Verwandtschaft Kaffee und Kuchen genoss.“

Hoch oben im barocken Dachstuhl angekommen, erzählt er von einer alten Seilzugvorrichtung, die genutzt wurde, um schwere Gegenstände nach oben zu transportieren, und noch heute erhalten ist. Ebenfalls zu sehen: der 17 m lange Holztram, der das massive Deckenkunstwerk mit musizierenden Putten im zweiten Stock trägt. „Ich glaube, das ist auch eine Seltenheit, ein echter barocker Dachboden“, freut er sich, während er vorsichtig über die Holzbretter schreitet. Und wo, außer an diesen besonderen Orten, ist Moser sonst noch zu finden? „In der Ortweinschule, dort unterrichte ich Edelsteinkunde für Schmuck- und Metallgestalter, aber die meiste Zeit findet man mich im Studienzentrum Naturkunde in Andritz und privat, wenn es die Zeit zulässt, immer wieder rund um den Gardasee.“

Auch der barocke Dachboden des Naturkundemuseums ist ein Geheimtipp.

Zwischen den alten Holzbalken findet sich auch ein Holztram, der das Deckenkunstwerk im zweiten Stock trägt.

In den Zisternen Kopenhagens

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Das Ende der Menschheit

Die Besucher/innen betreten zunächst einen Umkleideraum. Dort muss man Gummistiefel anziehen, dann wird man in die Unterwelt der Zisternen entlassen, die Superflex teilweise wieder fluten lassen haben. Die Besucher/innen waten durch mehrere Zentimeter tiefes Wasser und durchschreiten eine düster anmutende Klanglandschaft, die aus einer überarbeiteten Version des Justin-Timberlake-Hits Cry Me A River von 2002 besteht.

Rundgang in der Zisterne, Foto: Barbara Steiner

So tastet man sich durch die dunklen Zisternen, bis man auf überflutete Toilettenanlagen trifft, eine exakte Kopie der Vorstandstoiletten des Bonner Hauptsitzes der Klimarahmenkonvention der Vereinten Nationen (UNFCCC). Sie erscheinen als Mahnmal des menschlichen Konsums und des globalen Kampfes gegen die dadurch verursachten Schäden. Kurz darauf trifft man auf die LED-Lichtinstallation It is not the End of the World, die an eine Werbe- oder Informationswand erinnert. Der Satz schlägt uns eine neue Rolle bei der zukünftigen Entwicklung unseres Planeten vor: unsere Abwesenheit.

UNFCCC Replika Toiletten, Foto: Barbara Steiner

Es ist nicht das Ende der Welt

Während unseres verhältnismäßig kurzen Aufenthaltes auf der Erde haben wir einen enormen Fußabdruck im gesamten Ökosystem hinterlassen, der durchaus mit großen Naturkatastrophen vergleichbar ist. Innerhalb weniger Generationen wird der globale Meeresspiegel um mehrere Meter ansteigen. Das Ende der Menschheit beginnt sich abzuzeichnen. Aber man kann dies durchaus als Neuanfang für den Planeten sehen. Wir werden nicht gebraucht, damit dieser weiterbesteht. Die Ruinen der Menschheit transformieren sich zur Infrastruktur für die zukünftigen nicht-menschlichen Bewohner der Erde – so das von Superflex angedeutete Szenario. Als ich im Vorfeld dieser Ausstellung von Superflex’ Plänen für die Zisternen hörte, dachte ich, dass dies vielleicht zu sehr die Anmutung eines Fun Parks haben könnte – à la „wir spielen (unverbindlich) Weltuntergang.“ Doch die Ausstellung berührt und macht nachdenklich, vielleicht weil man sich in den großen, spärlich ausgeleuchteten Hallen sehr allein, klein und unbehaglich fühlt.

IT IS NOT THE END OF THE WORLD: ein Aufruf an unsere Abwesenheit im Weltklimageschehen, Foto: Barbara Steiner

 

Versteckte Orte im Universalmuseum Joanneum – Mit Maria Zengerer unterwegs in den Depots von Schloss Stainz

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Richtig pompös und fast märchenhaft thront Schloss Stainz über den Dächern der Marktgemeinde Stainz, umgeben von Wein- und Obstgärten. 1229 wurde das Schloss als Augustiner-Chorherrenstift erbaut und 1840 von Erzherzog Johann gekauft. Seither ist es im Besitz der Nachkommenschaft Erzherzog Johanns und noch immer Wohnsitz der Familie Meran. Rund um die historischen Schlossgemäuer reihen sich Getreidespeicher, Werkstätten und Ställe, Orte, die heute vom Universalmuseum Joanneum als Lagerräume und Depots genutzt werden und nur für wenige Mitarbeiter/innen zugänglich sind. Und genau diesen versteckten Orten gehen wir mit Maria Zengerer auf die Spur.

Kostbarkeiten auf vier Stockwerken

Der erste Weg führt uns in den „Schenkkeller“: „Der sogenannte Schenkkeller, ein viergeschossiger Getreidespeicher aus dem ersten Viertel des 17. Jahrhunderts, wird seit 1975 als Depot der Landwirtschaftlichen Sammlung genutzt“, erklärt Maria Zengerer und sperrt die alte, sperrige Holztür auf. „Das Besondere an diesem Ort ist einerseits die lange Geschichte und andererseits das wunderschöne historische Gebäude. Früher wurde hier das Getreide der grunduntertänigen Bauern gelagert. Die Augustiner Chorherren waren gleichzeitig auch Grundherren und die zum Stift gehörenden Bauern mussten den sogenannten Zehent abliefern. In diesem Fall war es aber eine Holschuld: Die Bauern mussten jedes zehnte „Kornmandl“ (den zehnten Teil der Getreideernte) am Feld stehen lassen und dieses Getreide wurde hier gelagert“, so die Expertin. Heute befindet sich auf verschiedenen Etagen des Schenkkellers ein Teil der über 18.200 Objekte der Landwirtschaftlichen Sammlung, vor allem Großgeräte aus Holz wie historische Wägen, Schlitten, Dreschmaschinen, Aufbewahrungskörbe, Getreidewinden, Bienenkörbe, aber auch kleinere Objekte für die Fleisch-, Milch-, Flachs- und Getreideverarbeitung.

Über eine steile, knirschende Holztreppe geht es nach oben in den ersten Stock, wo schon die ersten Raritäten der Sammlung zu sehen sind: Schlitten, Karren, Fuhrwerke, Mist- und Handwägen stapeln sich im gesamten ersten Geschoss über- und nebeneinander. „Wir haben sogar einen Handwagen in der Sammlung, der von seinem Vorbesitzer hin und wieder besucht wurde“, schmunzelt Maria Zengerer. „Der ehemalige Besitzer, ein Weltraumtechniker der ESA, wollte sich einfach vergewissern, dass der Wagen aus Familienbesitz bei uns gut aufgehoben ist.“

Der erste Weg führt in den sogenannten “Schenkenkeller”.

Hinter dieser sperrigen Holztür lagern unzählige Kostbarkeiten.

Einer dieser Wägen bekommt sogar regelmäßig Besuch von seinem Vorbesitzer.

Kunstvolles Handwerk: Die Technik des Strohkorbnähens will Maria Zengerer selber einmal lernen.

Neben historischen Wägen, Dreschmaschinen und Aufbewahrungskörben, finden sich hier auch kleinere Objekte für die Fleisch-, Milch-, Flachs- und Getreideverarbeitung.

Im letzten Stock befinden sich historische Ackerbaugeräte, die Aufschluss über das beschwerliche Leben in früheren Zeiten geben.

Ganz schön (und) zerbrechlich

Eiligen Schrittes geht es die steilen Treppen nun wieder hinunter und hinein ins nächste Nebengebäude, das Porzellandepot, das mindestens so viele Schätze beherbergt wie der zuvor besichtigte Zehentkasten. Schon beim Betreten fühlt man sich ein bisschen wie ein Elefant im Porzellanladen: Verschiedenste Keramiken, Pfannen, Töpfe, Gläser, Dreifüße, Koch- und Backformen blitzen neben Küchenwaagen, Tellern und bunten Pringles-Dosen zwischen den Regalen des Depots hervor. „Hier im sogenannten Porzellandepot bin ich besonders gerne, weil die Objekte – vordergründig Koch- und Küchen- bzw. Haushaltsgeräte – für mich besonders ästhetisch sind. Außerdem wird einem hier auch ständig vor Augen geführt, wie körperlich anstrengend früher auch alltägliche Tätigkeiten wie zum Beispiel das Kochen war“.

Und was haben eine Pringles-Dose und verschiedene Plastikbehälter hier zu suchen? „Das Joanneum wurde mit dem Auftrag gestiftet, Zeugnisse der Natur, Kunst und Kultur des Landes zu sammeln und zu erforschen. Dazu gehören auch Objekte, die jetzt vielleicht noch zu Hauf erhältlich und tagtäglich in Gebrauch sind – wie beispielsweise Plastikbehälter. Aber wer weiß, was in 100 Jahren verwendet wird. Ich vermute, dann wird man sich auf den Kopf greifen und bestürzt sein über die Vielzahl der Gegenstände, die von uns aus Plastik hergestellt wurden“, erzählt Zengerer, die bereits seit 13 Jahren im Schloss Stainz tätig ist.

Kurz vor Ende der Tour geht’s noch für einen Sprung ins Textildepot, das zum Schutz vor Motten komplett abgeriegelt ist: „Wenn man sich die Textilien genauer ansieht, bemerkt man, wie mühselig der Alltag früher war und wie haushälterisch man mit den Gewändern umgehen musste. Ein Dirndl wurde zum Beispiel so lange getragen, bis es wirklich nur mehr aus Fetzen bestand. Deshalb gibt es so wenig gut erhaltene Alltagskleidung“, erklärt sie weiter, bevor sie zum Abschluss noch verrät, welchen versteckten Ort im Universalmuseum Joanneum sie ganz gerne einmal besuchen würde: „Die Kellerräumlichkeiten in Schloss Eggenberg, ich habe nämlich so gar keine Vorstellung davon und frage mich, wie die ausschauen könnten.“

Besonders zerbrechliche Schätze gibt es hier im sogenannten Porzellandepot zu bewundern.

Verschiedenste Keramiken, Pfannen, Töpfe, Gläser, Dreifüße, Koch- und Backformen blitzen neben Küchenwaagen und Tellern zwischen den Regalen des Depots hervor.

Gut erhaltene Alltagskleider sind eine Seltenheit, im Textildepot finden sich aber noch einige Stücke.

Und sogar Pringles-Dosen finden im Porzellandepot ihren Platz.

Fotos: Maria Zengerer und Elisabeth Eder

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